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Tarifrunde TV-L 2021

Eine hochpolitische Angelegenheit

Die Agentur Ballhaus West ist für die GEW-Tarifkampagne verantwortlich. E&W hat mit dem Geschäftsführer und Politikwissenschaftler Imran Ayata über das Konzept sowie Entwicklungen in der politischen Kampagnenkommunikation gesprochen.

Die vergangenen Monate haben gezeigt, wie unverzichtbar die Tätigkeit der Beschäftigten in Kitas und Schulen ist. Die Gehälter müssen steigen und zwar dauerhaft. (Foto. Karin Just)
  • E&W: Die Tarifkampagne wird vor allem digital laufen – ist das rein pandemiebedingt?

Imran Ayata: Auch ohne die Pandemie hätte unser Konzept auf digitale Plattformen und Kanäle gesetzt. Um die Anliegen der GEW erfolgreich zu kommunizieren, sind diese zentral. Insgesamt hat sich öffentliche Kommunikation, vor allem die politische Kommunikation, sehr stark in Richtung digitaler Kommunikation entwickelt. Die traditionellen Medien sind immer noch sehr wichtig und schlagen sich wacker, aber die Social-Media- und Messenger-Dienste gewinnen immer mehr an Bedeutung. Gerade bei politischen Themen haben digitale Plattformen eine prägende Rolle.

Man muss sich nur anschauen, wie viele Themen auf Twitter täglich verhandelt werden – und in welcher Intensität. Es ergibt auch keinen Sinn, einen Gegensatz zwischen konventionellen Medien und Social Media zu konstruieren. Es kommt immer darauf an, sich zu fragen, wo und wie kommuniziere ich meine Anliegen am erfolgreichsten. Durch die Pandemie müssen wir uns natürlich spezifischen Herausforderungen stellen, etwa wie mobilisiere ich Mitglieder in diesen Zeiten?

  • E&W: Wie sieht das Konzept aus?

Ayata: Wir haben eine klare Botschaft, klare Schwerpunktthemen, die wir in unterschiedlichen Kanälen kommunizieren werden. Ich bin mir sicher, dass die GEW in dieser Tarifrunde auch auf der Straße sein wird – in welcher Form und Intensität wird sich noch zeigen. Wir werden klassische Protestschilder zum Hochhalten und Plakate haben sowie Anzeigen setzen. Gleichzeitig werden mehr als früher Maßnahmen eingesetzt, die Logiken und Funktionsweisen der sozialen Medien und des digitalen Raumes entsprechen. Es geht darum, die Themen und Forderungen der Tarifrunde dort kanalspezifisch aufzubereiten. Was ich sagen will: Wir adaptieren nicht Plakatmotive für Instagram, Facebook oder Twitter, sondern entwickeln sie spezifisch dafür. Wir nutzen dafür die eigenen Kanäle der GEW. Wir wollen aber auch eigene Content-Formate ausprobieren und Inhalte dort verständlich aufbereiten: Wie funktioniert eine Tarifrunde, worum geht es da eigentlich?

  • E&W: Wie werden Partizipationsmöglichkeiten für Beschäftigte und GEW-Mitglieder geschaffen?

Ayata: Wir stellen Kampagnenmaterialien wie Plakatmotive und Anzeigen digital zur Verfügung und statten die Mitglieder so aus, dass sie dieses Material selbst in ihren Kanälen nutzen können. Wir machen ein Social-Media-Kit mit Sharepics zu allen Themen, Memes, Gifs, einen Profilbildrahmen – kurzum: mit allem, was Lust macht, die Kampagne selbst zu verbreiten. Wir wollen damit die GEW-Community nicht nur vergrößern, sondern sie auch dazu bringen, die Kampagne zu liken, zu teilen, zu multiplizieren.

  • E&W: Nicht alle GEW-Mitglieder sind allerdings ständig im Netz unterwegs.

Ayata: Dieser berechtigte Einwand wird immer ins Feld geführt. Aber keine Sorge, wir werden Wege und Mittel haben, auch diejenigen zu erreichen, die nicht digitalaffin sind. Die Angebote, die wir in dieser Kampagne machen, sind niederschwellig. Uns ist schon bewusst, dass es GEW-Mitglieder gibt, die nicht bei Facebook oder Instagram sind. Aber für die gibt es immer noch die bekannten Kanäle in der GEW. Mit diesem Interview etwa erreichen wir Menschen, die nur das Magazin lesen. Eine Kampagne ist für jede Organisation aber immer auch eine Chance.

  • E&W: Inwiefern genau?

