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Auslandslehrkräfte

Sechs tolle Jahre in Tokyo

Sechs Jahre war Dominik Pyka an der Deutschen Schule Tokyo Yokohama tätig, die ihn sehr beeindruckt haben. Allerdings zeigen seine Erfahrungen auch: Es besteht dringender Nachholbedarf bei der Mitbestimmung. Ein persönlicher Bericht.

In der Zeit von 2015 bis 2021 war ich als Auslandslehrkraft (ADLK) für die Fächer Französisch und Geschichte in der Sek I und II an der Deutschen Schule Tokyo Yokohama beschäftigt. Meine beiden Kinder besuchten in derselben Einrichtung die Grundschule und meine Frau unterrichtete abends dort Deutsch für Erwachsene als Honorarkraft.

Schule als Lehr- und Lebensraum

Wir alle waren somit Teil dieser Schule und vom ersten Tag an fühlte es sich auch so an: Teil einer Gemeinschaft zu sein, deren Lebensmittelpunkt die deutsche Schule ist. Dies ist einer der großen Unterschiede zum innerdeutschen System: Für viele Schülerinnen und Schüler, aber auch Eltern und Lehrkräfte ist eine Auslandsschule nicht nur Lehr-, sondern auch Lebensraum, in dem auch ein großer Teil der Freizeit verbracht wird. Der Unterricht geht bis 15:00 oder 16:30 Uhr und im Anschluss bleiben viele Schüler*innen noch länger an der Schule, um entweder AGs zu besuchen oder einfach nur mit Freunden Fußball oder Basketball auf dem großzügigen Hof zu spielen.

An den Wochenenden gibt es Sportturniere, Grillfeste und andere Feiern, so dass man wirklich sehr viel Zeit an der Schule verbringt.

Positives Gemeinschaftsgefühl

Dieses positive Gemeinschaftsgefühl spiegelt sich auch im Unterrichtsalltag wider: die große Mehrheit der Schülerinnen und Schüler geht gerne und mit viel Engagement zur Schule, Unterrichtsstörungen sind nahezu gleich Null und es gibt viel Raum für Projekte.

So hat zum Beispiel mein Französischkurs der Klasse 11 in der Kantine für die gesamte Schulgemeinschaft typisch französische Spezialitäten zubereitet. Da unser Koch aus dem Elsass kam, war die Küchensprache natürlich „Français“ und ein voller Erfolg!

Mit der französischen Schule Tokyo hatte ich einen sehr engen und herzlichen Kontakt und neben Austauschen konnten wir sogar gemeinsam ein großes Projekt auf die Beine stellen: Zum Gedenken an den 100. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs hat unsere Schülerschaft ein mehrsprachiges Symposium an der Sophia-Universität in Tokio durchgeführt, in Anwesenheit der deutschen und französischen Botschafter.

Japan hat viel zu bieten

Neben der Schule blieb aber dennoch genug Zeit, Land und Leute kennenzulernen. Meine Kinder haben sehr schnell gut Japanisch gelernt. Ich habe mich schwerer getan mit den vielen Schriftzeichen und der fremden Grammatik, konnte jedoch nach kurzer Zeit das Nötigste, um im Alltag zurecht zu kommen. Und die Sprache ist in Japan tatsächlich der Schlüssel, der die Herzen öffnet.

Die nach außen hin oft so reservierten Einwohnerinnen und Einwohner nehmen einen mit offenen Armen auf, und wir konnten im Laufe der sechs Jahre viele Freundschaften schließen. Kulinarisch ist Japan sowieso Weltklasse und touristisch hat das Land von Schnee und Bergen im Norden bis hin zu tropischen Stränden im Süden viel zu bieten.

Große Unterschiede bei den Arbeitsbedingungen

So begeistert meine Familie und ich über Land und Leute und über die deutsche Schule Tokyo bis heute berichten, so kritisch muss ich mich jedoch als Gewerkschafter mit den Strukturen der Auslandsschulen im Allgemeinen und der Deutschen Schule Tokyo Yokohama im Besonderen auseinandersetzen:

Bereits im ersten Jahr als entsandter ADLK ist mir die Spannung zwischen Ortslehrkräften und Auslandslehrern aufgefallen. Es gab eine Vielzahl an unterschiedlichen Verträgen, die nicht transparent von der Schule kommuniziert wurden: So gab es „alte“ Verträge, die noch eine lebenslange Beschäftigung an der Schule ermöglichten, „neue“ Verträge, die durch den Wegfall der Ortszulagen nach sechs Jahren de facto einer Kündigung gleichkommen, da die Lebenshaltungskosten in Tokyo derart hoch sind, dass ohne Mietzuwendungen das Gehalt nicht zum Leben reicht. Daneben noch Honorarlehrkräfte, die keinerlei Rechte besaßen und nach jedem Jahr kündbar waren.

Mitbestimmung stärken!

Ab dem zweiten Jahr wurde ich im Lehrkräftebeirat aktiv. Diese Arbeit erwies sich im Nachhinein als sehr frustrierend und zermürbend. Selbst die sehr zurückhaltenden Empfehlungen des Bundes-Länder-Ausschusses der KMK (BLASchA) zur Einrichtung und den Aufgaben eines Lehrkräftebeirats an deutschen Auslandsschulen wurden leider nicht eingehalten. Die Teilnahme an Vorstandssitzungen wurde uns verwehrt, Termine zu gemeinsamen Treffen mit dem Vorstand wurde immer wieder verschoben, einseitige Entscheidungen ohne Einbezug der Beiräte der Lehrkräfte und der Eltern sowie der Schüler*innenvertretung getroffen.

Es fehlt auch eine Stelle in Deutschland, an die sich Betroffene wenden können. Die Beschwerdebriefe des Lehrkräftebeirates blieben unbeantwortet. Als die Bund-Länder-Inspektion im Jahre 2019 an die Deutsche Schule Tokyo Yokohama kam, gab es keinerlei Gespräche mit dem Lehrerbeirat, obwohl der Qualitätsrahmen dies eigentlich vorsehen sollte.

Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die AGAL sich weiter für Mitbestimmungsrechte an deutschen Auslandsschulen einsetzt, da es auch im Interesse der Schulen selbst sein sollte, sich an Mindeststandards zu halten, um die Attraktivität der Standorte hoch zu halten. Denn: Die Deutsche Schule Tokyo Yokohama ist eine großartige Schule mit tollen Mitarbeiter*innen und Schüler*innen.