Abschlussbericht „Demokratie und Bildung“
„Demokratiebildung gehört auf die Agenda“
Eine Kommission der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung präsentiert Vorschläge, wie sich an Schulen schon ab der 1. Klasse Demokratie und Mitbestimmung einüben lassen.
Portugals Schulen haben einen Sonderetat, mit dem sich Demokratie lernen lässt. Er umfasst einen Euro pro Schülerin und Schüler - und diese entscheiden gemeinsam, wie das Geld einzusetzen ist. Dabei lernten die jungen Leute, „dass es auch andere Standpunkte gibt“ und übten „Kompromissfähigkeit“. Professor Andreas Schleicher, als OECD-Direktor verantwortlich für die PISA-Studien, erläuterte an diesem Beispiel, wie politische Bildung an Schulen aussehen kann.
„Demokratiebildung braucht Autonomie“
Schleicher gehört zur Kommission „Demokratie und Bildung“ der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, deren Mitglieder in Berlin ihren Abschlussbericht präsentierten. Unter der Überschrift „Mehr und besser. Vorschläge für eine Demokratiebildung von morgen“ enthält der Bericht acht Empfehlungen. „Demokratiebildung gehört auf die Agenda der Bundesregierung“, lautet eine. „Demokratiebildung braucht Autonomie“, heißt eine weitere. Zum „Bildungsziel des mündigen Bürgers“ führten laut Abschlussbericht „unterschiedliche Wege“, die in der Umsetzung von Lehrplänen und in der Schulkultur vor Ort „individuell realisiert werden“.
Mit der Wirtschaft kooperieren
Kommissionsleiterin Ingrid Hamm, ehemals Geschäftsführerin der Robert-Bosch-Stiftung, betonte: Schulen müssten mit „Zivilgesellschaft und der Wirtschaft“ zusammenarbeiten. Nur wenn sich Schulen öffneten, so der Bericht, könnten sie „Begegnungen und Engagement ermöglichen und einfordern“.
„Demokratiescouts“ an Schulen
Die Kommission empfiehlt ferner, „Demokratiescouts“ an Schulen zu finanzieren. Deren Aufgabe sei, die „Schnittstelle zu den vielfältigen außerschulischen Angeboten der Zivilgesellschaft“ zu managen. Mirko Meyerding, Schulleiter der Gesamtschule Ebsdorfer Grund bei Marburg/Lahn, befasste sich mit der Frage: „Wie bekommen wir gute Praxis in die Breite?“. Er verwies auf die Beispiele für schulische Demokratiebildung, die von der Kommission in einer Broschüre namens „Toolbox Demokratiebildung“ zusammengetragen wurden. Meyerding empfahl, die beteiligten Schulen zu vernetzen.
„Wir brauchen ein Demokratie-PISA.“ (Ludger Wößmann)
Professor Ludger Wößmann, Bildungsökonom an der Uni München, machte sich stark für die Einführung von Bildungsstandards. Festzulegen sei, welche Ziele die Bundesländer bei der Demokratiebildung verfolgen müssten. Anschließend gelte es zu messen, in welchem Maße die Ziele erreicht wurden. „Wir brauchen ein Demokratie-PISA“, fasste Wößmann zusammen.
Linda Teuteberg, FDP-Bundestagsabgeordnete, plädierte für persönliche Kontakte zwischen Schüler*innen und Akteuren der politischen Praxis. Etwa durch gemeinsame Diskussionsveranstaltungen. Damit junge Leute über Gesetzgebungsverfahren lernten, „was stecken für Abwägungen und Kompromissfindungsprozesse dahinter“.
Mehr Ressourcen seien nicht nötig
Elisabeth Niejahr, bei der Hertie-Stiftung für den Bereich „Demokratie stärken“ verantwortlich, erklärte: Demokratiebildung an Schulen zu fördern, gehe nicht zwangsläufig zu Lasten von Deutsch, Mathematik oder Englisch. Das zeige die Empirie. „Weil eine Schule, die eine demokratische Lernkultur hat, oft gut geeignet ist, auch andere Ziele zu verfolgen.“ Mehr Geld bereit zu stellen, sei nicht erforderlich, glaubt Professor Andreas Schleicher. „Wir sind überzeugt: Die Empfehlungen hier, die kann man mit dem gegenwärtigen Ressourcen gut umsetzen.“