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GEW in Bildung unterwegs

Hardtschule punktet mit individuellem Lerndesign

Die Hardtschule in Durmersheim ist seit fünf Jahren Gemeinschaftsschule. Dank eines durchdachten Konzepts gehört sie zu den TOP-20-Bewerbern für den Deutschen Schulpreis 2019. Wie gelang der Wandel?

GEW in Bildung unterwegs
Die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe (3.v.li.) und die Landesvorsitzende Doro Moritz (5.v.li.) besuchen die Hardtschule in Durmersheim. (Foto: David Matthiessen)

Ein breites Banner mit der Aufschrift „TOP 20“ flattert über dem Haupteingang der Hardtschule in Durmersheim. Der Termin für einen Besuch der GEW in der Gemeinschaftsschule bei Karlsruhe könnte kaum besser liegen. Genau einen Tag reicht die Bekanntgabe zurück, dass die Hardtschule zu den TOP-20-Bewerbern für den Deutschen Schulpreis 2019 gehört, der Vorbilder für Schulentwicklung auszeichnet. „Wir gratulieren Euch von ganzem Herzen“, begrüßen die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe und die baden-württembergische Landesvorsitzende Doro Moritz den Schulleiter Volker Arntz.

Die Hardtschule ist ein Beispiel dafür, wie Gemeinschaftsschule, eine noch junge Schulart im schulpolitisch eher konservativen Baden-Württemberg, gelingen kann. Seit fünf Jahren werden hier Schüler in ihrem individuellen Tempo und gemäß ihrem Lernniveau unterrichtet. Die Frage, die Marlis Tepe im Gepäck hat, liegt auf der Hand: „Wir wollen wissen, wie Ihr das geschafft habt, ein neues Konzept für Eure Schule auf die Beine zu stellen und erfolgreich umzusetzen.“

„Wir geben der Persönlichkeitsentwicklung einen hohen Stellenwert.“ (Volker Arntz)

Schulleiter Arntz erinnert sich an die Anfänge im Jahr 2011. Die damalige Werkrealschule stand vor der Wahl „zwischen abwickeln oder entwickeln“, wie er erzählt. Die Entscheidung für einen Neustart als Gemeinschaftsschule brachte den Vorteil mit sich, dass „wir alle vor denselben Problemen standen“. Aus dieser Verbundenheit heraus sei es gelungen, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Antrieb dabei war die Aussicht, als Gemeinschaftsschule ein eigenes Design entwickeln zu können. „Wir haben uns weg vom Faktenwissen und hin zum Anwendungswissen bewegt und geben auch der Persönlichkeitsentwicklung einen hohen Stellenwert“, beschreibt Arntz das Konzept. „Die Begeisterung der Lehrer kam damals auch bei uns Fünftklässlern an“, erinnert sich der Zehntklässler Felix, der zum ersten offiziellen Jahrgang der Gemeinschaftsschule gehört.

Doro Moritz zeigt sich vor allem vom Coach-System beeindruckt: Jedem Schüler wird ein Lehrer zugeordnet, mit dem er sich regelmäßig bespricht, in der Gruppe, bei Bedarf auch unter vier Augen. „Das hätte mir damals, als ich noch Schülerin war, auch gut getan“, sagt Moritz. „Ich war faul und unmotiviert, weil ich mich von den Lehrern nicht wahrgenommen fühlte.“

Lehrer entwickeln Lernlandschaften für alle

Um zu veranschaulichen, wie an der Hardtschule die Lehrinhalte entstehen, zeigt Arntz auf ein Scrum-Board - eine mit bunten Post-it-Zetteln gespickte Tafel, wie sie Projektmanager bei Google & Co verwenden. Lehrerteams entwickeln sogenannte  Lernlandschaften, die nach einer standardisierten Qualitätskontrolle allen Lehrkräften zur Verfügung stehen. Der viel beklagte Unterrichtsentfall ist hier kein Thema. Allerdings ist für viele neue Lehrer diese transparente Form von Teamarbeit gewöhnungsbedürftig. „Vom Studium her kennt man eher ein Dasein als Einzelkämpfer“, stellt der Biologielehrer Christoph Trauth fest.

Marlis Tepe interessiert aber auch, inwieweit der Teamgeist bei den Schülern gefördert wird: „An welcher Stelle findet in dieser individualisierten Lernkultur das soziale Lernen statt?“ Auch hierfür haben die Gestalter des Konzepts Raum gelassen. Denn das individualisierte Lernen findet nur in den Hauptfächern statt, wobei diese auch „Inputphasen“ vorsehen, in denen die Klasse zusammenkommt. In den Nebenfächern arbeiten die Schüler dagegen in Gruppen an Projekten.

„Veränderungsprozesse im Schulbereich benötigen Zeit und zusätzliche Kompetenzen.“ (Marlis Tepe)

Die beiden GEW-Vertreterinnen wandern im Anschluss an das Gespräch durch die Klassenräume und sind überrascht von der konzentrierten Atmosphäre. Annabelle aus der 5c zeigt Marlis Tepe ihr Lerntagebuch, in dem sie genau dokumentiert, woran sie an welchem Tag arbeitet. Obwohl gerade offiziell Englischunterricht stattfindet, schreibt ihr Mitschüler Mohammed noch seinen Mathe-Kompetenzcheck - eine Art Klassenarbeit, deren Termin der Schüler selbst bestimmen darf. Denn Selbstständigkeit und Eigenverantwortung gehen in der Hardtschule vor.

Nach diesem Besuch sehen sich Marlis Tepe und Doro Moritz darin bestärkt, insbesondere für Schulen, die im Umbruch sind, mehr Unterstützungsangebote zu fordern. „Die Landesregierungen haben oft nicht im Blick, dass Veränderungsprozesse im Schulbereich Zeit und zusätzliche Kompetenzen benötigen“, sagt Marlis Tepe. Das müsse auch in der Ausbildung berücksichtigt werden. „Sonst gibt es Widerstände“, warnt sie.