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Leitung in Bildungseinrichtungen

Leitung braucht Zeit

Mit dem sogenannten Gute-Kita-Gesetz sollte auch die Rolle der Leitung gestärkt werden. Doch es gibt viele Hürden: zu wenig Zeit, mangelnde Professionalisierung und fehlende Fachkräfte.

„Starke Kitaleitung“ hat das „Gute-Kita-Gesetz“ in Aussicht gestellt. Doch nur in der Hälfte der Bundesländer wird dieses Handlungsfeld bislang umgesetzt. (Foto: IMAGO/Emmanuelle Contini)

Die frühkindliche Bildung verspürt seit einigen Jahren Rückenwind: Die Zahl der Betreuungsangebote steigt, Themen wie Inklusion und Teilhabe stehen auf der Agenda oben und Erzieherinnen und Erzieher erkämpfen sich mit jeder Tarifrunde etwas mehr gesellschaftliche und finanzielle Anerkennung. Trotzdem sind noch viele Baustellen offen. Eine davon ist die Rolle der Kita-Leitungen.

Dabei ist das Pensum der Kita-Leitungen enorm: Sie sind in ihrer Einrichtung für das pädagogische Konzept und dessen Weiterentwicklung, die Personalplanung und Steuerung des Teams sowie die Zusammenarbeit mit Eltern und Partnern verantwortlich. Gleichzeitig sind sie quasi die Betriebsführung eines Unternehmens. „Die Kita-Leitung ist eine Schlüsselposition“, betont Doreen Siebernik, GEW-Vorstandsmitglied für Jugendhilfe und Sozialarbeit. Mit ihr steht und fällt die Qualität.

Genau diese sollte mit dem am 1. Januar 2019 in Kraft getretenen sogenannten Gute-Kita-Gesetz verbessert werden. Dafür stellt der Bund bis 2022 rund 5,5 Milliarden Euro zu Verfügung. In individuellen Verträgen mit dem Bund legten die Länder fest, in welche Handlungsfelder die ihnen zugewiesenen Mittel fließen sollten. Zu den zehn Schwerpunkten, die zur Auswahl standen, zählte die Stärkung der Leitung, etwa durch mehr Zeit für Leitungsaufgaben und spezielle Qualifizierungen.

„Gute-Kita-Bericht 2020“

Nun liegt ein erstes Monitoring vor: Der „Gute-Kita-Bericht 2020“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) beschreibt, wie die Maßnahmen in den Ländern bisher umgesetzt wurden. Konkrete Entwicklungen wird aber wohl erst der für 2023 geplante zweite Bericht darstellen können; aktuell bildet das Monitoring vor allem die Ausgangslage im Jahr 2019 ab.

Während Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht (SPD) bereits lobte, die Zwischenergebnisse bestätigten die Bedeutung unter anderem des Schwerpunktes „Stärkung der Leitung“, sehen die GEW und Verbände dies skeptischer. Das BMFSFJ betont, mehr als die Hälfte der Mittel würden zur Stärkung des Personals eingesetzt. Kritikerinnen und Kritiker monieren dagegen, rund ein Drittel der Gelder fließe in die Entlastung der Eltern bei den Gebühren statt in Qualität.

Professionalisierung nötig

Objektiv geht aus dem Monitoring hervor: Das Handlungsfeld „Stärkung der Leitung“ schrieben sich nur acht Länder in ihre Verträge: Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Berlin, Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und das Saarland. In den Schwerpunkt „Entlastung der Eltern bei den Gebühren“ investierten hingegen elf Länder. Bundesweit waren Leitungskräfte nur in etwa einem Drittel der Kitas ausschließlich für Leitungsaufgaben zuständig. In rund der Hälfte der Einrichtungen übernahmen sie weitere Tätigkeiten. In fast jeder zehnten Kita war niemand für Leitungsaufgaben angestellt.

Expertinnen und Experten sehen daher bislang keine echte Stärkung der Leitungen. Siebernik begrüßt zwar, dass der Schwerpunkt aufgenommen worden und „der Fuß in der Tür“ sei. Qualifizierung und Weiterbildung seien im Gesetz aber nicht ausreichend verankert. „Was fehlt, ist: Wie wird man Leiterin?“, sagt Birte Radmacher, Referentin im Organisationsbereich Jugendhilfe und Sozialarbeit beim GEW-Hauptvorstand. Bisher ist oft dieser Weg üblich: Geht die Leitung in Rente, rückt eine Erzieherin nach, die seit Jahren in der Kita arbeitet.

