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Kindertagesbetreuung

„Qualität geht nur mit Qualifikation“

Die GEW und die Kultusministerkonferenz (KMK) sind sich beim Thema Zukunft der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung in zentralen Punkten einig: Der Zugang zum Beruf muss eine Breitbandausbildung bleiben – und zwar auf DQR6-Niveau.

GEW und KMK wollen bei der quantitativen und qualitativen Weiterentwicklung der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern künftig zusammenarbeiten. Das GEW-Vorstandsmitglied für Jugendhilfe und Sozialarbeit, Doreen Siebernik, sagte am vergangenen Wochenende bei der Fachveranstaltung „Qualität geht nur mit Qualifikation“ in Berlin an die Adresse der teilnehmenden KMK-Präsidentin Katharina Günther-Wünsch (CDU) gerichtet, die „Expertinnen und Experten des Alltags“ müssten gehört werden. Die GEW wolle mit der KMK ins Gespräch kommen und wünsche sich, dass diese „Türen öffne“.

„Ohne sie geht es nicht.“ (Katharina Günther-Wünsch)

Günther-Wünsch antwortete, sie werde „die gereichte Hand gern ergreifen“. Erzieherinnen und Erzieher seien die Basis der frühen Bildung: „Ohne sie geht es nicht.“ Die Berliner Bildungssenatorin wurde sogar sehr konkret: Die GEW solle ihr die Ergebnisse der Tagung zukommen lassen, sie werde diese mit in die erstmalige gemeinsame Sitzung von KMK und Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) am 13. Oktober nehmen. Auf der Agenda stehen dort unter anderem die frühkindliche Bildung, der Übergang von der Kita in die Primarstufe und die Umsetzung des Ganztagsanspruchs.

Siebernik kündigte an, die Bildungsgewerkschaft habe mit Blick auf das Treffen zwei Grundsatzpapiere in Arbeit: Stichworte seien #mehrErzieherinnen und „15 gute Gründe für den guten Ganztag“.

Für die GEW war zudem eine Aussage der KMK-Präsidentin wichtig: das Festhalten an der generalistischen Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin bzw. Erzieher. Diese qualifiziert für den Einsatz in den Arbeitsfeldern Kindertageseinrichtungen, Kinder- und Jugendarbeit, Hilfen zur Erziehung sowie sozialpädagogische Tätigkeiten in der Schule. Damit verbunden ist ein Erhalt des Niveaus 6 des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR), das dem eines Bachelorstudiums entspricht.

Doppelter Fachkräftemangel

Unterdessen ist das System mit dem Dilemma des doppelten Fachkräftemangels konfrontiert. Es fehlen nicht nur Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas, sondern auch Lehrkräfte an den Fachschulen, die diese ausbilden. Wie also lassen sich schnell mehr Fachkräfte gewinnen, ohne Abstriche an deren Qualifikation zu machen? Die Ansätze, die in Berlin debattiert wurden, reichten vom Quereinstieg über mehr Durchlässigkeit und Aufstiegschancen bis zu Kindheitspädagoginnen und -pädagogen als Lehrkräfte an Fachschulen. Ralf Becker, im GEW-Vorstand für den Bereich Berufliche Bildung und Weiterbildung verantwortlich, warb auch für den Vorstoß eines einphasigen, dualen Masterstudiums zum Lehramt an Berufsschulen.

Das Arbeitsfeld der frühen Bildung ist zudem komplex – und mit den durch den Fachkräftemangel in den vergangenen Jahren erfolgten Reformen noch unübersichtlicher geworden. Es gibt Fachschulen und -akademien für Sozialpädagogik, Berufsfachschulen für Sozialwesen, Hochschulen, die vergütete Praxisintegrierte Ausbildung (PiA), Teilzeit- und berufsbegleitende Modelle. 

Um neue Zielgruppen zu gewinnen, seien eine Vielzahl von Formaten entwickelt, Zugangswege diversifiziert, Aufnahmevoraussetzungen aufgeweicht und Ausbildungszeiten durch Anrechnungszeiten verkürzt worden, sagte Prof. Kirsten Fuchs-Rechlin, Projektleitung Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF). Die Qualifikationsstruktur des Personals bleibe zwar stabil, es gebe jedoch eine „Dequalifizierung auf der Hinterbühne“. Zugleich seien die Fachschulen wegen fehlender Lehrkräfte an ihren Kapazitätsgrenzen angekommen.

Positionspapier der GEW

Um diesen Tendenzen entgegenzuwirken, veröffentlichte die GEW das elf Seiten lange Positionspapier „Ausbildung der Erzieher*innen zukunftsfähig gestalten – Perspektiven öffnen!“, das Ralf Becker vorstellte. Darin werden Forderungen für bundeseinheitliche und damit vergleichbare Standards in der Qualifizierung formuliert.

Dazu gehören neben dem Erhalt der Breitbandausbildung mit DQR-Stufe 6 eine Stärkung der Fachschulen sowie das Einhalten der Standards der KMK-Rahmenvereinbarung über Fachschulen auch für eine berufsbegleitende Ausbildung. Auch die Praxisintegrierte Form der Fachschulweiterbildung müsse ausgebaut werden. Nach den Vorstellungen der GEW tragen die Länder dabei die grundsätzliche Finanzierung, so dass Studierende weder Schulgeld noch Ausbildungsgebühren zahlen.

Um Perspektiven und Karrieren zu öffnen und zu fördern, unterstützt die GEW die Pläne des Deutschen Vereins, ein differenziertes berufliches und hochschulisches Aus- und Weiterbildungssystem für Fach- und Führungskräfte zu entwickeln. Die Positionen des Deutschen Vereins stellte dessen wissenschaftliche Referentin Maria-Theresia Münch vor. Die GEW will Erzieherinnen und Erziehern aus der Praxis den Einstieg in ein berufsbegleitendes oder integrierendes Studium ermöglichen und den Wechsel von der Fach- auf die Hochschule erleichtern.

Gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Die Stärkung und Weiterentwicklung der Kindertagesbetreuung ist laut Positionspapier „eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ von Bund, Ländern, Kommunen und weiteren Trägern der Einrichtungen. „Dazu brauchen wir eine Gesamtstrategie“, betonte Becker. „Es darf nicht mehr um Versäumnisse und Schuld gehen, sondern um eine Atmosphäre der Zusammenarbeit auf Augenhöhe“, sagte Siebernik.

Eine von Prof. Fuchs-Rechlin präsentierte Statistik zeigte derweil auch: Im Schuljahr 2021/22 begannen 43.701 junge Menschen eine Ausbildung zur Erzieherin bzw. zum Erzieher – etwa doppelt so viele wie vor 15 Jahren. „Das ist ein gewaltiger Aufwuchs. Es stimmt nicht, dass der Beruf nicht attraktiv sei“, betonte sie.