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Serie: Traumjob oder Trauma?

„Ich wurde ins kalte Wasser geworfen“

Aktive und angehende Lehrkräfte berichten, was sie an ihrem Beruf lieben, mit welchen Schwierigkeiten sie konfrontiert sind, was sie trotz alledem im Beruf hält – oder eben auch dazu gebracht hat, das Handtuch zu werfen.

Viele Lehramtsstudierende wechseln im Laufe des Studiums den Studiengang oder entscheiden sich nach dem Referendariat gegen den Lehrberuf. (Foto: IMAGO/Peter Endig)

Lehrer zu werden war immer mein Ziel. Während andere in die Freundebücher als Berufswunsch Prinzessin, Ritter oder Feuerwehrmann geschrieben haben, lautete meine Antwort stets: Ich will Lehrer werden! Nach dem Abitur war das Ganze für mich eine klare Sache: an der Universität einschreiben und Lehramt studieren. Ich wollte meinen späteren Schülerinnen und Schülern Geschichte und Sozialwissenschaften näherbringen. Doch schon bald wurde mir klar: Das Studium hat nichts mit Lehramt zu tun. Statt zu lernen, wie Unterricht funktioniert oder wie ich Bildung vermittle, gab es Staatsphilosophie und Papsturkunden. Alles spannend, aber eben nicht das, was ich gedacht hatte. Ich bekam das Gefühl, mein Studium bereitet mich auf alles vor, aber nicht auf meinen späteren Beruf.

Nun könnte man meinen, ich müsse eben das Studium durchhalten, dann kommt das schon alles. Doch ist „Learning by doing“ im Referendariat und danach die Art und Weise, wie künftige Lehrerinnen und Lehrer auf einen Job vorbereitet werden sollten? Ich gehe ja auch nicht zu einem jungen Arzt, der bis jetzt nur theoretisch gelernt hat, wie eine Operation funktioniert.

Stetig neue Meldungen über marode Schulen, verschlafene Digitalisierung, höhere Klassenstärken und fehlende Anerkennung machen den Beruf unattraktiv.

Ein weiterer Schlüsselmoment für meine Entscheidung, das Lehramt an den Nagel zu hängen, war mein Praktikum an einem Gymnasium. Ich bin mit folgenden Worten begrüßt worden: „Wir freuen uns, dass Sie da sind! In der 9. Klasse ist der Sowi-Lehrer ausgefallen, würden Sie bitte für die nächsten Wochen übernehmen?“ Ich tat, wie mir befohlen. Ohne Vorkenntnisse ins kalte Wasser geworfen zu werden, mögen einige vielleicht als Chance begreifen. Aber in meiner Wahrnehmung stand den Kindern jetzt eine komplett unerfahrene Lehrkraft gegenüber, die alte Arbeitsblätter aus der eigenen Schulzeit rauskramte und gar nicht wusste, ob das jetzt alles so richtig ist.

Ich kann auch nicht verhehlen, dass die allgemeine Situation des Schulsystems meine Entscheidung gegen das Lehramt gefestigt hat. Stetig neue Meldungen über marode Schulen, verschlafene Digitalisierung, höhere Klassenstärken und fehlende Anerkennung machen den Beruf unattraktiv.

Studierende fühlen sich im Stich gelassen

Wenn über den Mangel an Lehrkräften diskutiert wird, beginnt die Ursachenforschung meist an den Schulen. Doch was passiert eigentlich an Deutschlands Hochschulen? Der Lehrkräftetrichter des deutschen Stifterverbands zeigt ein dramatisches Bild. Fast 50 Prozent aller Lehramtsstudierenden finden nicht ihren Weg ins Klassenzimmer. Von über 50.000 Studienanfängerinnen und -anfängern springen in den ersten Semestern über 20.000 ab. Weitere brechen nach dem Master oder dem Referendariat ab. Am Ende der Ausbildung bleiben gerade noch gut 28.000 Lehrkräfte übrig.

Mit meiner Geschichte bin ich vor einiger Zeit in einer öffentlich-rechtlichen Fernsehsendung gelandet. Nach der Ausstrahlung ist mein Mail-Postfach regelrecht explodiert. Viele Studierende denken ähnlich, sie werden abgeschreckt von den schlechten Zuständen und den immer größer werdenden Herausforderungen und Belastungen in der Schule. Sie fühlen sich im Studium im Stich gelassen. Sie haben kein Verständnis für die immer tiefer eindringenden wissenschaftlichen Seminare und den fehlenden Schulbezug. Oder sie nennen schlichtweg finanzielle Gründe, weil ein unbezahltes Praxissemester ihnen wirtschaftlich das Genick bricht.

Es reicht nicht, im Bachelor fünf Wochen Schnupperpraktikum an der Schule zu machen und dann erst wieder im Master im Klassenraum zu stehen.

Doch wie lässt sich das Lehramtsstudium verändern? Meiner Ansicht nach braucht es schon von Anfang an einen klaren Praxisbezug. Es reicht nicht, im Bachelor fünf Wochen Schnupperpraktikum an der Schule zu machen und dann erst wieder im Master im Klassenraum zu stehen. Es reicht nicht, wissenschaftlichen Stoff in sich hineinzufressen, der am Ende nice-to-know ist, aber keinen Schulbezug zu haben scheint. Es wird nicht reichen, lediglich über die Senkung oder Abschaffung des Numerus clausus für das Lehramtsstudium nachzudenken. Damit erhöht sich vielleicht die Gesamtzahl der Studierenden, die hohe Abbruchquote aber bleibt weiter bestehen und frisst sich durch das System.

Es liegt an uns, den Finger in die Wunde zu legen und aufzuzeigen, dass das Lehramtsstudium besser werden muss. Ich bin froh, dass die GEW an meiner Seite steht, mit mir und für mich an vorderster Front für beste Bildung und eine Veränderung des Schulsystems kämpft und auch einen Platz für mich haben wird, wenngleich ich nicht den klassischen Weg in die Schule finden werde.