„Wenn ich als Träger ausbilden und qualifizieren will, endet das nicht 2022, sondern muss langfristig finanziert werden.“ (Doreen Siebernik)

Die GEW fordert eine Professionalisierung des Berufsbildes: „Es ist bisher fachlich definiert nicht ausbuchstabiert, was qualifizierte Leitung heißt“, erklärt Siebernik. „Was braucht es dazu an Qualifikation, an Berufs- und weiteren Erfahrungen, und wie kann man es Kolleginnen und Kollegen aus der Praxis ermöglichen, sich berufsbegleitend zu professionalisieren.“

Der Entwicklung von der ausgeübten zur anerkannten Profession stehe die Befristung der Mittel entgegen: „Wenn ich als Träger ausbilden und qualifizieren will, endet das nicht 2022, sondern muss langfristig finanziert werden“, sagt Siebernik. Weiterbildung lässt sich zudem schwer im Praxisalltag unterbringen. „Eine Leiterin kann sich nicht einfach zwei Tage Zeit für eine Fortbildung nehmen, weil sie meist in die -Arbeit der Gruppen einbezogen ist.“

Für die Kitas verlangt die GEW, die individuellen Gefährdungsbeurteilungen nach Arbeitsschutzgesetz umzusetzen. Jede Kita braucht passgenaue und wirksame Hygienepläne. „Die Regelungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) für Kitas zum Infektionsschutz sind zu beachten und umzusetzen. Weiter müssten alle Kitaträger Betriebsmediziner einsetzen, diese sollten die Risikogruppen bei den Beschäftigten beraten und im Einzelfall von der Arbeit in der Kita freistellen“, sagte GEW-Chefin Maike Finnern. Sie regte zudem an, freiwillige, kostenfreie Coronatests sowie eine Grippeschutzimpfung für die Beschäftigten anzubieten.

  • Freiwillige, kostenfreie Coronatests sowie eine Grippeschutzimpfung für die Beschäftigten
  • Passgenaue und wirksame Hygienepläne für jede Kita
  • Umsetzung der Empfehlungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) an Kitas
  • Risikogruppen von Betriebsmedizinern beraten lassen und im Einzelfall von der Arbeit an der Kita freistellen

Übersicht: Alles, was sich an Bildungseinrichtungen mit Blick auf den Gesundheitsschutz in Corona-Zeiten ändern muss.

Großer Fachkräftemangel

Zeit hält der Geschäftsführer des Verbandes Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) – Bundesverband, Frank Jansen, für das dringlichste Thema. In 68,2 Prozent der Kitas stünden weniger als 20 Prozent der Wochenstunden für Leitungsaufgaben zur Verfügung, sagt er. Zudem sei die Zahl der Leitungskräfte von 2011 bis heute um 52 Prozent gestiegen, gleichzeitig sei die Zahl der Freistellungen aber von 53 auf 43 Prozent gesunken. „Ich kann noch so qualifiziert sein – wenn ich keine Zeit habe, mein Wissen anzuwenden, bringt mir das nichts.“

In einem neuen Positionspapier mit Forderungen für ein Kita-Bundesqualitätsgesetz verlangen die GEW, der KTK und der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) mindestens 20 Stunden pro Woche für Leitungsaufgaben plus 0,35 Stunden pro Ganztagsbetreuungsplatz.

„Was in den Länder-Verträgen zum Gute-Kita-Gesetz vereinbart wurde, reicht nicht aus.“

Der Deutsche Kitaverband, der die freien Träger vertritt, sieht den Fachkräftemangel als größtes Hindernis. Denn mehr Zeit für Leitungsaufgaben bedeutet, dass andere Fachkräfte die pädagogische Arbeit der Leitung machen müssen. Weitere Stellen könnten durch die Mittel aus dem Gute-Kita-Gesetz zwar finanziert werden, sagt die Vorsitzende Waltraud Weegmann. In einigen Regionen gebe es aber gar keine zusätzlichen Fachkräfte.

Kita-Leitungen hätten die schwierige Aufgabe, trotz des ständigen Personalmangels Qualität zu bieten und Beschäftigte zu motivieren. Dazu brauche es mehr Fortbildungen zu Personalführung und Steuerung, aber auch externe Evaluation. Weegmann plädiert zudem für einen Kita-Digitalpakt, um Leitungen durch mehr automatisierte Organisation zu entlasten. „Was in den Länder-Verträgen zum Gute-Kita-Gesetz vereinbart wurde, reicht nicht aus“, bilanzieren die Fachleute einmütig.