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Internationaler Austausch

Grenzen überwinden

Im Programm „Europa macht Schule“ stellen internationale Studierende ihr Land an deutschen Schulen vor – und beleben so den interkulturellen Austausch.

Die Rumänin Anda Maria Ionică studiert in Hannover Tiermedizin. Die 21-Jährige hat bereits vier Mal deutsche Schulen besucht und den Kindern ihr Heimatland vorgestellt. Darunter die 4. Klasse der Regenbogenschule Seelze (Niedersachsen) mit deren Klassenlehrerin Gabi Linke (re.). (Foto: privat)

Der Kugelschreiber, der Fallschirm und der Fingerabdruck – alles Erfindungen aus ihrem Heimatland, erklärt die kroatische Studentin Josipa den Schülerinnen und Schülern der Otto-Steiner-Schule in München. Mit dem Inder Romal tauchen die Jugendlichen des Gymnasiums am Kattenberge in Buchholz in der Nordheide in die indische Literatur ein. Und dass es im August in Valencia immer eine Tomatenschlacht gibt, erfahren Schülerinnen und Schüler der Europaschule Herzogenrath von dem Spanier Francisco.

Hinter dem interkulturellen Austausch steht das Programm „Europa macht Schule“ (EmS) des gleichnamigen Vereins. Mehr als 2.500 internationale Studierende nahmen schon teil und brachten Kindern und Jugendlichen bundesweit in interaktiven Projekten ihr Land und ihre Kultur nahe. Die Studierenden lernen Deutschland so auch außerhalb der Hochschulen kennen, verbessern ihre Sprachkenntnisse und entwickeln pädagogische Kompetenzen. Koordiniert wird EmS vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) in Bonn. 

„Mich interessiert, was Menschen über Rumänien wissen und denken, und von Kindern bekommt man ehrliche Antworten.“ (Anda Maria Ionică)

Die Rumänin Anda Maria Ionică, die in Hannover Tiermedizin studiert, besuchte bereits vier Mal deutsche Schulen. In der 1. Klasse der Grundschule Rosa Parks in Hannover stellte sie den rumänischen Schulalltag vor. Einer 5. Klasse des Gymnasiums Lehrte bei Hannover schilderte sie das Leben auf dem Dorf in Rumänien. „Ich wollte den Kindern die eng mit der Natur verbundenen Traditionen näherbringen“, sagt sie. Gemeinsam bastelten sie zudem Figuren in Trachten.

Mit der 4. Klasse der Regenbogenschule Seelze in Niedersachsen unternahm Anda Maria mittels Karten, Flaggen und Videos eine Schifffahrt durch die Länder entlang der Donau. „Ich wollte zeigen, dass der Fluss Deutschland und Rumänien verbindet.“ Sie bauten Schiffe aus Papier und malten Tiere, die am Wasser leben. „Mich interessiert, was Menschen über Rumänien wissen und denken“, sagt die 21-Jährige, „und von Kindern bekommt man ehrliche Antworten.“

„Auch eine deutsche Lehrerin könnte zu Rumänien recherchieren und etwas erzählen, aber das ist nicht das Gleiche, der Austausch ist nicht so authentisch.“

Die Lehrkräfte ließen Anda Maria Freiraum bei der Auswahl der rund dreistündigen Projekte, halfen aber dabei, Ideen zu filtern und berieten, was pädagogisch-didaktisch zum Thema passt. Rückblickend sagt die Studentin: „Auch eine deutsche Lehrerin könnte zu Rumänien recherchieren und etwas erzählen, aber das ist nicht das Gleiche, der Austausch ist nicht so authentisch.“ Im Herbst geht sie für ein Semester nach Wien, dort will sie ein ehrenamtliches EmS-Standortteam gründen und andere internationale Studierende betreuen.

Der europäische Gedanke lebt wieder auf

Die Italienerin Rebecca und der Holländer Jacob waren in einer 7. bzw. 9. Klasse der Wilhelm Busch Schule im rheinland-pfälzischen Wissen, einer Förderschule mit Schwerpunkt Lernen, zu Gast. Rebecca buk mit den Schülerinnen und Schülern einen florentinischen Kuchen und zeigte, wie man Masken für den Karneval in Venedig bastelt. Jacob erklärte, welche Unterschiede es im sozialen Miteinander in Deutschland und den Niederlanden gibt – etwa, dass die Kinder und Jugendlichen dort ihre Lehrer duzen. Die Klasse spielte entsprechende Szenen nach.

