Zum Inhalt springen

Reform der Lehrkräfteausbildung

Regelweg statt Provisorien

Viele Bundesländer haben Wege gefunden, um an Berufsschulen mehr Quer- und Seiteneinstiege zu ermöglichen. Doch oft sind das Provisorien. Die GEW fordert einen geregelten zweiten Ausbildungsweg für Lehrkräfte: das einphasige duale Masterstudium.

Der Lehrkräftemangel ist auch in den Berufsschulen groß. Bundesweit fallen deshalb jährlich Tausende Unterrichtsstunden aus. (Foto: IMAGO/OR Medienvertrieb)

Lehrkräftemangel – das ist nicht nur ein Riesenproblem an allgemeinbildenden Schulen. Auch und gerade an Berufsschulen können die Kollegien ein Klagelied davon singen. Mehr als 10.000 Lehrkräfte fehlen schon heute, jährlich fallen Tausende Unterrichtsstunden aus. Und bis 2030 geht fast die Hälfte der aktuell 125.000 Berufsschullehrerinnen und -lehrer in den Ruhestand. „Es klafft eine gewaltige Lücke zwischen Bedarf und Angebot“, stellte Bildungsforscher Klaus Klemm in einer Studie für die Bertelsmann Stiftung schon Ende 2018 fest. Jedes Jahr müssten bis zu 4.800 Lehrkräfte neu eingestellt werden. „Und die Lage bessert sich nicht – im Gegenteil“, sagt GEW-Vorstandsmitglied Ralf Becker. „Die Zahl der zu erwartenden Absolventinnen und Absolventen der Lehramtsstudiengänge wird den Bedarf bei weitem nicht decken können.“

„Wir wollen, dass alle Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen die Möglichkeit haben, eine qualifizierte Ausbildung zu erhalten – unabhängig von ihrem Einstiegsweg.“ (Ralf Becker)

Als Leiter des Organisationsbereichs Berufliche Bildung und Weiterbildung hat Becker daher eine klare Antwort auf die Misere formuliert. Er fordert neben dem klassischen Weg über das Lehramtsstudium an den Berufsschulen einen zweiten Regelweg: ein einphasiges duales Masterstudium für Praktiker, die an Berufsschulen arbeiten wollen. Zwar gebe es bereits ähnliche Seiteneinstiegsprogramme in manchen Bundesländern, aber meist seien das nur Provisorien, deren Qualität und Volumen sich als unzureichend erwiesen hätten. An berufsbildenden Schulen bestehe dringender Bedarf, den Seiteneinstieg weiter zu etablieren, um den Bedarf an qualifiziertem Nachwuchs überhaupt decken zu können. „Wir wollen, dass alle Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen die Möglichkeit haben, eine qualifizierte Ausbildung zu erhalten – unabhängig von ihrem Einstiegsweg“, sagt Becker. Dafür müssten die Wege zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung neu gedacht und weiter geöffnet werden.

„Die Ausbildung sollte dabei in enger Kooperation zwischen Schule, Studienseminar und Hochschule erfolgen.“

Das einphasige duale Masterstudium soll berufsbegleitend während der Lehrtätigkeit an einer Berufsschule stattfinden und sieht daher kein Referendariat als zweite Ausbildungsphase vor. Geplant ist je nach Vorqualifikation eine Dauer von zwei bis vier Jahren. „Die Ausbildung sollte dabei in enger Kooperation zwischen Schule, Studienseminar und Hochschule erfolgen“, betont Becker. Denn die Inhalte sollten mit dem regulären Masterstudium vergleichbar sein. Die Pflichtstundenzahl der studierenden Lehrkräfte sollte so bemessen sein, dass diese nicht überlastet werden und auch ihre Betreuung gewährleistet ist. Die Entlastung von Pflichtstunden kann sich im Laufe der Ausbildung schrittweise reduzieren, um den eigenverantwortlichen Unterricht zu fördern.

Großes Interesse am Vorstoß der GEW

Zugangsberechtigt sollen Meisterinnen und Meister, Technikerinnen und Techniker, Betriebswirtinnen und Betriebswirte, Erzieherinnen und Erzieher sowie weitere vergleichbare Berufsausbildungen auf Bachelor-Niveau sein. Zudem sollen die Lehrkräfte mindestens drei Jahre Berufserfahrung in ihrem Berufsfeld mitbringen. Um ihnen finanzielle Sicherheit zu geben, sollten sie von ihrem Bundesland als Arbeitgeber eine unbefristete Beschäftigung erhalten, die nur dann endet, wenn das Masterstudium nicht abgeschlossen oder die Abschlussprüfung nicht bestanden wird. Die Bezahlung solle sich dabei nach dem Tarifvertrag der Länder (TV-L) sowie dessen Entgeltordnung entsprechend der Eingangsqualifikation richten, fordert Becker. Außerdem sollte dieser neue zweite Regelweg auch jenen Kolleginnen und Kollegen offenstehen, die bereits an den Berufsschulen unterrichten.

„Wir brauchen einen Pakt für die berufsbildenden Schulen, um den Fachkräftebedarf in Deutschland zu decken.“

Das Interesse am Vorstoß der GEW, der auch auf dem Gewerkschaftstag voriges Jahr in Leipzig debattiert wurde, sei groß, berichtet Becker. Doch sei das Konzept kein Allheilmittel. Neben dem Seiteneinstieg als Regelweg müssten auch andere Maßnahmen umgesetzt werden, um die Arbeitsbedingungen an Berufsschulen generell zu verbessern. Dazu gehörten eine spürbare Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung, eine Entlastung der Lehrkräfte von Verwaltungsarbeiten, angemessene Gehälter, die Unterstützung durch sozialpädagogisches Personal sowie eine bessere Ausstattung der Schulen etwa mit Blick auf die Digitalisierung. „Wir brauchen einen Pakt für die berufsbildenden Schulen“, sagt Becker, „um den Fachkräftebedarf in Deutschland zu decken.“