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Gastkommentar

Engagement entscheidet

In allen Bundesländern wird aufgrund steigender Schülerzahlen mehr Personal gebraucht – und zwar zunächst einmal für den Unterricht. Zugleich werden aber auch Erzieherinnen und Sozialpädagogen immer knapper.

Prof. em. Dr. Klaus-Jürgen Tillmann, Fakultät für Erziehungswissenschaften der Universität Bielefeld

Der Umbau des deutschen Halbtagsschulsystems ist seit etwa 2002 in großen Schritten vorangekommen. Die Zahl der Ganztagsschulen ist seitdem bundesweit von rund 5.000 auf mehr als 18.000 in 2018 gestiegen. In der gleichen Zeit wuchs der Anteil der Schülerinnen und Schüler (Primar- und Sekundarstufe I), die einen Ganztagsplatz haben, auf 44 Prozent – und der Ausbau geht weiter. Während noch in den 1980er-Jahren in Landtagswahlkämpfen die Ganztagsschule als familien- und leistungsfeindlich diffamiert wurde, hat sich diese Einschätzung deutlich gewandelt: 70 Prozent aller Eltern wollen jetzt für ihr Kind einen Platz in einer Ganztagsschule.

In Nordrhein-Westfalen, aber etwa auch in Berlin und Hamburg arbeitet inzwischen die Mehrheit der Lehrkräfte (Primar- und Sekundarstufe I) an Ganztagsschulen. Verbunden ist damit ein deutlicher Wandel der Arbeit der Lehrkräfte: geänderte Zeitstrukturen, neue Kooperationspartner – wie Erzieherinnen –, neue Angebotsformen, neue Organisationsaufgaben. Allerdings mangelt es oft an Zeit und Personal, um die neuen Aufgaben zu bewältigen.

Mehr Fachpersonal nötig

Viele Grundschulen arbeiten in Kooperation mit freien Trägern der Jugendhilfe als „offene Ganztagsschulen“, in denen nur ein Teil der Schülerinnen und Schüler an den nachmittäglichen Aktivitäten teilnimmt. Die meisten Gesamtschulen arbeiten hingegen als „gebundene Ganztagsschulen“, in denen alle Schülerinnen und Schüler verpflichtend am Vor- und Nachmittagsangebot teilnehmen. Erzieherinnen und Sozialpädagogen können auch hier einbezogen sein.

Die positive Entwicklung der vergangenen Jahre lässt sich zum einen an den Ausbauzahlen festmachen. Zum anderen kann man aber auch – bei aller Kritik im Einzelnen – die gelungene pädagogische Arbeit in vielen Ganztagsschulen hervorheben. Dieser erfreuliche Wandel wurde vor allem von der wachsenden Nachfrage der Eltern getragen, von dem Einsatz engagierter Pädagoginnen und Pädagogen und einer Bildungspolitik, die beispielsweise mit dem Rechtsanspruch auf einen Platz für Grundschulkinder ab 2025 eine solche Entwicklung unterstützt.

Fragt man, wie es in den nächsten Jahren weitergehen soll, so ist auf zwei Aufgaben zu verweisen: Zum einen geht es um die Verbesserung der pädagogischen Qualität der bestehenden Ganztagsschulen, zum anderen um den weiteren quantitativen Ausbau. Allerdings: Dafür braucht man nicht nur Finanzmittel, sondern auch entsprechendes Personal – also insbesondere sozialpädagogische Fachkräfte sowie Lehrerinnen und Lehrer. Und wenn zugleich die Qualität verbessert werden soll, wird auch eine zusätzliche Personal- und Raumausstattung benötigt.

Es gibt nach wie vor den auch politisch wirksamen Druck der Eltern, damit weitere Ganztagsplätze eingerichtet werden.

Genau hier ist aber in den nächsten Jahren mit massiven Engpässen zu rechnen: In allen Bundesländern wird aufgrund steigender Schülerzahlen mehr Personal gebraucht – und zwar zunächst einmal für den Unterricht. Zugleich werden aber auch Erzieherinnen und Sozialpädagogen immer knapper. Unter solchen Bedingungen dürfte es nicht einfach sein, weiteres Personal für den Ganztagsbetrieb zu erhalten und weitere bestehende Schulen zu Ganztagsschulen umzuwandeln. Mit deutlichen Widerständen etwa aus der Schulaufsicht ist zu rechnen.

Doch auch angesichts einer solch schwierigen Situation ist Resignation nicht angebracht: Es gibt nach wie vor den auch politisch wirksamen Druck der Eltern, damit weitere Ganztagsplätze eingerichtet werden. Und es gibt viele positive Erfahrungen in den Ganztagsschulen, die vor Ort mit ihrer Arbeit überzeugen.

Das bedeutet: Auch in schwierigen Zeiten ist das Engagement von Eltern, Schülerinnen und Schülern, Pädagoginnen und Pädagogen, ist deren konkreter Einsatz vor Ort der entscheidende Faktor, um die Ganztagsschulentwicklung weiter voranzutreiben.