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Mitbestimmung in Bildungseinrichtungen

Gemeinsamer Einsatz macht stark

Beispiele aus der Praxis zeigen: Auch an Volkshochschulen (VHS), wo überwiegend freiberufliche Beschäftigte unterrichten, ist Mitbestimmung möglich, wenn sich engagierte Lehrkräfte zusammenschließen.

VHS-Dozentinnen und -Dozenten haben in den vergangenen Jahren einige Erfolge bei der Mitbestimmung erzielt. (Foto: IMAGO/Shotshop)

Seit ihrer Gründung vor 25 Jahren hat die VHS-Dozent*innen-Vertretung in Berlin immer wieder Verbesserungen für die VHS-Lehrkräfte in der Stadt durchgesetzt – von einer jährlichen Erhöhung der Honorare analog zu den Lohnsteigerungen bei den Landesangestellten bis hin zu Zahlungen im Krankheitsfall für arbeitnehmerähnliche (also wirtschaftlich von der VHS abhängige) Lehrende. Zwar scheiterte 2017 die Forderung nach einem Tarifvertrag, weil die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) dem Land Berlin entsprechende Verhandlungen untersagte.

Dessen ungeachtet konnte die Interessenvertretung gemeinsam mit ver.di aber vor einigen Monaten einen weiteren Erfolg verbuchen: Nach langen Gesprächen mit dem Berliner Senat einigten sich die Verhandlungsparteien auf ein Gesamtpaket, das noch einmal zu deutlichen Verbesserungen sowohl in der Vergütung als auch in der sozialen Absicherung führte. Zudem erhalten künftig alle VHS-Lehrkräfte in Berlin einen unbefristeten Rahmenvertrag, der zwar aktuell noch nicht viel mehr als eine leere Hülle ist, aber ein möglicher Einstieg für mehr Absicherung werden könnte.

„Wir sind mittlerweile als Gesprächspartner in der Politik und bei VHS-Leitungen anerkannt.“ (Mira Köller)

„Auch wenn wir keinen offiziellen Status haben: Wir sind mittlerweile als Gesprächspartner in der Politik und bei VHS-Leitungen anerkannt“, meint Mira Köller, die sich seit fünf Jahren in der Dozent*innen-Vertretung engagiert und an der VHS Pankow Deutsch als Zweitsprache unterrichtet. Aktuell besteht die Vertretung aus elf Mitgliedern, die sich für die Interessen der insgesamt rund 4.000 Lehrkräfte (davon 900 arbeitnehmerähnliche) an den zwölf Volkshochschulen der Stadt einsetzen.

Auch im kürzlich in Kraft getretenen Berliner Erwachsenenbildungsgesetz spiegelt sich ihre Arbeit wider: So ist dort unter anderem festgeschrieben, dass es künftig an jeder VHS Kursleitendenvertretungen geben soll. „Und wir haben eine Bemühenszusage des Senats, die arbeitnehmerähnlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes ins Berliner Personalvertretungsgesetz einzubeziehen“, sagt Köller. „Das wäre ein großer Fortschritt, weil wir dann auch bei offiziellen Verhandlungen unsere Interessen einbringen könnten.“

Festanstellung als Ziel

In Nordrhein-Westfalen (NRW) ist das bereits seit mehreren Jahren der Fall, zumindest in der Theorie: Dort haben laut Landespersonalvertretungsgesetz auch arbeitnehmerähnliche Beschäftigte das Recht, den Personalrat ihrer jeweiligen Dienststelle mit zu wählen sowie sich selbst zur Wahl zu stellen. „Das Problem ist: Vielen Dozentinnen und Dozenten und selbst vielen Personalräten ist das überhaupt nicht bekannt“, berichtet Barbara Simoleit, Fachbereichsleiterin für Deutsch als Fremdsprache an der Bergischen VHS und Mitglied des Leitungsteams der GEW-Bundesfachgruppe Erwachsenenbildung.

