Zum Inhalt springen

WissZeitVG

Reform mit Pferdefuß

Der Referentenentwurf für ein neues Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) ist ein erster Schritt – nicht mehr.

Foto: Kay Herschelmann
Andreas Keller, stellvertretender Vorsitzender der GEW, Organisationsbereich Hochschule und Forschung. (Foto: Kay Herschelmann)

Dauerstellen für Daueraufgaben“ – der Slogan der GEW hatte es 2021 in den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP geschafft. Die Ampelkoalition stellte eine Reform des WissZeitVG in Aussicht, um unter anderem die „Planbarkeit und Verbindlichkeit“ für Postdocs „deutlich“ zu erhöhen.

Aus gutem Grund: 84 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Universitäten werden mit einem Zeitvertrag abgespeist, 42 Prozent von ihnen mit einer Vertragslaufzeit von weniger als einem Jahr. Lange und steinige Karrierewege lassen sie bis ins fünfte Lebensjahrzehnt im Ungewissen, ob sie auf Dauer forschen und lehren dürfen oder aus dem System gekickt werden. Entsprechend groß waren die Erwartungen, als das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Juni 2023 endlich seinen Gesetzentwurf für eine WissZeitVG-Novelle präsentierte.

Damit öffnet sich ein Gelegenheitsfenster, den Gesetzentwurf gründlich gegen den Strich zu bürsten, bevor er den Bundestag passiert.

Punktsieg für die #IchBinHanna-Bewegung: Auch das BMBF kommt an dem im GEW-Gesetzentwurf für ein „Wissenschaftsentfristungsgesetz“ formulierten Konzept einer Anschlusszusage für Postdocs nicht mehr vorbei. Der Pferdefuß: Die Zusage soll den Postdocs allenfalls dann winken, wenn sie nach der Promotion bereits eine vierjährige Durststrecke absolviert haben. Renitente Arbeitgeber könnten ihre Postdocs am Ende doch auf die Straße setzen oder mit befristeten Drittmittelverträgen hinhalten, statt ihnen eine verlässliche Entfristungsperspektive zu geben.

Kein Wunder, dass gegen den Gesetzentwurf nicht nur die GEW mit Tausenden an Hochschulen Beschäftigten vom 12. bis 16. Juni in der Aktionswoche Wissenschaft mobil machte, sondern auch SPD und Grüne die Zustimmung verweigerten. Damit öffnet sich ein Gelegenheitsfenster, den Gesetzentwurf gründlich gegen den Strich zu bürsten, bevor er den Bundestag passiert. Dabei geht es nicht nur um planbare Karrierewege, sondern auch um einklagbare Mindestvertragslaufzeiten, einen verbindlichen Nachteilsausgleich, eine Absicherung der studentischen Beschäftigten und eine Streichung der unsäglichen Tarifsperre – ohne Wenn und Aber: Gewerkschaften und Arbeitgeber müssen endlich die Chance bekommen, sachgerechte Befristungsregelungen selbst auszuhandeln.

Gute Argumente allein werden nicht helfen – die haben wir zuhauf. Wir müssen jetzt den Druck auf Regierung und Parlament erhöhen, damit die Reform am Ende keine Verschlimmbesserung wird, sondern für Dauerstellen für Daueraufgaben sorgt.