Zum Inhalt springen

Bildung in der digitalen Welt

Open Source mit Schwierigkeiten

Freie Software ist oft eine kostengünstige und datenschutzfreundliche Alternative zu den Angeboten von Apple, Microsoft oder Google. Dennoch scheuen sich viele Schulen, Open Source einzusetzen.

Das Unwissen über Freie Software ist bei Entscheidern und Lehrkräften noch groß. (Grafik: Ann-Kathrin Damm cc-by-nd 4.0)

Haben Sie es satt, dass an Ihrer Schule datensammelnde Programme zum Einsatz kommen?“ – „Fühlen Sie sich beim Thema Schulsoftware allein gelassen?“ Hilfe bietet das Netzwerk Freie Schulsoftware, das den Einsatz von Open Source vorantreiben will. Gestartet im Juli 2021 vom Bielefelder Datenschutzverein Digitalcourage vermittelt das Netzwerk für Lehrkräfte, Schulleitungen und Eltern kostenlose Beratung und Erfahrungsaustausch. „Inzwischen sind 1.000 Hilfsangebote im Netzwerk zu finden“, berichtet Jessica Wawrzyniak, Medienpädagogin bei Digitalcourage.

Wer wissen will, wie sich Open Source nutzen lässt – als Basis für Lernmanagement-Systeme oder Messenger-Dienste, für Videokonferenzen oder zum Erstellen von Tabellen – ist hier richtig. Die Kontaktadressen technisch versierter Lehrkräfte und IT-Fachleute stehen auf der Webseite des Netzwerks. „Ein niedrigschwelliges Angebot“, versichert Wawrzyniak.

Digitalcourage erfährt allerdings nicht, in welchem Maße das Netzwerk in Anspruch genommen wird. Laufen viele Hilfsangebote ins Leere? Dafür gibt es Anhaltspunkte. Er habe „leider noch keine“ Anfragen von Schulen erhalten, erklärte Jörn Seipenbusch, Lehrer für Informatik, Latein und Evangelische Religion im ostwestfälischen -Minden, im Dezember 2021 während einer bundesweiten Konferenz für IT-Interessierte und Hacker. Zehn weitere Helfer des Netzwerks aus sieben Bundesländern hat E&W angeschrieben und um Auskunft gebeten. Neun antworteten – und berichten jeweils, dass sich bislang keine Schule gemeldet habe.

Marktmacht und Lobbytätigkeit der IT-Konzerne

Wir fragen die Hilfe-Anbieter nach möglichen Gründen. IT-Fachmann Andreas Demant berichtet: Er habe als Externer an der Gesamtschule Euskirchen bei Köln Informatik-Kurse gegeben. „In dieser Kooperation wurde deutlich, dass die Schulen in Euskirchen keinen Einfluss auf die Software haben.“ Soft- und Hardware werde zentral vom Schulträger, der Stadt Euskirchen verwaltet.

Ähnliches erlebt ein Lehrer, der an einer Integrierten Sekundarschule in Berlin unterrichtet: „Vom Berliner Senat wird zentral bestellt.“ „Man möchte das vertraute Terrain Windows aus Angst nicht verlassen“, vermutet Edgar Hoffmann, Freie-Software-Aktivist in Offenburg. Microsoft und Co. wirkten „mit Marktmacht und Lobbytätigkeit im Hintergrund“, urteilt ein freier Projektmanager aus Hamburg. Und: Dem Datenschutz werde „immer noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt“.

„Die Gebrauchstauglichkeit von Open-Source-Produkten reicht derzeit leider nicht im Ansatz an Microsoft- oder Google-Angebote heran.“ (Volkmar Hinz)

Wolf-Dieter Zimmermann, Mitglied der Open-Source-Initiative LinuxTreff in Mülheim an der Ruhr, betont: „Weder Ministerien noch Bezirksregierungen noch -Kommunen möchten lizenzfreie Software, Bezahlsoftware ist ihnen lieber.“ Das Unwissen über Freie Software bei Entscheidern und Lehrkräften sei „noch zu groß“.

Warum Schulen sich schwer tun mit Freier -Software, könnte allerdings auch ganz andere Gründe haben. „Die Gebrauchstauglichkeit von Open-Source-Produkten reicht derzeit leider nicht im Ansatz an Microsoft- oder Google-Angebote heran.“ So urteilte Volkmar Hinz, Leiter des Labors für „Schul-IT-Infrastruktur und digitale Lernwerkzeuge“ an der Uni Magdeburg, bereits im November 2020 in einem E&W-Interview.

Einfluss „auf allen Ebenen“ ausüben

Drei Experten von „Chaos macht Schule“, einem Projekt des Chaos Computer Club, befassten sich im April 2021 ebenfalls mit dem Thema. „An den meisten Schulen fehlen immer noch Vollzeit-Administrator*innen“, schrieben sie in einem Aufsatz auf heise.de. Die kommunalen IT-Abteilungen seien „unterdimensioniert“, sie bevorzugten deshalb einfache Lösungen, die sich mit dem bestehenden Personal umsetzen lassen. „Wie so oft wird Geld nicht in eigenes Personal, sondern in Lizenzen internationaler Konzerne investiert.“ Beim Ausschreiben öffentlicher Aufträge gelte es jedoch zu verhindern, „dass Firmen, deren Geschäftsmodell auf dem Sammeln von Nutzer*innendaten basiert, auch noch in unsere Schulen einziehen“.

Gleichwohl gibt es etliche Schulen, die gute Erfahrungen mit nicht-kommerzieller Software machen. Bereits 2005/06 stieg das Hohenzollern-Gymnasium in Sigmaringen auf Open Source um. Auch das Georg-Büchner-Gymnasium in Seelze bei Hannover nutzt Freie Software. Der Verein Teckids e. V. mit Sitz in Bonn berichtet, dass er Open-Source-Projekte mit Schulen unter anderem in Dortmund, Hattingen und Lübeck realisiert.

Seipenbusch plädierte auf der Hacker- und IT-Konferenz dafür, Open Source durch vielschichtige Lobbyarbeit voranzutreiben. „Es nützt nichts, nur an der Schule daran zu arbeiten. Oder nur bei der Bezirksregierung vorstellig zu werden. Oder nur die Landesregierung unter Druck zu setzen.“ Es gelte, „auf allen Ebenen“ Einfluss auszuüben. Seipenbusch betonte, ihn habe das Netzwerk Freie Schulsoftware bislang „nicht enttäuscht“. Denn das Projekt zeige auf beeindruckende Weise: „Wir sind da! Es gibt Alternativen!“