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Arbeitszeit von Lehrkräften

„Ohne eine Kampagne wird es nicht funktionieren!“

Die Bundesländer sind verpflichtet, künftig die Arbeitszeit der Lehrkräfte erfassen zu lassen. Welche Chancen ergeben sich daraus, die gesundheitsbedrohenden Wochenarbeitszeiten zu reduzieren? Eine GEW-Tagung erarbeitete erste Vorschläge.

Foto: Shutterstock/GEW

Der GEW-Landesverband Berlin hat gerade eine Arbeitszeitstudie für Lehrkräfte gestartet. Seit Mitte August werden dort deren Arbeitszeitdaten erfasst. Die Arbeitszeit der Lehrkräfte sei „strukturell zu hoch“, betonte Frank Mußmann von der Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften der Uni Göttingen, der für die Untersuchung in der Hauptstadt verantwortlich zeichnet. Laut einer Studie von 2021 liege sie im bundesweiten Durchschnitt bei 49 Stunden und 56 Minuten pro Unterrichtswoche. Dies habe mit den „neuen Aufgaben“ zu tun, die zusätzlich zum Unterricht zu erledigen seien, zum Beispiel „Lernstands-Dokumentationen“, „Administration bei der Nutzung digitaler Techniken“ oder die „Betreuung und Kommunikation von Schülerinnen und Schülern mit Flucht- oder Migrationshintergrund“. Mußmann verwies auf das Deputats- oder Pflichtstundenmodell, das in den meisten Bundesländern praktiziert wird und lediglich die Zahl der Unterrichtsstunden pro Woche vorschreibt – nicht aber die tatsächliche Wochenarbeitszeit. Dies sei „nicht mehr zeitgemäß“.

 

Die Arbeitszeiterfassung darf nicht zu einer Leistungs- und Verhaltenskontrolle führen.

Mark Rackles, Bildungsexperte und Ex-Staatssekretär beim Land Berlin, plädierte dafür, das Deputatsmodell durch ein „Jahresarbeitszeitmodell“ zu ersetzen. Dies definiert eine „Soll-Arbeitszeit“ pro Schulwoche. Kommt es zu Überstunden, könnten diese ausbezahlt oder durch Ausgleichstunden abgegolten werden. Dieses Modell sei transparent und flexibel. Wie die „Soll-Arbeitszeit“ auf die einzelnen Tätigkeiten verteilt wird, müsse in jeder Schule ausgehandelt werden. „Wir haben Schulen, an denen der Aufwand für Vor- und Nachbereitung des Unterrichts deutlich kleiner ist und der Aufwand für Elterngespräche oder Soziales erheblich höher“, sagte Rackles.

Einigkeit herrschte unter den gut 80 Teilnehmenden der Konferenz, dass die Arbeitszeiterfassung nicht zu einer Leistungs- und Verhaltenskontrolle führen dürfe. „Nur Anfang und Ende der Arbeitszeit und die Pausen sollen erfasst werden“, forderte Elke Suhr, Landesvorstandssprecherin der GEW Bremen. Wichtig sei, „dass wir zusätzlich für uns feststellen, was machen wir wann“. Ingo Doßmann, GEW Sachsen-Anhalt, betonte: „Zu erfassen ist auch, dass ich in der 10-Minuten-Pause loshetze, um den Unterrichtsraum vorzubereiten.“ Eine Teilnehmerin berichtete von Kolleginnen und Kollegen, „die eine längere Anreise haben und schon im Zug Schülerarbeiten korrigieren“. Auch diese Tätigkeit müsse erfasst werden.

 

Ziel ist die 40-Stunden-Woche

Eine weitere Frage lautete, wie sich das bisherige Pflichtstundenmodell weiterentwickeln lässt. Einhellige Position: „Wir wollen runter mit den Arbeitsstunden.“ Ziel sei die 40-Stunden-Woche. Eberhard Brandt, ehemaliger Vorsitzender der GEW Niedersachsen, erklärte: Dies lasse sich auch mit dem Pflichtstunden- oder Deputatsmodell erreichen. Brandt verwies auf die Rolle von Entlastungsstunden – wer sich um Verwaltungsaufgaben, Schulentwicklung oder die IT kümmert, unterrichte entsprechend weniger. Entscheidend sei, dass für diese Entlastungsstunden künftig „ein erhebliches Volumen vorgesehen ist“. Welche Tätigkeiten mit wie vielen Entlastungsstunden abzugelten sind, diese komplizierte Frage blieb offen. „Entscheidend ist eine schlagkräftige Mitbestimmung“, war man sich in Kassel einig.

Und wenn die Bundesländer zu einer „Verzögerungstaktik“ greifen und die Arbeitszeiterfassung verschleppen? Wenn die enorme Belastung durch die vielen Arbeitsstunden bleibt? „Ohne eine Kampagne wird es nicht funktionieren!“, betonte Daniel Merbitz, GEW-Vorstandsmitglied Tarif- und Beamtenpolitik. „Das muss unser gemeinsames Ding werden.“