#IchBinHanna
„Ein Politikwechsel liegt tatsächlich in der Luft“
„Per Hashtag gegen das WissZeitVG“: Um Erfahrungen zu sammeln und Perspektiven zu entwickeln, lud die GEW die #IchBinHanna-Aktiven zum digitalen Fachgespräch.
Hanna bleibt in aller Munde – und sie hat den Kreis befristet Beschäftigter längst verlassen: Rund drei Wochen nach dem Start des Twitter-Hashtags #IchbinHanna nutzen ihn nicht mehr lediglich Promovierende und Postdocs, um ihren Frust über die Befristungspraxis zu schildern. Unter #IchBinHannasChef solidarisieren sich Professorinnen und Professoren; auch wissenschaftliche Fachgesellschaften und Stimmen aus den Bundestagsfraktionen (#HannaImBundestag) werden lauter. „4-5.000 #IchbinHanna-Tweets am Tag, das sind mehr als aktuell zur Bundestagswahl“, rechnete die Datenwissenschaftlerin Jana Lasser am 1. Juli bei einem digitalen Vernetzungstreffen der GEW vor.
„Ihr habt die Verhältnisse in der Wissenschaftspolitik zum Tanzen gebracht.“ (Andreas Keller)
„Ihr habt die Verhältnisse in der Wissenschaftspolitik zum Tanzen gebracht. Ein Politikwechsel liegt tatsächlich in der Luft“, so begrüßte der GEW-Vorstand für Hochschulpolitik, Andreas Keller, die mehr als 250 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das Ziel des Aktiventreffens: aus den Erfahrungen der zurückliegenden Wochen Schlussfolgerungen zu ziehen und Perspektiven zu entwickeln. „Denn die besten Argumente werden nicht helfen, wenn es nicht gelingt, das Momentum auf der Straße, in Tarifverhandlungen, gegebenenfalls auch bei Arbeitskämpfen zu erhöhen“, erklärte Keller. Wie günstig das Zeitfenster ist, liegt auf der Hand: Die Tarifverhandlungen im Herbst fallen mit der Zeit der Koalitionsverhandlungen zusammen. Die studentisch Beschäftigten haben bereits angekündigt, sie für den Kampf um die Aufnahme in einen Tarifvertrag zu nutzen.
„Das Wissenschaftssystem ist ineffizient und ungerecht.“ (Amrei Bahr)
Worum es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geht, brachte die Philosophin und #IchBinHanna-Initiatorin Amrei Bahr auf den Punkt: „Das Wissenschaftssystem ist ineffizient und ungerecht. Beides gehört zusammen“. Wer es hineinschaffe, zahle einen so hohen persönlichen Preis, den sich nur leisten könnte, wer die damit verbundene Prekarität abfedern könne. Bahr: „Ohne Vielfalt gibt es keine zukunftsfähige Wissenschaft.“
„Wer nicht EU-Bürger ist, verliert mit dem Vertrag oft nicht nur Arbeit, sondern auch das Zuhause“. ( Maha El Hissy)
Hier gerät der, an eine im Bundesbildungsministerium erfundene Erklärfigur angelehnte, Hashtag allerdings an seine Grenzen. Denn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind gar nicht alle Hanna. Sie heißen zum Beispiel auch Meryem oder Maha, und finden sich noch aus anderen Gründen im Wissenschaftssystem nicht wieder. Die Germanistin Maha El Hissy machte auf die Lage internationaler Forschender aufmerksam: „Wer nicht EU-Bürger ist, verliert mit dem Vertrag oft nicht nur Arbeit, sondern auch das Zuhause“.
Rassistische und diversityfeindliche Zuschreibungen seien im Wissenschaftssystem an der Tagesordnung, ergänzte die Soziologin Meryem Choukry. Zu fragen sei immer, auch bei Gewerkschaften: „Wer fühlt sich willkommen in den Räumen, welche Barrieren gibt es?“ Geschildert wurden auch Exklusionsmechanismen im Falle einer chronischen Erkrankung oder Behinderung; und Anfeindungen, denen sich queere und Gender-Wissenschaftlerinnen und -wissenschaftler gegenübersehen.
„Auch ein Streik wäre super“
Bei dem Kampf für eine gute Wissenschaft gelte es „eine große Breite an Wirkmechanismen“ in den Blick zu nehmen, erklärte Keller. Er rief die Aktiven zur Beteiligung an den „Mühen der Ebene“ auf, etwa dabei, auszubuchstabieren, wie verlässliche Karrierewege unter Berücksichtigung von Diskriminierungsdimensionen in einem Gesetz verankert werden können. Und: „Die GEW freut sich über neue Mitglieder, wirbt für eine Solidargemeinschaft und bietet Rechtsschutz.“
Lebhaft diskutiert wurde, wie der #IchBinHanna-Druck weiter in die analoge Welt getragen werden kann. Denkbar seien Demonstrationen nach dem Vorbild des #Unteilbar-Bündnisses, sinnvoll das flächendeckende Ansprechen von jenen, die im nächsten Bundestag vertreten sein wollen. „Auch ein Streik wäre super“, hieß es, vor allem angesichts der Zeitgleichheit von Tarif- und Koalitionsverhandlungen. Keller erinnerte an die rechtlichen Voraussetzungen, sagte aber auch: „Die GEW bekennt sich nicht nur in ihrer Satzung zum Arbeitskampf, sondern hat auch viel Streikerfahrung. Der Streik ist immer eine Ultima Ratio, aber eine Option. Das gilt auch für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.“ Amrei Bahr stellte eine Quasi-Streik-Option in den Raum: „Wenn wir alle nur so viel arbeiten, wie wir bezahlt bekommen – dann würde doch das Wissenschaftssystem schnell vor die Wand fahren.“
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