„Außerdem gibt es in manchen Kommunen Personalräte, die das Gesetz zwar kennen, sich aber für die Belange der VHS-Lehrkräfte trotzdem nicht zuständig fühlen.“ Grundsätzlich sei es im Sinne der Mitbestimmung natürlich positiv, dass es eine solche gesetzliche Regelung gebe – sie dann auch in der Praxis durchzusetzen, sei aber noch einmal eine andere Sache.

Aus Sicht der Gewerkschafterin wäre es wichtig, möglichst viele der freiberuflichen Honorarkräfte in Festanstellungen zu bringen, um ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern und sie mit einklagbaren Rechten zu versehen. Da es je nach Bundesland unterschiedliche Trägermodelle für die Volkshochschulen gebe, lasse sich das allerdings nicht bundesweit einheitlich regeln. Anders sehe das bei den Dozentinnen und Dozenten von Integrationskursen für Zugewanderte aus, da diese vom Bund finanziert würden: „Darum fordert die GEW schon seit Jahren, in einem ersten Schritt zumindest diesen Lehrkräften nicht nur ein leistungsadäquates Mindesthonorar zu garantieren, sondern auch langfristige Festanstellung“, erläutert Simoleit.

Volkshochschulen sind aufgeschlossen

Der Deutsche Volkshochschul-Verband (DVV) als Dachverband der VHS-Landesverbände zeigt sich dem Thema Mitbestimmung gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen. „Wir begrüßen die Selbstorganisation freiberuflich tätiger Kursleitender ausdrücklich“, betont Verbandsdirektorin Julia von Westerholt. So könnten Interessenvertretungen unter anderem Fortbildungsbedarfe von Kursleitenden aufzeigen oder Schwachstellen in der räumlichen und technischen Ausstattung identifizieren. Darüber hinaus setze sich der DVV für bundeseinheitliche Regelungen insbesondere zur sozialen Absicherung der Dozentinnen und Dozenten ein: „Denn sie sind das Rückgrat des Weiterbildungsbetriebs an den Volkshochschulen“, so von Westerholt.

Regelungen zur institutionalisierten Mitbestimmung freiberuflicher Lehrkräfte könnten im Bildungsföderalismus indes bislang nur auf Länderebene getroffen werden, da Bundesgesetze zur Organisation betrieblicher Mitbestimmung derzeit ausschließlich Festangestellte berücksichtigten.

„Wir dürfen nicht warten, dass Mitbestimmung institutionell oder gesetzlich geregelt wird. Wir müssen sie aktiv einfordern.“ (Hajo Kuckero)

Da es in vielen Bundesländern allerdings keine landesweiten Regelungen gebe, seien sowohl Honorare und eventuelle Sozialleistungen als auch die Mitbestimmung freiberuflicher Lehrkräfte fast ausnahmslos in kommunalen Satzungen geregelt, erläutert von Westerholt. So auch in Bremen. An der dortigen VHS gibt es schon seit mehr als 20 Jahren eine Mitbestimmungsordnung – die dem Kursleiterrat allerdings auf dem Papier nicht viel mehr erlaubt, als Informationen einzufordern und Stellungnahmen abzugeben. Trotzdem ist es der Interessenvertretung vor zwei Jahren durch engagierten Einsatz gelungen, mit der VHS-Leitung und der Bremer Politik eine Rahmenvereinbarung auszuhandeln, die eine schrittweise Erhöhung der Honorare für die knapp 1.000 freiberuflichen Lehrkräfte vorsieht und den Arbeitnehmerähnlichen unter ihnen Zuschüsse zur Renten- und Krankenversicherung zusichert.

Und als wegen der Corona-Pandemie die VHS zwischenzeitlich ihre Pforten schließen musste, setzte der Kursleiterrat innerhalb weniger Tage Ausfallhonorare für die Dozentinnen und Dozenten durch. Für dessen Sprecher Hajo Kuckero macht dies deutlich: „Wir dürfen nicht warten, dass Mitbestimmung institutionell oder gesetzlich geregelt wird. Wir müssen sie aktiv einfordern.“