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SWK-Empfehlungen zum Lehrkräftemangel

Lehrerinnen und Lehrer nicht noch mehr belasten!

Viele Lehrkräfte sind am Limit. Trotzdem sollen sie nach den Empfehlungen der Ständigen Wissenschaftliche Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz (KMK) mehr unterrichten und weniger in Teilzeit arbeiten. „Blanker Hohn“, meint die GEW.

Viele Lehrkräfte sind nach Jahren der Pandemie überlastet und am Limit. (Foto: GEW/Shutterstock).

Die GEW kritisiert die Empfehlungen zum Umgang mit dem akuten Lehrkräftemangel der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) in der Kultusministerkonferenz (KMK) als „überwiegend viel zu kurz greifend“. Vorschläge wie die Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung, Einschränkungen bei Teilzeitmöglichkeiten und höhere Klassenfrequenzen lehnt die Bildungsgewerkschaft ab. „Diese Empfehlungen der SWK werden die ohnehin überlasteten Lehrkräfte nur zusätzlich belasten“, sagte die GEW-Vorsitzende Maike Finnern.

„Die Politik darf nicht den Fehler machen, den dramatischen Lehrkräftemangel auf dem Rücken der Lehrkräfte und letztlich der Kinder, Jugendlichen und auch der Eltern auszutragen.“ (Maike Finnern)

Es drohe eine Spirale aus Überlastung durch Lehrkräftemangel und Lehrkräftemangel durch Überlastung, die zu Abwanderung aus dem Beruf führen werde. „Die Politik darf nicht den Fehler machen, den dramatischen Lehrkräftemangel auf dem Rücken der Lehrkräfte und letztlich der Kinder, Jugendlichen und auch der Eltern auszutragen.“ Ohnehin benachteiligte Kinder und Jugendliche würden so weiter abgehängt.
 

„Die Kultusministerinnen und –minister müssen mit Gewerkschaften und Verbänden an einen Tisch kommen und gemeinsam Kompromisse finden, wie der eklatante Lehrkräftemangel jetzt und in Zukunft bekämpft werden kann.“ 

Finnern forderte die KMK dazu auf, Verantwortung zu übernehmen: „Die Kultusministerinnen und –minister müssen mit Gewerkschaften und Verbänden an einen Tisch kommen und gemeinsam Kompromisse finden, wie der eklatante Lehrkräftemangel jetzt und in Zukunft bekämpft werden kann.“

Die SWK gehe selbst davon aus, dass der Lehrkräftemangel die nächsten 20 Jahre anhalten werde. Erforderlich sei daher eine grundsätzliche Debatte darüber, wie Lehrkräfte ausgebildet werden müssten, und wie kurz- und langfristig Menschen für diesen Beruf begeistert werden könnten, sagte die Gewerkschaftschefin.

SWK: Lehrkräfte sollen mehr arbeiten

In ihren am Freitag veröffentlichten sechs Empfehlungen schlägt die SWK teils einschneidende Maßnahmen vor. Unter anderem plädiert sie dafür, dass Lehrkräfte frewillig über den Ruhestandseintritt und ihre Unterrichtsverpflichtung hinaus arbeiten sollten. Gymnasiallehrkräfte sollten für andere Schulformen weiterqualifiziert werden. Studierende sollten Lehrerinnen und Lehrer unterstützen und entlasten. Die Selbstlernzeiten von Schülerinnen und Schülern sollten erhöht werden. Als Ausgleich werden Achtsamkeitstraining und Yoga empfohlen. „Das ist blanker Hohn“, kommentierte Finnern.

