Viele Lehrkräfte sind hochmotiviert, aber auch stark belastet. Das ist eine der zentralen Erkenntnisse der heute in Hannover vorgestellten Metastudie „Studien zur Arbeitszeit von Lehrkräften in Deutschland“. Bei einer Pressekonferenz der GEW in Hannover legten die Göttinger Sozialwissenschaftler Dr. Frank Mußmann und Dr. Thomas Hardwig die Ergebnisse einer Vergleichsanalyse von 20 Studien aus sechs Jahrzehnten zur Lehrkräftearbeitszeit vor. „Das Bild ist nun sehr umfassend und eindeutig“, sagte Mußmann. „Lehrkräfte sind aufgrund zu hoher Arbeitszeitvorgaben gegenüber vergleichbaren Beschäftigten im öffentlichen Dienst im Mittel schlechter gestellt. Die Arbeitszeitverkürzungen der letzten Jahrzehnte kamen nur verspätet und nicht vollständig an“, so Mußmann weiter. Dies sei das konsolidierte Ergebnis der untersuchten Studien aus 60 Jahren mit verschiedensten Methoden und von unterschiedlichsten Auftraggebern.
„Es fehlen Erholungsmöglichkeiten in den Schulpausen, die Sieben-Tage-Woche ist in der Schulzeit quasi obligatorisch und die Entgrenzung der Arbeitszeit ist fast die Regel.“ (Frank Mußmann)
Zwischen 14 und 19 Prozent der Lehrkräfte bewege sich sogar im Bereich überlanger Arbeitszeiten von mehr als 48 Stunden in der Schulwoche. „Es fehlen Erholungsmöglichkeiten in den Schulpausen, die Sieben-Tage-Woche ist in der Schulzeit quasi obligatorisch und die Entgrenzung der Arbeitszeit ist fast die Regel“, führte der Wissenschaftler aus. Im Schnitt arbeiten Lehrerinnen und Lehrer an Grundschulen, Gesamtschulen und Gymnasien 48:18 Stunden wöchentlich gegenüber der Vergleichsbasis von 46:38 Stunden, die sich rechnerisch ergibt, wenn man die 40-Stunden-Woche der Verwaltungsbeamten auf die Schulwochen umrechnet. Selbst unter Einrechnung der Ferienzeiten, die zumeist erhebliche Arbeit zu Hause bedeuteten, kämen Lehrkräfte im Mittel auf 48:18 Stunden, also 1:40 Stunden über der Vergleichsbasis, erklärte Mußmann.
„Seit rund 20 Jahren werden den Lehrkräften ständig weitere Aufgaben draufgesattelt, ihre Pflichtstundenzahl wurde aber nicht grundsätzlich reduziert.“ (Marlis Tepe)
Das liege vor allem daran, dass das Lehrdeputat von Lehrerinnen und Lehrern in den letzten 20 Jahren praktisch nicht gesunken, aber vielfältige Aufgaben hinzugekommen seien. Als Beispiele nannte die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe insbesondere die Herausforderungen von Ganztagsunterricht, Inklusion sowie Sprachförderung. Seit rund 20 Jahren werden den Lehrkräften ständig weitere Aufgaben draufgesattelt, ihre Pflichtstundenzahl wurde aber nicht grundsätzlich reduziert. Die Gesundheitsrisiken sind inzwischen immens. Hier brauchen wir dringend Entlastungen“, sagte Tepe.
Der jetzt veröffentlichten Metastudie ging eine auf das Bundesland Niedersachsen bezogene Arbeitszeitstudie voraus. 2016 stellte Mußmann in Kooperation mit der GEW fest, dass viele niedersächsische Lehrkräfte am Limit arbeiten. Mit der budesweiten Metastudie stellt sich heraus, dass dieses Bild auch für Lehrkräfte in anderen Bundesländern gilt. Die Vorsitzende der GEW-Niedersachsen, Laura Pooth, schlussfolgerte: „Mit den damaligen Studien konnten die Wissenschaftler belegen, dass Lehrkräfte hochbelastet und trotzdem hochmotiviert sind. Nun liegen sämtliche Fakten auf dem Tisch, es gibt keinen weiteren Forschungsbedarf. Die Unterrichtsverpflichtung muss runter, damit gute Qualität gewährleistet werden kann!“