Zum Inhalt springen

Schulpartnerschaften

Offenheit wichtig

Viele Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler wünschen sich eine Partnerschaft mit einer Schule in Afrika. Doch wie finden sie die passende Schule? Was müssen sie bei einer Kooperation beachten – und wie bleiben die Jugendlichen am Ball?

In Workshops werden Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler auf die Partnerschaft mit einer Schule in Südafrika, Gambia, Namibia oder Simbabwe vorbereitet. (Foto: KASA)

Ein Gespräch mit Simone Knapp von der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika (KASA). Sie vermittelt und betreut Kooperationen.

  • E&W: Frau Knapp, was lernen junge Leute aus Deutschland durch eine Partnerschaft mit einer Schule in einem Land in Afrika?

Simone Knapp: Sie werden offener, blicken über den Tellerrand. Sie verstehen Zusammenhänge besser, etwa woher ihr Smartphone kommt oder der Strom und was sie mit Jugendlichen aus afrikanischen Ländern verbindet. Das zeigte etwa die Partnerschaft zwischen Schülerinnen und Schülern aus Nordrhein-Westfalen und Südafrika: Die Väter der einen bauen in Minen die Kohle ab, die Väter der anderen verstromen diese bei uns im Kraftwerk. Plötzlich konnten sie diese gemeinsamen Lieferwege mit Gesichtern verbinden.

  • E&W: Und die Schüler aus dem globalen Süden?

Knapp: Die Jugendlichen aus Südafrika, Namibia, Sambia und Simbabwe – aus diesen Ländern vermitteln wir Schulpartnerschaften – lernen bei uns, selbstbewusster aufzutreten und sich freier zu bewegen. In ihrer Heimat können sie oft nach 18 Uhr nicht mehr auf die Straße. Leider erfahren sie bei uns häufig auch Rassismus.

  • E&W: Treffen sich die Jugendlichen immer persönlich?

Knapp: Ja. Das finde ich wichtig. Nur dann kann ich echte Empathie entwickeln und leben. Allerdings reisen mehr Jugendliche aus Deutschland ins südliche Afrika als umgekehrt.

  • E&W: Wie halten die Schulen Kontakt?

Knapp: Sie schicken sich Bilder und Videos über WhatsApp oder reden über Skype miteinander. Wir richten auch digitale Klassenzimmer ein, dann braucht man nur einen Raum und Computer.

  • E&W: Wie findet KASA die richtige Partnerschule?

Knapp: Wir schauen, dass beide Schulen mit Blick auf das Alter der Schülerinnen und Schüler ähnlich strukturiert sind. Ansonsten machen Unterschiede eine Partnerschaft sogar interessanter, etwa wenn eine Schule in der Stadt und die andere auf dem Land liegt. Sind Offenheit und Neugierde vorhanden, ist es egal, woher die Kinder kommen.

  • E&W: Was sind die Inhalte einer Schulpartnerschaft?

Knapp: Die Jugendlichen sollen Gleichaltrige auf der anderen Seite des Globus kennenlernen. Sie sollen erfahren, wie komplex die Welt ist, wie viele Parallelen es gibt. Dazu setzen sich die Schülerinnen und Schüler zum Beispiel mit der Lieferkette von Produkten wie Kohle, Platin, Früchten oder Wein auseinander. Auch Migration und Rassismus sind Themen. Gearbeitet und diskutiert wird dann in AGs, Projektwochen, Ausstellungen, auch im regulären Unterricht. Das entscheidet und organisiert die Schule selbst.

Die Kosten hängen davon ab, wie intensiv das Projekt ist und wie viele Schülerinnen und Schüler reisen. Oft unterstützen Freundeskreise von Schulen, Rathäuser, Banken und das Bundesentwicklungsministerium Schulpartnerschaften. Einen Teil der Reisekosten der Jugendlichen aus Afrika müssen die dortigen Schulen und Eltern selbst aufbringen. Sie können allerdings bei KASA Fördermittel beantragen. Oder die Schule aus Deutschland sucht Sponsoren.

