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Wissenschaftspolitische Forderungen zur Bundestagswahl

Kooperationsverbot – Hochschulfinanzierung – Entfristungsoffensive – BAföG-Reform: Andreas Keller, stellvertretender Vorsitzender und Hochschulexperte der GEW, erläutert die wissenschaftspolitischen Forderungen der GEW zur Bundestagswahl.

Foto: Dirk Laessig

Bund muss Gestaltungsmöglichkeiten endlich nutzen!

Wir leben im Bildungsföderalismus, aber gerade in der Hochschulpolitik verfügt der Bund schon heute über umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten. Das haben Bundestag und Bundesrat bereits letztes Jahr unter Beweis gestellt, als sie unter dem Druck der GEW-Kampagne für den „Traumjob Wissenschaft“ das Wissenschaftszeitvertragsgesetz novelliert haben. Für dieses Gesetz hat eindeutig der Bund die Zuständigkeit. Auch das BAföG ist ein Gesetz, für das der Bund zuständig ist. Und schließlich wurde das im Grundgesetz verankerte Kooperationsverbot zumindest für den Wissenschaftsbereich gelockert. Der Bund darf sich seitdem auch in der Fläche und auf Dauer an der Hochschulfinanzierung beteiligen – er muss dies nur auch endlich tun. Unabhängig davon macht sich die GEW dafür stark, dass das Kooperationsverbot vollständig aus dem Grundgesetz gestrichen wird. Es ist absurd, dass Bund und Länder in der Bildungspolitik nicht zusammenarbeiten dürfen. Eigentlich bräuchten wir kein Kooperationsverbot, sondern ein Kooperationsgebot.

Schluss mit der „Pakteritis“!

Bund und Länder haben in den letzten Jahren viel Phantasie entwickelt, um immer neue Pakte aus dem Boden zu stampfen, also Bund-Länder-Programme, mit denen einzelne Hochschulen für eine befristete Dauer finanziert werden: den Qualitätspakt Lehre, die Qualitätsoffensive Lehrerbildung oder – das prominenteste Beispiel – die Exzellenzinitiative, die nun in Exzellenzstrategie umbenannt wurde. Mit der Exzellenzstrategie wird die Spitzenforschung an ausgewählten Universitäten aufgepäppelt. Schluss mit der „Pakteritis“! Viel wichtiger wäre, für deutlich mehr Studienplätze, bessere Betreuungsrelationen zwischen Lehrenden und Studierenden und die Stärkung der Grundlagenforschung an allen Hochschulen zu sorgen. Das haben Bund und Länder bisher versäumt: Nach Auslaufen des Hochschulpakts 2020 droht sich die Unterfinanzierung der Hochschulen noch zu verschärfen. Der Bund muss sich daher endlich seiner Verantwortung stellen und gemeinsam mit den Ländern für eine bessere Grundfinanzierung der Hochschulen sorgen – auch als Voraussetzung für eine umfassende Entfristungsoffensive.

Dauerstellen für Daueraufgaben – her mit der „Entfristungsoffensive“!

2016 hat die GEW mit ihrer Wittenberger Erklärung ein Konzept für 50.000 zusätzliche Dauerstellen im akademischen Mittelbau vorgelegt. Wir brauchen 40.000 zusätzliche Dauerstellen, um die wachsenden Daueraufgaben in Forschung, Lehre und Wissenschaftsmanagement zu bewältigen. Weitere 10.000 Dauerstellen gehören an die Fachhochschulen, damit sie ihrer erweiterten Aufgabenstellung in Lehre und Forschung, Nachwuchsförderung und Wissenstransfer gerecht werden können. Bund und Länder sollten endlich die Handlungsmöglichkeiten des gelockerten Kooperationsverbots nutzen und eine Entfristungsoffensive starten – auch um die Kontinuität und damit Qualität wissenschaftlicher Arbeit zu sichern.

Wissenschaftszeitvertragsgesetz nicht abschaffen, sondern weiter reformieren!

