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Coronakrise

„Was passiert mit meinem Vertrag, wenn die Auslandsschule bankrottgeht?“

Bei einer Videokonferenz mit rund 50 GEW-Mitgliedern, die im Auslandsschuldienst unterrichten, ist über das Krisenmanagement in Corona-Zeiten, Rechtsfragen und Erfahrungen mit Online-Unterricht diskutiert worden.

Der World Teachers Day wird in diesem Jahr eine virtuelle Veranstaltung - dafür aber 24 Stunden lang. (Foto: Pixabay / CC0)

Überforderte Gesundheitssysteme vor Ort, mangelnde Unterstützung durch die Deutsche Botschaft, von Insolvenz bedrohte Schulen und der Wegfall der Auslandszulage bei der Rückkehr nach Deutschland: GEW-Kolleginnen und Kollegen, die aktuell an einer Auslandsschule unterrichten, stellen sich vor dem Hintergrund der Coronapandemie viele dringliche Fragen. Bei einer Videokonferenz mit rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern haben GEW-Fachleute aufgeklärt und Unterstützung geboten.

Volker Busch von der GEW-Bundesstelle für Rechtsschutz stellte klar: Wenn die Auslandszulage gestrichen werde, sei dies zwar „bedauerlich“. Die Richtlinien schrieben allerdings vor, dass diese Zahlung bei Verlassen des Auslandsstandortes einzustellen sei. Dies gelte aber nicht für den Mietzuschuss, der weiter gezahlt werden müsse. Busch verwies mit Blick auf die Auslandszulagen auf ein entsprechendes Urteil des Verwaltungsgerichts und bot Betroffenen an: „Wir könnten versuchen, auf der politischen Ebene, im Gespräch mit der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) und dem Auswärtigen Amt, eine Öffnungslösung zu bekommen.“

Auslandsschulen in Geldnot

Mehrere Lehrkräfte berichteten, dass ihre Deutsche Auslandsschule (DAS) durch die Corona-Krise in wirtschaftliche Not geraten sei. „Die Zahlungsmoral der Eltern ist dramatisch eingebrochen“, sagte ein Kollege. Wegen der Schulschließung weigere sich ein Teil der Elternschaft, das Schulgeld in voller Höhe weiter zu zahlen. Da deutsche Firmen ihre Mitarbeiter offenbar zurück nach Deutschland riefen, sinke die Schülerzahl an der DAS. „Was passiert mit meinem Vertrag, wenn die Auslandsschule bankrottgeht?“, fragte ein Kollege.

Buch betonte, in diesem Fall gelte für ADLK und Bundesprogrammlehrkräfte (BPLK): „Das Geld fließt weiter.“ Der Arbeitsvertrag mit dem örtlichen Schulverein werde aufgehoben, die Lehrkraft kehre in den deutschen Schuldienst zurück, sofern sie in Deutschland in einem Dienstverhältnis stehe. Zum Bankrott von DAS werde es aber nicht kommen: Das Auswärtige Amt habe „ein hohes Interesse, dass die Deutschen Auslandsschulen weitergeführt werden.“

Kürzungen treffen Ortslehrkräfte

Ähnlich äußerte sich Günther Fecht, Vorsitzender der GEW-Arbeitsgruppe Auslandslehrerinnen und –lehrer (AGAL). Er verwies auf die Milliardensummen, die in Deutschland freigesetzt würden, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise einzudämmen. Davon werde auch das Auslandsschulwesen profitieren. Fecht kritisierte, dass einzelne Schulen eigenmächtig Kürzungen vorgenommen hätten – allerdings nicht zu Lasten von ADLK und BPLK, sondern eher bei Ortslehrkräften (OLK).

Auch OLK aus Deutschland haben lediglich einen Arbeitsvertrag mit dem örtlichen Schulträger. Eine Kollegin bestätigte: Ihre Schule habe erklärt, „dass wir auf 25 Prozent des Gehalts verzichten sollen“. Als BPLK sei sie davon kaum betroffen, sie werde vor allem aus Deutschland bezahlt. „Aber für OLK ist das ein harter Einschnitt.“

Fehlende Hilfe vor Ort

„Das Gesundheitssystem ist am Ende“, berichtete eine ADLK, die in Südamerika unterrichtete. Zur Behandlung von Corona-Patienten gebe es keine freien Intensivbetten mehr. Da er und seine Frau zur Risikogruppe gehörten, seien sie Mitte April zurück nach Deutschland geflogen. „Wir hatten das Gefühl, dass unsere Ausreise nicht erwünscht war“, sagte das GEW-Mitglied. „Wir haben keinerlei Unterstützung bekommen“ – weder von der Deutschen Botschaft noch der ZfA.