  • E&W: Welche Rolle spielt da KASA?

Knapp: Wir bereiten Lehrkräfte sowie die Schülerinnen und Schüler auf die Partnerschaft vor, etwa in Workshops zur interkulturellen Kompetenz. Das ist gerade vor einer Reise extrem wichtig. Die Besucherinnen und Besucher können als Gast in einem fremden Land in so viele Fettnäpfe treten, Gesten und Gesagtes falsch interpretieren. Im südlichen Afrika herrscht ein anderes Verständnis von Eigentum. Es ist normal, sich die Haarbürste anderer auszuleihen – bei uns ist dies ein Tabubruch! In Südafrika wird auch kein Jugendlicher einem älteren Menschen direkt in die Augen schauen. Das gilt als respektlos.

  • E&W: Was sollte Lehrkräften und Jugendlichen bewusst sein, bevor sie eine Schulpartnerschaft eingehen?

Knapp: Dass die Partnerschaft Menschen braucht, die sich engagieren – und dabei einen langen Atem haben. Sie sollten auch wissen, dass die Partnerschaft klare Zuständigkeiten benötigt. Das größte Problem ist, wenn Ansprechpartner ausfallen, weil ein Lehrer die Schule wechselt oder die engagierte Abi-Klasse die Schule verlässt. Dann muss man oft von vorne beginnen.

  • E&W: Was sollte Eltern klar sein?

Knapp: Sie müssen damit rechnen, dass ihre Kinder eine intensive Erfahrung machen. Dass die deutschen Jugendlichen danach manches in Frage stellen, wofür die Eltern stehen – etwa Konsum oder Wohlstand. Die Begegnungen machen etwas mit den Menschen. Die jungen Menschen müssen erst einmal damit umgehen können, dass sie im Weltmaßstab gesehen reich sind und andere nicht so viel haben. Manche Eltern haben ein Problem damit, einen Gast aus einem afrikanischen Land bei sich aufzunehmen – oder ihr Kind in einem Township zu wissen, in dem es draußen nur ein Gemeinschaftsklo gibt. Auch das Thema HIV/AIDS muss man ansprechen.

  • E&W: Herrscht auch mal Frust bei den Beteiligten?

Knapp: Ja, gerade wenn von der Partnerschule im Süden nicht so viel zurückkommt, wie man erhofft hat. Dabei ist mangelndes Feedback oft ganz einfach zu erklären: Viele Schulen dort haben eine schlechte Internetverbindung, die kostet ja auch. Hinzu kommt, dass die afrikanischen Gesellschaften orale sind; man ruft sich eher mal an, statt lange Mails zu schreiben. Und auch eine ausbleibende Antwort sagt häufig ganz viel – etwa, dass sich der Partner gerade überrollt fühlt, sich aber nicht traut, ein klares Nein zu schreiben. Das zu erkennen, erfordert viel Fingerspitzengefühl. Wenn gar nichts zurückkommt, kann und muss man gegebenenfalls auch einen Schnitt machen. Wir vermitteln dann eine andere Partnerschule.

  • E&W: Wie motiviert man Lehrkräfte und Jugendliche, wenn die anfängliche Begeisterung nachlässt?

Knapp: Die Jugendlichen unterstützt man, indem man ihr Engagement honoriert. Nicht über Noten, aber über einen positiven Vermerk im Zeugnis. Man hält sie am Ball, wenn ihnen keine Steine in den Weg gelegt werden, wenn die Schulzeitung über sie berichtet, sie beim Tag der offenen Tür ihr Projekt vorstellen können. Auch ein prominenter Platz auf der Homepage oder finanzielle Unterstützung der Schulleitung motivieren. Lehrkräfte hält man bei der Stange, indem die Schulpartnerschaft und die darin bearbeiteten Themen Teil des Curriculums werden – auch von Fächern, die Kollegen unterrichten.

Simone Knapp (Foto: KASA)