Die Kommission begründet ihre Empfehlungen mit einer Ausnahmesituation: „Erst vor wenigen Monaten hat der IQB-Bildungstrend gezeigt, dass immer mehr Kinder die Mindeststandards in Deutsch und Mathematik am Ende der vierten Jahrgangsstufe nicht erreichen. Der Lehrkräftemangel verschärft die Situation. In manchen Regionen ist die Unterrichtsversorgung nicht mehr sichergestellt und die Qualität des Unterrichts leidet“, erklärte Prof. Felicitas Thiel, Professorin für Schulpädagogik und Schulentwicklungsforschung an der Freien Universität Berlin sowie Co-Vorsitzende der SWK. Die vorgestellten „Notmaßnahmen“ müssten aber zeitlich befristet sein. Langfristig seien neue Formen der Unterrichtsorganisation und Ausbildung sowie Gewinnung von Lehrkräften notwendig.

Die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz (KMK) spricht folgende Empfehlungen zum Umgang mit dem akuten Lehrkräftemangel aus:

  1.  Erschließung von Beschäftigungsreserven bei qualifizierten Lehrkräften mittels
  • Freiwillige Anpassung des Ruhestandseintritts,
  • Reduktion der Unterrichtsverpflichtung aus Altersgründen und der Teilzeitbeschäftigung an die aktuelle Situation;
  • Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung in Anlehnung an das Konzept der Vorgriffsstunden;
  • erleichterter Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen;
  • Abordnung von Lehrkräften an Dienststellen mit besonderem Bedarf;
  • Entlastung der Lehrkräfte von Organisations- und Verwaltungsaufgaben.

2. Ausweitung des Potenzials an qualifizierten Lehrkräften

  • durch die Weiterqualifizierung von Gymnasiallehrkräften für andere Schulformen
  • und durch die Nachqualifizierung in Mangelfächern.

3. Entlastung und Unterstützung qualifizierter Lehrkräfte durch Studierende und andere, formal nicht (vollständig) qualifizierte Personen.

4. Flexibilisierung des Einsatzes von Lehrkräften durch

  • Hybridunterricht;
  • Erhöhung der Selbstlernzeiten von Schüler:innen;
  • Anpassung der Klassenfrequenzen.

5. Vorbeugende Maßnahmen zur Gesundheitsförderung mittels

  • Achtsamkeitstrainings und eMental-Health-Angeboten;
  • Coaching- und (Gruppen-)Supervisionsangeboten;
  • Kompetenztrainings zur Klassen- und Gesprächsführung;
  • niedrigschwelliger, gut zugänglicher Angebote;
  • Sensibilisierung und Unterstützung von Schulleitungen;
  • Bündelung von Angeboten an einem Ort und Optimierung des Informationsmanagements.

6. Bestandsaufnahme, Bewertung und Weiterentwicklung von Modellen des Quer- und Seiteneinstiegs.

 „Wir sind gerne dazu bereit, unsere Vorschläge zu diskutieren.“ (Maike Finnern)

Ungeachtet der Kritik lud Finnern zum Dialog ein: „Wir sind gerne dazu bereit, unsere Vorschläge zu diskutieren und miteinander Lösungen gegen den dramatischen Lehrkräftemangel zu finden.“ Die GEW hatte bereits ein 15-Punkte-Programm mit kurz- und langfristig wirkenden Maßnahmen vorgelegt. Finnern begrüßte, einige davon seien von der SWK übernommen worden. Als Beispiel nannte sie den Vorschlag zur erleichterten Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen. Die GEW unterstützt zudem den Vorschlag, weiteres Personal zur Entlastung und Unterstützung von Lehrkräften einzusetzen, und verlangt ebenfalls, Seiten- und Quereinsteiger nachhaltig zu qualifizieren.

Die KMK-Präsidentin und Berliner Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) betonte, Quereinsteigerinnen und -einsteiger seien voll qualifizierte Lehrkräfte, wenn sie fertig seien. „Die sind ein Gewinn für die Schulen.“ Es müsse jedoch gewährleistet sein, dass diese künftigen Lehrkräfte entsprechend weitergebildet und qualifiziert würden. 

Die SWK ist ein unabhängiges wissenschaftliches Beratungsgremium der Kultusministerkonferenz. Ihr gehören 16 Bildungsforscherinnen und -forscher aus unterschiedlichen Disziplinen an. Die Kommission berät die Länder bei der Weiterentwicklung des Bildungswesens.