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Gewerkschaftsproteste in Ungarn

Orbans Rache

Ungarns Regierung plant, für Lehrkräfte den Status als Beschäftigte im öffentlichen Dienst abzuschaffen und die Arbeitsbedingungen zu verschlechtern. Die GEW solidarisiert sich mit den Protesten der ungarischen Bildungsgewerkschaften.

Tausende Lehrerinnen und Lehrer demonstrierten bereits 2022 auf der Liberty-Brücke in Budapest gegen das miserable Bildungssystem. (Foto: Blue Corner Studio/Shutterstock)

Die von Viktor Orbán geführte Regierung müsse den Gesetzentwurf zurückziehen, „da er nicht auf die Verbesserung der Bildung zielt, sondern auf die Disziplinierung der Lehrerinnen und Lehrer“. Erzsébet Nagy, Vorstandsmitglied der ungarischen Demokratischen Gewerkschaft der Pädagog*innen (PDSZ), prangert das sogenannte Statusgesetz an, das im Juli 2023 in Kraft treten soll. Das neue Gesetz sieht vor, die bisherigen Regeln zur täglichen und wöchentlichen maximalen Arbeitszeit zu streichen. Auch sollen die Kompetenzen der Schulleitungen beschnitten werden.

„Wir unterstützen euren wichtigen Kampf für die Aufwertung der Profession und für das Streikrecht der Lehrkräfte in Ungarn.“ (Maike Finnern)

Tausende von Lehrkräften, Schüler*innen und Eltern protestieren seit Wochen gegen das Vorhaben. „Wir unterstützen euren wichtigen Kampf für die Aufwertung der Profession und für das Streikrecht der Lehrkräfte in Ungarn“, erklärt die GEW-Vorsitzende Maike Finnern.

Kritik kommt auch vom Europäischen Parlament. In einem Brief der Fraktionen im EU-Parlament vom 23. April dieses Jahres an die EU-Kommission heißt es, das neue Gesetz in Ungarn würde „fundamentale Rechte“ der Lehrkräfte drastisch einschränken, etwa das Recht auf Meinungsäußerung und das Streikrecht. Öffentliche Arbeitgeber hätten künftig die Möglichkeit, digitale Geräte, die von den Lehrkräften zum Unterrichten genutzt werden, zu kontrollieren. Betroffen seien mehr als 100.000 Lehrkräfte.

Gewerkschaften fordern mehr Geld

Bereits im März 2022 legten ungarische Lehrkräfte in vielen Regionen die Arbeit nieder, um gegen das miserable Bildungssystem zu protestieren. Sie werden dabei auch von Schüler*innen und Eltern unterstützt. Die Bildungsgewerkschaften PSZ und PDSZ fordern, die Gehälter der Lehrkräfte massiv zu erhöhen, zusätzlich zu den 10 Prozent, die von der Regierung angekündigt worden sind. Außerdem soll das Arbeitspensum auf 22 Unterrichtsstunden pro Woche begrenzt werden.

Lehrkräfte, die sich an Protestaktionen beteiligten, erhielten Briefe, in denen ihnen mit Kündigung gedroht wurde. 15 Lehrkräfte, 14 Personen in Budapest und ein Lehrer in Pécs verloren ihre Stelle. Die PDSZ bezeichnet das Statusgesetz denn auch als „Gesetz der Rache“. Laut PDSZ haben bereits 5.000 Lehrerinnen und Lehrer angekündigt, ihren Beruf aufzugeben, sollte das Gesetz in Kraft treten.

Regierung greift in Schulunterricht ein

In Ungarn wählen immer weniger junge Menschen den Lehrkräfteberuf. Die Lehrkräfte müssen bereits heute 24 bis 26 Unterrichtsstunden pro Woche leisten, plus Überstunden, Unterrichtsvorbereitung und Konferenzen. Die Bezahlung ist schlecht. Mitbestimmung gibt es nicht. Zudem schreibt die Regierung Orbán den Schulen immer stärker vor, was sie unterrichten dürfen. Patriotismus soll großgeschrieben werden. Die Darstellung von Homo- und Transsexualität in Lehrplänen, Videos oder Büchern ist per Gesetz verboten.

Gewerkschaft: EU soll Gelder für Orbán zurückhalten

Viktor Orbáns rechtspopulistische Politik wird seit Jahren auch von der Europäischen Union kritisiert. „Aushöhlung des Rechtsstaates“ sowie „maßlose Bereicherung von Orbán und seinen Angehörigen“ lauten zwei der Vorwürfe. Die EU-Mitgliedstaaten beschlossen daher im Dezember 2022, Corona-Hilfen in Höhe von 6,3 Milliarden Euro erst dann an Ungarn zahlen, wenn die Regierung die Korruption bekämpft. Gelder, die die Regierung Orbán offenbar dringend benötigt. Sie hat angekündigt, dass die im Statusgesetz anvisierte schrittweise Anhebung der Gehälter für Lehrkräfte nur kommen wird, wenn die EU die zurückgehaltenen Gelder frei gibt. Eine Verknüpfung, die von der PDSZ abgelehnt wird. Sie appelliert in einem Brief an die EU-Kommission: „Bitte tun sie alles, damit die ungarische Regierung nicht EU-Gelder nutzen kann, um ein Gesetz zu verabschieden, das arbeitnehmerfeindlich ist und die Lage der öffentlichen Bildung noch hoffnungsloser machen wird.“