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Bundesdisziplinargesetz

Ja zum Anliegen, Nein zur Methode

Mit einer Änderung des Bundesdisziplinargesetzes will Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) es Behörden erleichtern, „Verfassungsfeinde schneller aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen“. Gewerkschaften sehen rechtsstaatliche Probleme.

Die Bundesregierung will das Disziplinarrecht für Beamtinnen und Beamte verschärfen, um rechte Verfassungsfeinde leichter aus dem Staatsdienst entfernen zu können. (Foto: IMAGO/Steinach · zplusz)

Da verspottet ein Richter die Erinnerung an den Holocaust, ein Polizist teilt online rechtsextreme Symbole – und der Staat tut sich schwer im Umgang mit solchen Fällen. Es verwundere schon, wie lange sich Menschen im Staatsdienst verfassungsfeindlich äußern könnten, bis etwas passiere, sagt die GEW-Vorsitzende Maike Finnern. Daher ein klares „Ja“ zum Anliegen der Bundesinnenministerin, aber ein „Nein“ zur Methode: „Es ist höchste Zeit zu handeln – allerdings nicht durch Maßnahmen, die zutiefst undemokratisch sind und rechtsstaatliche Prinzipien aushöhlen.“

Faeser will erreichen, dass „jeder Extremismusfall klare Konsequenzen haben muss“. Dazu sollten „die rechtlichen Instrumente nachgeschärft“ werden, hatte die Ministerin bereits 2022 angekündigt. Ihr Entwurf, den das Kabinett im Februar gebilligt hat und der im Mai im Bundestag in erster Lesung debattiert wurde, sieht vor, dass Vorgesetzte ihre Untergebenen per Disziplinarverfügung entlassen dürfen. Sollte das Gesetz unverändert den Bundestag passieren, könnten sich Betroffene nur im Nachhinein juristisch gegen eine Entlassung wehren.

Rechtsstaatliche Prinzipien werden über Bord geworfen.

Eben daran stören sich die Gewerkschaften. „Das Prozessrisiko wird auf die Beamt*innen verlagert und legt ihnen für die Zeit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über ihre Klage wirtschaftliche und soziale Unsicherheiten und Nachteile auf“, heißt es in einer Stellungnahme der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Daher reiche der nachträgliche Rechtsschutz nicht. Darüber hinaus genüge die Disziplinarverfügung nicht den Anforderungen an ein unparteiliches und die Fairness sicherndes Verfahren.

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisiert, dass „rechtsstaatliche Prinzipien über Bord geworfen werden“. Der DGB will Behörden stärken, um verfassungsfeindliche Ideen von vornherein zu unterbinden, und setzt dabei auf Erinnerungskultur und politische Bildung. Dienstherren müssten ihre Aus- und Fortbildungsprogramme erweitern und Bildungs- sowie Sonderurlaub wieder öfter genehmigen, schlägt der Gewerkschaftsbund vor. Um Verfahren zu beschleunigen, sollten unter anderem Disziplinarkammern personell verstärkt und solche Fälle bei Gerichten vorrangig behandelt werden.

Dass Verfahren beschleunigt werden, begrüßen alle Gewerkschaften: „Wir möchten keine Extremisten in unseren Reihen haben“, schreibt der für Bundespolizei und Zoll zuständige Bezirk der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Doch die GdP bemängelt, dass „der Gesetzentwurf deutlich über das Ahnden extremistischer Handlungen hinausgeht“, also auch auf Fälle angewendet werden könnte, in denen es um allgemeines Verhalten geht. Zudem sei es schwierig, wenn juristische Laien über statusrelevante Strafen urteilen.

Erinnerungen an den „Radikalenerlass“ von 1972

In einer „unseligen Tradition“ sieht Joachim Sohns von der niedersächsischen Initiative gegen Berufsverbote das Projekt der Innenministerin: Die Beweislastumkehr bei Entlassungen tauchte bereits im „Radikalenerlass“ von 1972 auf. Auch damals verfolgte der Staat den „Zweck, politisch nicht genehme Personen per Behördenentscheidung aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen oder nicht einzustellen, ohne die Verpflichtung, gerichtsverwertbare Vorwürfe vorzulegen“, sagt Sohns. Bereits der Zweifel an der Gesinnung von Beschäftigten oder Bewerberinnen und Bewerbern für den öffentlichen Dienst reichte damals aus – einen Beweis für verfassungswidriges Handeln musste die Behörde nicht antreten.

Eben diese Unklarheit berge Gefahren, sagt GEW-Mitglied Sohns. Er befürchtet, dass „zukünftige Regierungen mit anderen politischen Zielsetzungen das Verfahren dazu nutzen, sich mit eigenen Deutungen des ungeklärten Begriffs ,Extremismus‘ unliebsamer Beamtinnen und Beamten zu entledigen“.

„Politisch aktive Menschen müssten wieder die Befürchtung haben, Nachteile im öffentlichen Dienst zu riskieren.“ (Joachim Sohns)

Damit könnte sich ein solcher Verdacht am Ende auch „gegen radikale Klimaschützerinnen oder Antifaschisten richten“, warnt Sohns. „Politisch aktive Menschen müssten wieder die Befürchtung haben, Nachteile im öffentlichen Dienst zu riskieren. Das würde angepasstes Verhalten befördern – gerade das Gegenteil des Engagements, das gegen Umtriebe von Nazis erforderlich ist.“

Aktuell befasst sich der Bundestag mit dem Gesetzentwurf. Käme die Neuregelung wie geplant, würde sie zunächst nur für die Beamtinnen und Beamten des Bundes gelten. Doch die Länder würden sehr genau -hinschauen und könnten nachziehen, befürchtet GEW-Vorsitzende Finnern.