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Schulhunde

„Hund und Mensch müssen ein gutes Team sein“

Nicht selten werden Lehrkräfte von ihren Hunden in die Schule begleitet. Deren Einsatz im Unterricht ist jedoch mit vielen Vorbereitungen verbunden. E&W hat mit Schulhund-Expertin Lydia Agsten über Organisatorisches und Pädagogisches gesprochen.

Die frühere Förderschullehrerin Lydia Agsten absolvierte Weiterbildungen zur tiergestützten Pädagogik und setzte seit 2002 drei Schulbegleithunde ein. 2005 stellte sie das Portal Schulhundweb.de zur Vernetzung der Halterinnen und Halter online. Heute ist sie Vorsitzende des Qualitätsnetzwerkes Schulbegleithunde e.V. (Foto: Andreas Agsten)
  • E&W: Frau Agsten, was genau ist ein Schulhund?

Lydia Agsten: Ich spreche als Vorsitzende des Qualitätsnetzwerkes Schulbegleithunde e. V. (QNS). Wir sind Pädagoginnen und Pädagogen, die von ihren eigenen Hunden in die Schule begleitet werden, sowie Dozentinnen und Dozenten, die in entsprechenden Weiterbildungen aktiv sind. Uns ist es wichtig, dass die Lehrkraft, die Erzieherin oder der Erzieher, die Sozialarbeiterin oder der Sozialarbeiter und der Hund ein Team sind. Früher gab es mal den Gedanken, dass die Schule sich einen Hund anschafft, der mit den Lehrkräften in die Klassen geht. Das geht nicht: Hunde werden nicht verliehen.

  • E&W: Wie oft und wo werden die Tiere in der Schule eingesetzt?

Agsten: Der Hund sollte die Kollegin oder den Kollegen maximal zwei bis drei Tage in der Woche für etwa zwei Stunden begleiten. Im Grund- oder Förderschulbereich gibt es viele Schulbegleithunde, weil die Lehrkräfte dort oft als Klassenleitung agieren. Schwieriger ist es im Sekundarbereich: Als Fachlehrerin oder -lehrer muss man alles, was der Hund braucht, immer von Klasse zu Klasse mitnehmen.

  • E&W: Einen Hund zum Schulbegleithund zu machen, ist also aufwendig.

Agsten: Oft ist mehr zu organisieren und beachten, als die Kolleginnen und Kollegen erwartet haben. Der Hund muss vorbereitet und langsam an die Schule, die Klasse, die einzelnen Schülerinnen und Schüler herangeführt werden. Es muss ein Konzept und einen Hygieneplan geben, es müssen Regeln aufgestellt und bestimmte Voraussetzungen im Klassenraum und in der Schule geschaffen werden.

  • E&W: Wenn ein Schulhund gut integriert ist, was kann dann sein pädagogischer Beitrag sein?

Agsten: Er kann zum Beispiel Aufgabensäckchen apportieren oder würfeln, welches Kind als nächstes dran ist. Das sind so die einfachsten Sachen am Anfang. Im Augenblick sind Lesehunde ein großes Thema: Der Hund liegt auf einer Decke, lässt sich streicheln, und die Kinder lesen ihm vor. Hunde entspannen, da gibt es viele Untersuchungen, die das belegen. Wichtig ist uns auch, dass Kinder den Umgang mit Hunden lernen. Dazu kann eine Berührungslandkarte aufgehängt werden: Wo mag es der Hund, angefasst zu werden, wo nicht. 

  • E&W: Wie können die Kinder darüber hinaus profitieren?

Agsten: Allgemein sind Schülerinnen und Schüler, wenn sie gut vorbereitet sind, fasziniert davon, einen Hund in der Klasse zu haben. Sie werden motiviert, dem Tier gegenüber empathisch zu sein. Das ist etwas, das sich auch auf den Umgang mit Menschen überträgt, wenn man es pädagogisch gut aufarbeitet. Es kann im Vorfeld aber auch Unsicherheiten geben, damit muss man respektvoll umgehen. Wenn eine Schülerin oder ein Schüler Angst hat, bleibt der Hund erstmal an der Leine oder in einer Box, und beide werden langsam aneinander herangeführt.

  • E&W: Zwingend erforderlich ist aber immer die Genehmigung der Schulleitung?

Agsten: Es gibt in den Bundesländern keine gesetzlichen Regelungen dazu. Aber wenn man bei den Ministerien nachfragt, heißt es immer: Die Schulleitung entscheidet.

  • E&W: Gibt es Hunde, die besonders geeignet sind?

Agsten: Das würde ich nicht an Rassen festmachen. Wichtig ist, dass das Tier zur Besitzerin, zum Besitzer passt. Lehrkraft und Schulbegleithund müssen ein gutes Team sein. Die Kommunikation zwischen Mensch und Hund wird auch in den Weiter- und Fortbildungen gelernt und gefördert.

  • E&W: Wie sehen diese Weiter- und Fortbildungen formal aus?

Agsten: Wir empfehlen mindestens 60 Stunden Weiterbildung im Zeitraum eines Jahres, darauf aufbauend eine Fortbildung von mindestens 16 Stunden innerhalb von zwei Jahren. Verpflichtend sind diese Empfehlungen aber leider nicht.

  • E&W: Was kosten die Seminare und wer trägt die Kosten?

Agsten: Bei ColeCanido, hier bin ich tätig, kosten fünf Wochenendseminare rund 1.650 Euro. Viele Schulen bezahlen das mittlerweile aus ihrem Fortbildungstopf, viele Kolleginnen und Kollegen übernehmen die Kosten aber auch noch alleine. Die Finanzämter erkennen die Weiterbildungen bei der Steuererklärung jedoch an.

  • E&W: Wie viele Schulbegleithunde werden bundesweit derzeit eingesetzt?

Agsten: Ich habe in einem meiner Bücher mal die Zahl 2.000 genannt, aber ich bin überzeugt, es sind inzwischen weit mehr. Es gibt ja auch noch sogenannte Schulbesuchshunde von nicht-pädagogischen Besitzern und Organisationen, das sind sicher auch nochmal Tausende. 

Infos rund um Schulbegleithunde: gew.de/ew-6-23