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Demokratie braucht Beamtenstreikrecht

Beamtinnen und Beamten wird das Streikrecht bislang verwehrt. Die Folge: Sie können keine Arbeitskämpfe führen, um ihre Interessen durchzusetzen. Und: Je ärmer ein Bundesland ist, desto schlechter bezahlt es seine Beamtinnen und Beamten.

Arbeiter und Angestellte – Beschäftigte – haben ein Recht auf Streik, das im Grundgesetz verbrieft ist. Für die Ergebnisse von Tarifrunden – mit und ohne Streiks – und deren Folgen für die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland gibt es einen breiten gesellschaftlichen Konsens. Tarifverhandlungen als Form der Konsensfindung sind als Instrument der Wirtschafts- und Sozialpolitik anerkannt. Mit im internationalen Vergleich relativ wenigen Streiktagen unterstreichen Gewerkschaften und Beschäftigte ihre Forderungen, wenn es bei den Tarifverhandlungen klemmt. Oft geht es um Verbesserungen, gelegentlich aber auch darum, Verschlechterungen abzuwehren. Einer Arbeitnehmergruppe wird das Streikrecht bislang jedoch verwehrt: den Beamtinnen und Beamten. Die Folge: Sie können keine Arbeitskämpfe führen, um ihre Interessen durchzusetzen. Solange es kein Streikrecht für Beamtinnen und Beamte an Schulen und Hochschulen gibt, sind Arbeitnehmer und Gewerkschaften gespalten und können nicht einheitlich handeln.

Tarif- und Besoldungsrunden könnten mehr Schwung entfalten, wenn alle Beschäftigten gemeinsam aktiv sind. Wann wird dies wichtig? Beispielsweise bei der Frage: Wie können die Gewerkschaften durchsetzen, dass die Ergebnisse der Tarifverhandlungen zeit- und inhaltsgleich für die verbeamteten Kolleginnen und Kollegen übernommen werden. Seit der Föderalismusreform 2006 ist dies von der Kassenlage der Länder abhängig. Im Moment können die Gewerkschaften nur appellieren, Gespräche führen und Öffentlichkeitsarbeit machen. Wenn es gelingt, die Durchsetzungsfähigkeit der Gewerkschaften durch das Streikrecht für Beamte zu stärken, steigen die Chancen, das Auseinanderdriften der Besoldung in den Ländern zu stoppen.

„Die GEW will ein Grundrecht durchsetzen, das den Beamtinnen und Beamten bisher verweigert wird.“

Im Moment läuft der Hase doch so: Je ärmer ein Bundesland ist, desto schlechter bezahlt es seine Beamtinnen und Beamten. Wie dies mit dem Recht auf bundesweit gleiche Lebensverhältnisse zu vereinbaren ist, bleibt das Geheimnis der Sparpolitiker. Auch auf eine Erhöhung der Pflichtstundenzahl oder ungerechte Besoldungsregelungen der Landesregierungen – so werden beispielsweise Lehrkräfte an Grundschulen mit A12 schlechter bezahlt als (fast) alle anderen voll ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrer an anderen Schulformen – können Beamtinnen und Beamte bis heute nicht mit Streiks als Ultima Ratio reagieren.

Kritikern halte ich entgegen: Die GEW hat das Instrument Streik in der Vergangenheit mit Augenmaß und Verantwortungsbewusstsein eingesetzt. Es geht auch nicht darum, den Beamtenstatus abzuschaffen: Die GEW will ein Grundrecht durchsetzen, das den Beamtinnen und Beamten bisher verweigert wird. Dabei geht es um Demokratie und nicht zuletzt um Respekt. Unsere Position ist klar: Mehr Partizipation wagen. Wir brauchen das Streikrecht! Im Januar 2018 hat das Bundesverfassungsgericht zur mündlichen Verhandlung über das Beamtenstreikverbot geladen. Ich bin der Auffassung: Unsere Demokratie hält das Streikrecht für Beamtinnen und Beamte aus.

Daniel Merbitz, GEW-Vorstandsmitglied Tarif- und Beamtenpolitik