Ayata: Zum Beispiel, um als Organisation kampagnenfähiger zu werden. Wir leben in Zeiten, in denen nicht nur Inhalte und Anliegen wichtig sind, sondern auch deren öffentliche Inszenierung. Hier kommt die Kampagnenfähigkeit ins Spiel. Das haben alle erkannt – man muss sich nur ansehen, wer sich alles mit Kampagnen Gehör verschaffen will. Eine solche Kampagne zur Tarifrunde bietet für die GEW außerdem die Chance, neue Mitglieder zu gewinnen.

In der Tarifrunde öffentlicher Dienst der Länder fordern die Gewerkschaften 5 Prozent, mindestens jedoch 150 Euro mehr Gehalt für die Beschäftigten. Dazu zählen bei der GEW vor allem die angestellten Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen in Deutschland, aber auch die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst sowie an den Hochschulen.

Außerdem soll es 100 Euro monatlich mehr für alle in Ausbildung geben. Die GEW setzt sich weiter für die vollständige Paralleltabelle ein, die eine bessere Eingruppierung für viele angestellte Lehrerinnen und Lehrer unterhalb der Entgeltgruppe 13 und damit mehr Gehalt bringen würde. Zudem fordert die GEW, dass Verhandlungen für einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte aufgenommen werden.

Die TV-L Tarifrunde 2021 gilt als eine der schwierigsten der vergangenen 20 Jahre. Die öffentlichen Arbeitgeber geben sich bisher wenig verhandlungsbereit und verweisen unter anderem auf die Kosten der Coronapandemie. Die Gewerkschaften betonen die hohen Belastungen der Beschäftigten in dieser Zeit und wollen einen fairen Ausgleich.

Drei Verhandlungsrunden

Die erste Verhandlungsrunde zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften findet am 8. Oktober in Berlin statt, die zweite und dritte Runde sind für den 1./2. November und den 27./28. November jeweils in Potsdam geplant.

Die Forderung der Gewerkschaften bezieht sich auf eine Laufzeit des Tarifvertrags von einem Jahr.

In der Tarifrunde 2021 für den öffentlichen Dienst der Länder geht es um Gehaltserhöhungen für rund zwei Millionen Beschäftigte. Ver.di hat gegenüber der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) die Verhandlungsführerschaft für die DGB-Gewerkschaften GEW, GdP und IG BAU sowie die dbb tarifunion.

  • E&W: Was sind weitere Vorteile digitaler Kampagnen?

Ayata: Ein Vorteil ist, dass man schneller kommunizieren und auch auf Veränderungen reagieren kann. Kampagnen sind heute nicht statisch, sondern sehr dynamisch. Es braucht keine prophetische Gabe, um vorauszusehen, dass wir tagesaktuell kommunizieren werden, also Postings und Motive absetzen, die sich auf ein singuläres Ereignis an einem bestimmten Tag beziehen. Daher ist es so schwierig, heute schon zu sagen, was in dieser Kampagne alles genau passieren wird. So flexibel muss die Kampagne tatsächlich gedacht, konzipiert und umgesetzt werden.

Ein weiterer Vorteil digitaler Kommunikation ist, dass wir bei einer Kampagne laufend sehen, wie sie funktioniert und sie entsprechend optimieren können. Wir können beispielsweise relativ einfach überprüfen, ob eine digitale Anzeige auf einer Plattform viel geklickt wird. Und wenn nicht, können wir sie schnell austauschen. Genauso können wir auswerten, ob ein Post erfolgreich ist. All das ist übrigens für die GEW kein Neuland. Die Kolleginnen und Kollegen in der Kommunikationsabteilung arbeiten seit Jahren so.

  • E&W: Worin unterscheidet sich eine -Tarifkampagne für eine Gewerkschaft von anderen Kampagnen?

Ayata: Eigentlich unterscheiden sich Kampagnen immer voneinander. Jede Kampagne hat ihre eigenen Prämissen und Möglichkeiten. Und eine gute Kampagne passt immer zum Absender. Eine Tarifrunde ist ohnehin etwas Besonderes. Sie passiert nicht jede Woche. Und am Ende bewerben wir keinen Turnschuh: Eine Tarifrunde ist eine hochpolitische Angelegenheit.

Die Agentur für Kampagnen Ballhaus West wurde 2013 gegründet. Geschäftsführende Gesellschafter sind Imran Ayata und Alice Gittermann. Zu ihren Kunden zählen unter anderen der Flughafen Berlin Brandenburg (BER), die IG Metall, die Frankfurter Buchmesse, Amnesty International, der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC), der Hessische Rundfunk und der Verbraucherzentrale Bundesverband.

 

Imran Ayata (Foto: Ballhaus West)