Tarif- und Beamtenpolitik
Zäh zu sein, zahlt sich aus
Seit langem kämpft die GEW dagegen, dass Lehrkräfte mit Beginn der Sommerferien in die Arbeitslosigkeit entlassen werden. Den unrühmlichen Spitzenplatz im Länderranking hält seit Jahren Baden-Württemberg. Dank der GEW wird sich das 2023 ändern.
Vor über zehn Jahren legte die Bundesagentur für Arbeit (BA) eine Untersuchung vor, deren Ergebnis für viel Aufmerksamkeit sorgte: Mit Beginn der Sommerferien stieg die Zahl der arbeitslos gemeldeten Lehrkräfte jeweils sprunghaft an, um nach den Sommerferien ebenso sprunghaft wieder zurückzugehen. Drei Viertel dieser Zugänge in die Arbeitslosigkeit erfolgten aus einer Erwerbstätigkeit. Der Verdacht lag nahe, dass sich die Finanzminister auf Kosten der Sozialversicherungsbeitragszahler einen schlanken Fuß machen. Spitzenreiter schon damals: Baden-Württemberg.
„Wir gehen davon aus, dass zu diesen gemeldeten Arbeitslosen noch eine unbekannte Zahl entlassener Lehrkräfte hinzuzurechnen ist. Diese melden sich gar nicht erst arbeitslos, da sie wegen fehlender Leistungsvoraussetzungen keine finanziellen Vorteile der Meldung sehen und auf einen Anschlussvertrag nach den Ferien hoffen“, erklärte die damalige GEW-Vorsitzende Marlis Tepe in einer Pressemeldung. Die Zahl befristet beschäftigter Lehrkräfte werde leider in keinem Bundesland exakt erfasst, da diese häufig aus „Vertretungsmitteln“ finanziert würden, denen keine „Stellen“ zugeordnet sind.
Seit dieser Untersuchung veröffentlichte die BA jedes Jahr aktuelle Zahlen zur „Saisonarbeitslosigkeit“ der Lehrkräfte. In den folgenden Jahren gelang es GEW-Personalräten in vielen Bundesländern, mittels Dienstvereinbarungen oder politischen Gesprächen dafür zu sorgen, dass wenigstens über ein ganzes Schuljahr befristete Verträge immer auch die Sommerferien einschließen. In immer mehr Ländern ermöglichen strukturierte Seiteneinsteigerprogramme zudem auch nicht grundständig ausgebildeten Lehrkräften eine unbefristete Einstellung in den Schuldienst.
2022 entfielen fast 30 Prozent der „Saison-Arbeitslosen“ allein auf Baden-Württemberg.
Besonders hartleibig erwies sich die Landesregierung im Ländle. In der BA-Auswertung für 2022 entfielen fast 30 Prozent der „Saison-Arbeitslosen“ allein auf dieses Bundesland. Jahr für Jahr skandalisierte die GEW Baden-Württemberg diese Praxis. In der Pressekonferenz zum Ende des Schuljahres 2021/22 sagte GEW-Landesvorsitzende Monika Stein: „Etwa 8.000 bis 9.000 Lehrkräfte haben heute wenig Grund zur Freude. Ich hoffe sehr, dass diese Pressekonferenz in einem Jahr nicht mehr notwendig sein wird.“ In einer bunten Protestaktion hatten zuvor GEW-Kolleginnen und -Kollegen ihren Unmut vor dem Landtag kundgetan.
Im Oktober 2022 gab der Haushaltsausschuss des Landtags endlich grünes Licht: Mittlerweile liegt auch ein Schreiben des Kultusministeriums vor, das zusichert, dass befristet beschäftigte Lehrkräfte die Sommerferien bezahlt bekommen, wenn sie spätestens am 31. Dezember angefangen haben zu arbeiten und bis zum Beginn der Sommerferien eingesetzt werden. Explizit ausgenommen sind Lehramtsanwärterinnen und -anwärter, deren Vorbereitungsdienst vor den Ferien endet – selbst, wenn sie nach den Ferien eingestellt werden.
Nicht immer sind Erfolge sofort spürbar. Doch oft genug zahlt sich ein langer Atem aus. Am 27. Juli, dem ersten Sommerferientag in Baden-Württemberg, wird es jedenfalls für einige Tausend Lehrkräfte einen Grund zur Freude geben.