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„Frauen trauen sich oft zu wenig zu“

Nur etwa 25 von 150 gymnasialen Leitungsposten im Regierungsbezirk Stuttgart sind mit Frauen besetzt. Verena König, die in Leipzig Deutsch und Geschichte studiert hat, ist eine davon: Sie leitet das Gottfried-Daimler-Gymnasium (GDG).

Verena König, Schulleiterin am GDG in Stuttgart-Bad Cannstatt, ist Leiterin der Bezirksrechtsschutzstelle der GEW Nordwürttemberg (NW) und Mitglied im Bezirksvorstand NW.
  • E&W: Sie arbeiteten seit 1988 als Lehrerin in der DDR und wechselten 1996 nach Baden-Württemberg, zunächst an eine Realschule und nach drei Jahren an ein Gymnasium im Raum Stuttgart. Wie haben Sie den Wechsel erlebt?

König: Krass. Ich war als Mutter mit Kleinkind mit einem sehr familienunfreundlichen Stundenplan konfrontiert. Damals herrschte in den konservativen gymnasialen Kreisen Baden-Württembergs noch die Einstellung: Entweder eine Lehrerin arbeitet oder sie kümmert sich um ihre Kinder! Im Osten war das kein Thema. Im Westen wohl – das hat mich sehr erstaunt. Auch wie von außen Privates gesellschaftlich bewertet wird. Das stellt berufstätige Mütter unter Rechtfertigungsdruck. Kein Mann muss sich dafür rechtfertigen, eine Leitungsstelle zu übernehmen, wenn er Vater ist.

  • E&W: Warum wollten Sie Schulleiterin werden?

König: Ich wollte nie Schulleiterin werden.

  • E&W: Ach?

König: Das Arbeitsfeld Schulleitung war mir zunächst fern. Das lag daran, dass ich als Personalrätin und Frauenvertreterin tätig war – und quasi auf der anderen Seite stand. Als ich mich für die Interessen der Beschäftigten einsetzte, entstand nicht automatisch der Wunsch nach einem Leitungsposten.

  • E&W: Sie haben 2008 dennoch einen übernommen – wie kam das?

König: Das GDG kannte ich durch Fortbildungen. Und als mein Vorgänger kurzfristig in den Auslandsschuldienst ging, habe ich nicht lange nachgedacht. Ausschlaggebend war, dass ich als Personalrätin und Frauenvertreterin gewohnt war, über den Tellerrand zu blicken. Zum anderen fand ich das Schul- und Arbeitsklima am GDG immer toll und war überzeugt, die Schule passt gut zu mir.

  • E&W: Wie hat Ihr neues Kollegium auf Sie reagiert?

König: Das Kollegium unterstützte mich von Anfang an. Ich hatte ein – männliches – Schulleitungsteam, mit dem die Zusammenarbeit sehr gut klappte. Vorbehalte gab es nicht. Interessant war allerdings, dass Teile des Kollegiums dachten, Frauen führten anders als Männer. Und gerade bei den Kolleginnen gab es so eine Gemengelage nach dem Motto: „Es ist mir ein Rätsel, wie Sie das alles in Vollzeit schaffen – Familie, Führungsposition, dazu gewerkschaftliches Engagement …“ Da begegnete mir eine gewisse Skepsis, die mich verwunderte. Ich kannte im Osten vor den Teilzeit-Tarifverträgen in den 1990ern keine einzige Frau, die Teilzeit gearbeitet hat, warum auch.

  • E&W: Unterscheiden sich Frauen und Männer in ihrem Führungsstil?

König: Das ist nicht der Punkt. Die Frage ist, ob ich als Führungskraft allen Beschäftigten vorurteilsfrei begegnen kann. Ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Kolleginnen und Kollegen ist wichtig, trotzdem muss man dabei immer die Schulgemeinschaft insgesamt im Blick behalten.

  • E&W: Sind Sie für jüngere Kolleginnen Vorbild?

König: Ich ermutige sie: Karriere ist mit Kind zu bewältigen. Diese Ermutigung gelingt nicht immer. Wir haben in Baden-Württemberg an Gymnasien immer noch zu wenige Schulleiterinnen – lediglich zirka 25 von 150 gymnasialen Leitungsposten im Regierungsbezirk Stuttgart sind mit Kolleginnen besetzt.

  • E&W: Sind Frauen nicht forsch genug?

König: Frauen trauen sich oft zu wenig zu. Sie erhalten aber auch nicht genug Chancen, bestimmte Aufgaben eigenverantwortlich wahrzunehmen, nutzen zu wenig die Fortbildungen, die Baden-Württemberg für Frauen anbietet, um sich auf Führungspositionen vorzubereiten. Ferner ist es an der Spitze manchmal recht einsam. Das trägt nicht unbedingt zu einer guten Work-Life-Balance bei. Wenn wir wirklich wollen, dass die Hälfte der Schulleitungspositionen an Gymnasien und Beruflichen Schulen mit Frauen besetzt werden, müsste der Auftrag an Leitungskräfte sein, gezielt Personalentwicklung zu betreiben: Frauen mehr Tätigkeiten in Eigenregie zu überantworten und sie so zu Bewerbungen zu motivieren.

Das ungekürzte Interview ist in der Februarausgabe der „E&W“ nachzulesen.