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Schul- und Kitaschließungen

„Wir können jetzt keine Alleingänge der Länder gebrauchen!“

Die GEW mahnt die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder, sich an die Vereinbarung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu halten und die Kitas wie die Schulen weitgehend zu schließen.

Foto: GEW/Shutterstock
Foto: GEW/Shutterstock

Neun Monate nach dem ersten Corona-Lockdown an Kitas und Schulen sollen die meisten Einrichtungen erneut überall in Deutschland geschlossen oder nur noch eingeschränkt betrieben werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidentinnen und -präseidenten der Länder vereinbarten am Sonntag, dass Schüler und Kita-Kinder spätestens ab Mittwoch für zunächst dreieinhalb Wochen möglichst zu Hause bleiben sollen.

16 unterschiedliche Umsetzungen der Schul- und Kitaschließungen

Doch das zwischen Bund und Ländern vereinbarte Vorgehen bei Schulen und Kitas wird in den Ländern unterschiedlich umgesetzt. So hat Sachsen bereits an diesem Montag alle Schulen und Kitas geschlossen. Bayern folgt am Mittwoch. Es soll eine Notbetreuung geben. Nordrhein-Westfalen wählt einen anderen Weg: Das bevölkerungsreichste Bundesland schließt Schulen und Kitas zwar nicht, setzt aber die Präsenzpflicht ab Montag aus und bittet Eltern, ihre Kinder möglichst nicht zu bringen. Einige Länder setzten das bereits an diesem Montag um, manche strenger, andere weniger streng.

Für Schulen und Kitas sind die Bundesländer grundsätzlich selbst zuständig. Bei den regelmäßigen Beratungen mit Merkel werden daher immer nur grundsätzliche Vereinbarungen getroffen. Konkret und oft auch unterschiedlich umgesetzt werden sie dann über die jeweiligen Verordnungen der Länder.

„Das ständige Hin und Her der vergangenen Monate darf so nicht weitergehen.“ (Björn Köhler)

„Es ist niemandem mehr zu erklären, warum es für die Kitas mindestens 16 unterschiedliche Umsetzungsvarianten gibt. Das ständige Hin und Her der vergangenen Monate darf so nicht weitergehen“, kommentierte Björn Köhler, Kitaexperte und GEW-Vorstandsmitglied für Jugendhilfe und Sozialarbeit, am Dienstag in Frankfurt a.M. die unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern. „Wir können jetzt keine Alleingänge der Länder gebrauchen. Beschäftigte, Eltern und Kinder benötigen Regelungen, auf die sie sich verlassen können.“ Deshalb sei es notwendig, den Lockdown in den Kitas in allen Bundesländern möglichst gleich umzusetzen.

Der GEW-Kitaexperte begrüßte den Lockdown grundsätzlich. Dieser ermögliche Kitabeschäftigten und deren Familien, das Ansteckungsrisiko zu verringern und sich mit Blick auf die Weihnachtstage zu schützen. Trotzdem sieht Köhler, dass eine Notbetreuung für Familien, die dringend darauf angewiesen sind, sichergestellt werden müsse.

In den nächsten Tagen sei verstärkt Wert darauf zu legen, dass die Hygiene- und Arbeitsschutzvorschriften, wie die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) sie vorsieht, eingehalten werden. Dies sei besonders notwendig, da laut Deutschem Jugendinstitut (DJI) und Robert Koch-Institut (RKI) die Infektionszahlen auch in den Kitas gestiegen seien. „Teilweise hat sich der Wert versechsfacht. Das bedeutet auch ein höheres Infektionsrisiko für das Kitapersonal, das meist ohne Masken und Mindestabstände arbeiten muss“, sagte Köhler.

 

„Wir brauchen eindeutige Regelungen, welche Kinder betreut werden sollen, damit Kitaleitungen, Erzieherinnen und Erzieher nicht in kräftezehrende Konflikte mit Eltern gehen müssen. Sie dürfen gerade jetzt nicht alleine gelassen und vor ein Entscheidungsdilemma gestellt werden, wenn es etwa um die Vergabe der Notplätze geht“, sagte Köhler. Klar sei, dass vor allem Kinder aus Familien, in denen mindestens ein Elternteil in einem systemrelevanten Beruf arbeitet und eine andere Betreuung nicht möglich ist, Vorrang haben müssen. Zusätzlich könnten in begründeten Fällen, beispielsweise wenn dies wegen des Kindeswohls notwendig sei, weitere Kinder auf Empfehlung des Jugendamtes aufgenommen werden.

Gleichzeitig regte der Kitaexperte an, dass die Einrichtungen Personalkapazitäten nutzen, um mit den anderen Familien in Kontakt zu bleiben: „Ein Anruf oder ein Videocall mit Ideen und Ratschlägen kann helfen, Familien zu entlasten und gleichzeitig auch mit den Kindern weiter in Kontakt zu bleiben.“ Viele Träger hätten bereits gute Ideen entwickelt, von virtuellen Morgenkreisen für die Kinder bis hin zu Spielepaketen, die verschickt wurden. „Es wäre hilfreich, wenn Familienministerin Franziska Giffey (SPD) diese Ideen systematisch sammelt und als Handlungshilfe zur Verfügung stellt“, schlug Köhler vor.

Für die Kitas verlangt die GEW, die individuellen Gefährdungsbeurteilungen nach Arbeitsschutzgesetz umzusetzen. Jede Kita braucht passgenaue und wirksame Hygienepläne. „Die Regelungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) für Kitas zum Infektionsschutz sind zu beachten und umzusetzen. Weiter müssten alle Kitaträger Betriebsmediziner einsetzen, diese sollten die Risikogruppen bei den Beschäftigten beraten und im Einzelfall von der Arbeit in der Kita freistellen“, sagte GEW-Chefin Marlis Tepe. Sie regte zudem an, freiwillige, kostenfreie Coronatests sowie eine Grippeschutzimpfung für die Beschäftigten anzubieten.

  • Freiwillige, kostenfreie Coronatests sowie eine Grippeschutzimpfung für die Beschäftigten
  • Passgenaue und wirksame Hygienepläne für jede Kita
  • Umsetzung der Empfehlungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) an Kitas
  • Risikogruppen von Betriebsmedizinern beraten lassen und im Einzelfall von der Arbeit an der Kita freistellen

Übersicht: Alles, was sich an Bildungseinrichtungen mit Blick auf den Gesundheitsschutz in Corona-Zeiten an ändern muss.

Zudem müsse Politik endlich Konzepte vorlegen, wie Familien, Kinder und Kitapersonal entlastet werden können, wenn der Lockdown über den 10. Januar notwendig wird oder eine dritte Welle droht. Das ständige „Weiter so“ frustriere viele Erzieherinnen und Erzieher, aber auch die Eltern. Immer mehr Beschäftigte trügen sich mit Berufswechselgedanken. „Dazu darf es nicht kommen. Die Politik muss Kitaleitungen und Fachkräfte jetzt nachhaltig unterstützen“, hob der GEW-Kitaexperte hervor.