Heute arbeitet der Kollege im Homeoffice – mit finanziellen Nachteilen, da sofort die Auslandszulage gestrichen worden sei. Zugleich müsse er am südamerikanischen Dienstort weiter Miete sowie Nebenkosten für Strom, Telefon und Internet zahlen. In Deutschland habe er kurzfristig eine Wohnung anmieten müssen. Hinzu kam die Anschaffung einer digitalen Ausstattung für sich und seine Familie. „Wir arbeiten alle online – und meine Tochter macht gerade Abitur.“

„Ich arbeite mehr als im Gastland.“ (Auslandslehrkraft in arabischem Land)

Ein Lehrer, der in einem arabischen Land unterrichtet, berichtete, dass er während der Frühlingsferien im März erfahren habe, dass seine Schule wegen Corona den Unterricht einstelle. Er war zu diesem Zeitpunkt in Deutschland. Nun seien die Grenzen geschlossen. „Da wurde keiner reingelassen.“ Auch ihm habe die ZfA die Auslandszulage gestrichen. Dabei unterrichte er weiter, online, mit Videoanrufen und Wochenplänen. „Ich arbeite mehr als im Gastland.“ 

Offener Brief an Schulleitung

Eine Lehrerin, die in der Türkei tätig ist, sagt, für sie und ihr Kollegium habe sich die Frage gestellt, „wohin können wir uns wenden, wenn wir Symptome haben?“ Welche Krankenhäuser seien auf Corona-Patienten spezialisiert? Dazu habe es keine Unterstützung gegeben, weder von der ZfA noch vom deutschen Konsulat – „und schon gar nicht von der Schulleitung“. Deren Fokus liege „fast ausschließlich“ auf der Fortführung des Unterrichts. Ein Teil der Lehrkräfte habe der Schulleitung darauf einen offenen Brief geschrieben und verlangt, „das Sicherheitskonzept der Schule um die Corona-Pandemie zu erweitern“. Mit Erfolg: „Peu á peu sind unsere Forderungen erfüllt worden.“

Schulkinder in Townships kaum erreichbar

Ein Kollege beschrieb die Lage an seiner DAS in Südafrika. Im Land herrsche seit fast sechs Wochen „kompletter Lock down“. Nicht einmal Computerzubehör könne eingekauft werden. Der IT-Beauftragte der Schule habe „Tag und Nacht gearbeitet“, um Online-Unterricht möglich zu machen. Doch ein Teil der Schülerinnen und Schüler lebe in Townships. „Es gibt riesige Schwierigkeiten, diese Schüler zu erreichen.“ Deren Familien fehle das Geld, um digitale Geräte anzuschaffen oder Datenvolumen zu kaufen.   

Erfahrungen mit Online-Unterricht

An seiner Grundschule in Mittelamerika laufe viel „über Wochenplan-Arbeit“, erklärte ein Pädagoge. Vereinzelt gebe es Videokonferenzen mit den Kindern, auch in Klasse 1. „Das funktioniert gut.“ Das Problem sei, dass nicht alle Kinder eigene digitale Endgeräte hätten. „Wir haben Leihgeräte von der Schule ausgeteilt.“

Eine Kollegin erläuterte die Bedingungen in Finnland, wo die öffentlichen Schulen die Digitalisierung „nicht erst seit Corona“ auf dem Schirm hätten. Die Erreichbarkeit aller Schülerinnen und Schüler, aller Lehrkräfte und der Eltern sei „immer gegeben“. Es gebe ein  digitales Klassenbuch, in das sich die Schüler morgens einloggen müssten. „Wenn eine Lehrkraft nichts hört von einem Schüler, ist sie in der Pflicht, nachzuhaken.“ Verhindert werden solle, „dass wir Schüler verlieren“, etwa weil die technischen Voraussetzungen fehlten, sich im System anzumelden.

GEW-Rechtsgutachten zur Wiederöffnung von Schulen

Die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe warnte abschließend vor den Risiken durch die geplanten Wiederöffnungen der Schulen und verwies auf die von der Gewerkschaft in Auftrag gegebenen drei Rechtsgutachten zum Arbeits- und Gesundheitsschutz in Schulen, zum Umgang mit Risikogruppen und zur Einhaltung von Schutzabständen. „Ich hoffe, dass euch dies beim Re-Opening der Schulen hilft.“