Zum Inhalt springen

EGMR bestätigt Streikverbot für Beamtinnen und Beamte

„Damit ist der Rechtsweg ausgeschöpft“

Verbeamtete Lehrkräfte dürfen weiterhin nicht streiken. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden. Die GEW ist enttäuscht über das Urteil, sieht darin aber auch Ansätze, das Beamtenrecht in Deutschland fortzuentwickeln.

Verbeamtete Lehrerinnen und Lehrer dürfen in Deutschland nach wie vor nicht streiken. Damit bestätigte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Donnerstag in Straßburg die Entscheidungen früherer Gerichte. 2018 hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) das Streikverbot für Beamtinnen und Beamte bekräftigt. Die GEW akzeptiert das Urteil, zeigte sich dennoch enttäuscht darüber, dass der EGMR das Streikverbot in letzter Konsequenz als für mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vereinbar bewertet habe.

„Das Urteil betont die Bedeutung des Streikrechts insgesamt als Teil der Koalitionsfreiheit und des gewerkschaftlichen Engagements, macht aber für verbeamtete Lehrkräfte in Deutschland eine Ausnahme.“ (Maike Finnern)

„Damit ist der Rechtsweg ausgeschöpft. Das Urteil betont die Bedeutung des Streikrechts insgesamt als Teil der Koalitionsfreiheit und des gewerkschaftlichen Engagements, macht aber für verbeamtete Lehrkräfte in Deutschland eine Ausnahme“, sagte die GEW-Vorsitzende Maike Finnern bei einer Pressekonferenz in Berlin. Nach der bisherigen Rechtssprechung des EGMR habe die Gewerkschaft eine andere Entscheidung erwartet. „Das ist jetzt die Situation, mit der wir leben müssen, das Urteil ist rechtskräftig“, fügte der Prozessvertreter der GEW, Rudolf Buschmann, hinzu.

„Die Begründung des EGMR-Urteils enthält auch eine Aufforderung an Bund und Länder, sich mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes an einen Tisch zu setzen und über eine demokratische Fortentwicklung zu einem zeitgemäßen Beamtenrecht in Deutschland zu sprechen.“ (Maike Finnern)

Das Urteil gebe jedoch Hinweise, das Beamtenrecht in Deutschland fortzuentwickeln, sagte Finnern weiter. „Die Richterinnen und Richter betonen die Bedeutung der Beteiligungsrechte als Kompensation für das fehlende Streikrecht. Hier müssen wir ansetzen und diese Rechte stärken“, betonte sie. „Die Begründung des EGMR-Urteils enthält auch eine Aufforderung an Bund und Länder, sich mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes an einen Tisch zu setzen und über eine demokratische Fortentwicklung zu einem zeitgemäßen Beamtenrecht in Deutschland zu sprechen.“

Bis heute seien Beamtinnen und Beamten vom Wohlwollen der Arbeitgeber abhängig: Der Dienstherr verordne, wie lange gearbeitet werde, er entscheide über die Einkommen, Erhöhung oder Kürzung der Bezahlung und die Arbeitsbedingungen. Die GEW hatte dagegen geklagt, dass verbeamtete Lehrkräfte ihre Interessen in Deutschland nicht auch mit Arbeitsniederlegungen vertreten dürfen.

So kam es zu der Klage

Verhandelt wurden die Beschwerden von drei Kolleginnen und einem Kollegen, die in den Jahren 2009 und 2010 in vier Bundesländern Warnstreikaufrufen der GEW gefolgt waren. Dabei ging es zum Teil um die Übertragung des Tarifergebnisses auf die Besoldung der Beamtinnen und Beamten und zum Teil um die Abwehr von Verschlechterungen in der Pflichtstundenverordnung des Landes Schleswig-Holstein.

Die Kolleginnen und der Kollege beriefen sich auf ihre Rechte aus der EMRK: das Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und das Verbot der Diskriminierung. Das Streikverbot sei unverhältnismäßig und im Vergleich zu den Lehrkräften ohne Beamtenstatus diskriminierend.

Alle vier hatten mit GEW-Rechtsschutz gegen die daraufhin verhängten Disziplinarmaßnahmen geklagt. Mehrere Urteile des EGMR hatten die GEW ermutigt, diesen Weg zu beschreiten. Die EGMR-Entscheide sahen etwa in dem pauschalen Beamtenstreikverbot der Türkei einen Verstoß gegen die EMRK. 

Internationale Kritik

Deutschland steht wegen des Beamtenstreikverbots seit Jahrzehnten in der Kritik internationaler Organisationen wie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), der UN-Komitees für Menschenrechte und für Sozialschutz, dem Europäischen Komitee für Soziale Rechte oder dem Internationalen Gewerkschaftsbund. 

Viele europäische Länder kennen zwar einen Beamtenstatus mit Lebenszeitprinzip und Alimentationsanspruch – auch und nicht zuletzt für Lehrkräfte an staatlichen Schulen. Doch kein Land schließt deshalb das Streikrecht völlig unabhängig von der konkreten Funktion der Beschäftigten kategorisch aus. 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz im französischen Straßburg gehört zum Europarat und ist von der EU unabhängig. Europarat und Gerichtshof setzen sich für den Schutz der Menschenrechte in den 46 Mitgliedstaaten ein.