Die Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes ist ein wichtiger Teilerfolg der GEW-Kampagne für den „Traumjob Wissenschaft“. Arbeitsverträge mit wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dürfen nur noch befristet werden, wenn tatsächlich eine Qualifizierung oder eine Drittmittelfinanzierung erfolgt. Die Laufzeit der Verträge muss dem Qualifizierungszweck gerecht werden. Auf der anderen Seite hat der Gesetzgeber wichtige Forderungen der GEW nicht aufgegriffen: Die familienpolitische Komponente ist weiterhin unverbindlich ausgestaltet, die Tarifsperre blieb unangetastet. Es kommt jetzt darauf, die Verbesserungen des Gesetzes konsequent umzusetzen – dabei sind Hochschulen und Gewerkschaften, aber auch die Beschäftigten selbst und ihre Personalvertretungen gefordert. Vor Ort macht sich die GEW außerdem für Kodizes für gute Arbeit stark, damit das Gesetz arbeitnehmer*innenfreundlich umgesetzt wird. Die GEW tritt weiter dafür ein, dass die erst für 2020 vorgesehene Evaluation des Gesetzes vorgezogen wird, damit bereits im Laufe der nächsten Wahlperiode über weitere Verbesserungen des Gesetzes entschieden werden kann. Ziel ist, die Zahl der Dauerstellen und die Dauer der Laufzeiten von Zeitverträgen zu erhöhen. Niemand wäre aber damit geholfen, wenn das Wissenschaftszeitvertragsgesetz über Nacht abgeschafft würde. Dann wäre nicht nur die rechtssichere Befristung von Arbeitsverträgen etwa mit Doktorandinnen und Doktoranden gefährdet, auch die automatische Verlängerung von befristeten Arbeitsverträgen bei Mutterschutz und Elternzeit, die das allgemeine Arbeitsrecht nicht kennt, würde wegfallen, der Arbeitsplatz Wissenschaft also noch weniger familienfreundlich werden. Die GEW ist daher nicht für die Abschaffung, sondern für die weitere Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes.

Wir können es uns leisten: Mehr Geld für Bildung!

„Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung – keine Bildung.“ Dieses dem früheren US-Präsidenten John F. Kennedy zugeschriebene Zitat ist aktueller denn je. Eine auskömmliche Hochschulfinanzierung kommt nicht nur Studierenden und Dozentinnen und Dozenten zugute, nein, gesellschaftlicher Fortschritt, wirtschaftliche Entwicklung und nicht zuletzt Nachhaltigkeit sind auf ein leistungsfähiges Bildungs- und Forschungssystem angewiesen. Und Geld ist genug da. Wenn Deutschland genau so viel Geld für die Bildung ausgeben würde wie die anderen Industrieländer im Durchschnitt, stünden Jahr für Jahr 60 Milliarden Euro mehr zur Verfügung. Ein Steuersystem, das die Reichen und Superreichen angemessen zur Kasse bittet, könnte dafür sorgen. Die GEW hat dafür ein umfassendes Steuerkonzept vorgelegt. „Bildung. Weiter denken!“ lautet das Motto der GEW-Initiative, mit der wir im Vorfeld der Bundestagswahl Druck auf politischen Parteien ausüben, endlich die Weichen für mehr Geld für die Bildung zu stellen.

BAföG erhöhen und reformieren!

Weil die staatliche Studienfinanzierung verkümmert, müssen immer mehr Studierende jobben, die Eltern der Studierenden müssen immer tiefer in die Tasche greifen – das hat zuletzt die Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks aufgezeigt. Studieren darf aber nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Die GEW fordert die politischen Parteien daher auf, sofort nach der Bundestagswahl eine BAföG-Erhöhung um mindestens zehn Prozent auf den Weg zu bringen und die Ausbildungsförderung umfassend zu reformieren. Auch die Freibeträge für das Elterneinkommen müssen steigen: Nur noch 15 Prozent aller Studierenden erhalten Leistungen nach dem BAföG. Die staatliche Ausbildungsförderung darf aber nicht zu einer Randerscheinung der Studienfinanzierung werden. Die BAföG-Reform gehört ganz nach oben auf die Agenda der neuen Bundesregierung. Dazu gehört auch, dass das BAföG endlich wieder von einem Teildarlehen zu einem Vollzuschuss umgebaut und das BAföG für Schülerinnen und Schüler ab Klasse 11 an allgemeinbildenden Schulen wieder eingeführt wird.