„Ich fand die Idee toll, dass jemand aus einem anderen Land zu uns kommt und die Kinder verschiedene Nationalitäten kennenlernen“, sagt die Förderschullehrerin Jutta Michail. Denn die meisten Familien ihrer Schülerinnen und Schüler machen selten Urlaub im Ausland. „Ich finde es wichtig, dass der europäische Gedanke wieder auflebt. Und dass unsere Kinder sehen, dass es Menschen gibt, die eine andere Sprache sprechen, aber genauso sind wie wir.“

„Sie nehmen dabei viel mehr mit als in meinem Erdkundeunterricht.“ (Jutta Michail)

Bei einem Vortreffen entwickelte Michail zusammen mit den Studierenden Projekte, die zum Förderschwerpunkt passten und bei denen die Klassen aktiv mitmachen konnten. „Die Kinder waren begeistert und haben den Studierenden Löcher in den Bauch gefragt“, erzählt die Pädagogin. „Sie nehmen dabei viel mehr mit als in meinem Erdkundeunterricht.“

Nach dem Projekt kamen dann Fragen wie: Können wir mal jemanden aus Polen, Russland, England oder Frankreich einladen? Oder: Wann machen wir einen Ausflug nach Italien? Eine Bestätigung für die Lehrerin: „Ich möchte die Idee des Reisens in den Kopf setzen. Die Kinder sollen im Kopf eine Grenze überwinden. Wir bauen so auch die Angst vor dem Fremden ab.“ Denn bei Schulausflügen hat Michail schon beobachtet: „Das Unbekannte verunsichert sie.“

Der Aufwand, als Lehrerin an EmS teilzunehmen, sei gering. Nach dem ersten persönlichen Treffen läuft alles telefonisch oder schriftlich. „Danach kommt der Student oder die Studentin für einen Tag in den Unterricht. Das ist niederschwellig, hat aber einen großen Effekt.“

Neue Programmlinie „Back to School“

Seit dem Programmjahr 2022/23 gibt es neben EmS die Programmlinie „Back to School“ (BtS): Deutsche Studierende, die ein Auslandssemester oder -praktikum absolviert haben, besuchen eine Schule, stellen ihr Gastland vor und lassen die Schülerinnen und Schüler an ihren internationalen Erlebnissen teilhaben.

Der Maschinenbau-Student Michael Zenger, der an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin studiert und jetzt seine Masterarbeit schreibt, machte 2022 in einem Forschungslabor in Florianópolis in Brasilien ein Praktikum. Zurück in Berlin wurde er auf BtS aufmerksam. Er bewarb sich – weil es einfach und unbürokratisch war, und „weil ich meine Erfahrungen so selbst nochmal reflektieren konnte“. Außerdem wollte er andere junge Leute motivieren, auch ins Ausland zu gehen. „Man lernt so viel für die eigene Entwicklung“, betont der 26-Jährige, der während des Bachelor-Studiums bereits in Seoul in Südkorea war.

„Ich habe so selbst nochmal viel über das Land gelernt.“  (Michael Zenger)

Michael besuchte die Berufliche Oberschule Regensburg, an der er sein Fachabitur abgelegt und noch Kontakt zu einem Lehrer hatte. Sein Projekt „Arbeiten und Leben in Brasilien: Eine Einführung in die brasilianische Gesellschaft und Wirtschaft“ fand in zwei Unterrichtsstunden einer 12. Klasse im Fach International Business Studies statt. Thema war das Freihandelsabkommen zwischen den Mercosur-Staaten und der EU; damit schlug Zenger eine Brücke zu Europa.

„Das war kein einfaches Thema, aber die Schülerinnen und Schüler sollten aktiv mitarbeiten – und über das Abkommen kann man gut diskutieren“, sagt er. In sein Projekt flossen zwar eigene Erfahrungen ein, die harten Fakten musste sich der Student aber erarbeiten. „Ich habe so selbst nochmal viel über das Land gelernt.“ 

Die Anmeldung für „Europa macht Schule“ startet ab September 2023. Der Programmablauf kann in einem oder zwei Semestern erfolgen. Teilnehmen können Lehrkräfte aller Schulklassen und -formen von Grund- über Förder- und Hauptschulen bis zu Gymnasien und Berufskollegs sowie internationale Studierende, die an einer deutschen Hochschule immatrikuliert sind.

Deutsche Studierende, die an „Back to School“ teilnehmen möchten, können sich ebenfalls ab September anmelden. Anschließend nehmen sie Kontakt zur Schule auf und stimmen mit der Lehrkraft das Projektthema, den Termin und die Klassenstufe ab.

Hier geht es zu den Anmeldungen.