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Fair handeln lernen

Faire Schülerunternehmen sensibilisieren Jugendliche für einen gerechten Handel ohne Kinderarbeit und Ausbeutung. Doch wie gründet man am besten eine faire Firma? Worauf müssen Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte achten?

Richard Schnegelsberg engagiert sich bei der „Fair Trade Company Knechtsteden“ des Norbert-Gymnasiums. Foto: Gilbert Geister

Wenn es zur großen Pause klingelt, ist die Ess-Bar der Limesschule schnell von Schülerinnen und Schülern umgeben. Der Pausenverkauf von „Snack Attack“, der Schülerfirma, ist ein beliebter Treffpunkt: Fair gehandelte Cola, Maniok-Chips, Schokoladenriegel oder Nüsse kommen bei den Haupt- und Realschülern im hessischen Idstein gut an.

Die Verkäufer – Neunt- und Zehntklässler – arbeiten in Schichten. Rund 2.000 Euro Umsatz macht „Snack Attack“ im Jahr. „Das ist relativ gering“, sagt Lehrer Björn Vinx. „Aber darum geht es auch nicht – sondern darum, dass sich die Kinder und Jugendlichen mit den Themen Fairer Handel und Kinderarbeit auseinandersetzen.“ Zu erfahren, wie minimal der Anteil eines 120 Euro teuren Nike-Turnschuhs ist, der in den Produzentenländern bleibt, „macht fast jeden Schüler betroffen“.

Über Schülerfirmen sollen die jungen Leute schon früh Wirtschaftskreisläufe verstehen lernen sowie selbst Geschäftsideen entwickeln und umsetzen. Die einen verkaufen Pausenbrote, betreiben ein Schulcafé oder machen Catering. Andere bedrucken T-Shirts, stellen Werbeartikel her, geben Computerkurse für Senioren oder halten als Bio-Imkerei Bienen. Viele Schülerfirmen widmen sich bewusst dem Thema Fairer Handel. Sie vertreiben ausschließlich Produkte ohne Kinderarbeit. Diesen Trend beobachtet auch die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS). Sie berät Schülerfirmen und schreibt auf ihrer Homepage: „Wir alle müssen daran denken: Mein heutiges Handeln hat Einfluss auf das Leben meiner Kinder und auf das Leben von Menschen in anderen Weltregionen.“

„Vieles wussten wir schon. Und doch haben uns die schlechten Bedingungen in der Produktion von Lebensmitteln oder IT geschockt – auch, weil viele dieser jungen Arbeiter nie eine Schule besuchen können.“ (Anne Gerl, Schülerin)

Das ist auch das Credo von Richard Schnegelsberg. „Wir sind durch die Schülerfirma einfach noch stärker für Probleme wie unfaire Handelsbeziehungen und Kinderarbeit bei der Herstellung unserer Alltagsgüter sensibilisiert worden“, sagt der 16-Jährige. Er ist Mitglied der „Fair Trade Company Knechtsteden“, der Schülerfirma des Norbert-Gymnasiums (NGK) der Stadt. „Vieles wussten wir schon“, sagt seine Mitschülerin Anne Gerl. „Und doch haben uns die schlechten Bedingungen in der Produktion von Lebensmitteln oder IT geschockt – auch, weil viele dieser jungen Arbeiter nie eine Schule besuchen können.“ Vor solchen Missständen, sagt die 18-Jährige, „kann keiner die Augen verschließen“.

Zuerst hat das Team des NGK einen FAIR-o-mat aufgestellt: einen Snackautomaten, in dem nur fair Gehandeltes steckt. Dann über die Cafeteria faire Pfefferminzbonbons verkauft. Inzwischen hat die Schülerfirma ihren eigenen Fairtrade-Kaffee auf den Markt gebracht. Diesen „Knechtsteden Café“ verkauft sie auch im Weltladen in Dormagen oder in der Touristeninfo, getrunken wird er zudem bei einigen Gastronomen und während der Stadtratssitzungen.

Wichtig sei, dass die Schülerinnen und Schüler „ohne den erhobenen moralischen Zeigefinger“ agieren, findet Lehrer Vinx von „Snack Attack“. „Wir halten den Jugendlichen ihren Konsum nicht vor, aber wir reden mit ihnen darüber, wie Lieferketten oder Handelsbeziehungen aussehen und was die sozialen Folgen sind.“ Das, sagt er, „kann und muss Schule leisten“.

„Ein Anwalt hat uns beraten, was juristisch zu beachten ist – die Schüler sind ja minderjährig und nehmen nicht wenig Geld in die Hand.“ (Björn Vinx, Lehrer)

Die Initiatoren einer Schülerfirma sollten das Projekt gut planen. Gründung und kontinuierliche Begleitung sind zeitaufwändig. Vielerorts fehlten Beraterinnen und Berater, die den Schülern bei unternehmerischen Fragen zur Seite stehen, kritisiert die DKJS. Zu klären sei etwa, wen die jungen Menschen mit an Bord nehmen wollten, etwa aus der Privatwirtschaft. Was mit dem Gewinn geschieht. Dieser liegt im Falle der Limesschule bei etwa 5 bis 10 Prozent. „Davon kaufen wir Plakate und Unterrichtsmaterial“, sagt Lehrer Vinx. Auch die Macher von „Snack Attack“ haben sich im Vorfeld gut informiert. „Ein Anwalt hat uns beraten, was juristisch zu beachten ist – die Schüler sind ja minderjährig und nehmen nicht wenig Geld in die Hand“, gibt Vinx zu bedenken. „Wichtig ist zudem, Eltern und Schulleitung mit ins Boot zu holen – auch, um sich abzusichern.“ Hat bei der Verpflegung an der Schule ein privater Anbieter das Verkaufsmonopol, kann es für eine faire Schülerfirma schwierig werden.

Die Waren beziehen die Fair-Trade-Schülerfirmen über Importeure wie El Puente, dwp oder Gepa sowie über Weltläden. Neun von zehn Weltläden arbeiteten mit Jugendgruppen und Schulen zusammen, so Saskia Führer vom Weltladen-Dachverband. Der Verein bietet auch Hintergrundmaterial für den Start eines Schul-Weltladens an, vernetzt Schulen und Weltläden vor Ort.

Beim Einkauf der Produkte sollten die Schülerfirmen unbedingt auf seriöse soziale Siegel der Anbieter achten, rät Stefan Niethammer, Geschäftsführer von 3Freunde – seine Firma liefert fair erzeugte Shirts und Kapuzen-Pullis an viele Schülerfirmen. Wichtig sei, dass Schülerfirmen auch darauf achten, dass die Finanzierung der von ihnen gekauften und dann weiterverkauften Produkte gesichert ist – etwa über einen Förderverein, so Niethammer: „Dann passiert es auch nicht, dass eine Schülerfirma auf T-Shirts sitzenbleibt, weil sie 200 bestellt hat, aber nur 100 verkaufen konnte – und die Mehrkosten tragen muss.“