Bericht zum Ausbau des Ganztags
Bundesweit 470.000 zusätzliche Plätze benötigt
Bis zur Einführung des Rechtsanspruches auf Ganztagsbetreuung im Schuljahr 2026/27 werden bundesweit etwa 470.000 zusätzliche Plätze benötigt. Die Bundesregierung müsse die Kommunen beim Ausbau unterstützen, betont die GEW.
Beim Ausbau des Ganztags an Grundschulen klaffen aktuelles Angebot und künftiger Bedarf weiter stark auseinander. Laut erstem Bericht der Bundesregierung über den Ausbaustand der Bildungs- und Betreuungsangebote besuchen derzeit rund 1,7 Millionen bzw. 55 Prozent der Kinder im Grundschulalter Ganztagsschulen oder Hortangebote. Um den ab dem Schuljahr 2026/27 geltenden Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung zu erfüllen, sind bundesweit jedoch etwa 470.000 Plätze mehr nötig.
„Das bisherige Ausbautempo genügt folglich nicht, um die Bedarfe zukünftig zu decken. Dies gilt vor allem für die westdeutschen Länder.“ (Bericht zum Ausbaustand der ganztägigen Bildungs- und Betreuungsangebote für Grundschulkinder nach § 24a SGB VIII)
Dem Bericht zufolge müssen die durch den Bund unterstützten Ausbaubemühungen der Länder und Kommunen deutlich verstärkt werden. Bundesweit müssten ungefähr 95.000 Plätze pro Schuljahr zusätzlich geschaffen werden. Das seien deutlich mehr als in der Ausbauphase zwischen 2005/2006 und 2019/2020, in der durchschnittlich 75.000 Plätze pro Schuljahr hinzukamen. „Das bisherige Ausbautempo genügt folglich nicht, um die Bedarfe zukünftig zu decken. Dies gilt vor allem für die westdeutschen Länder“, bilanzieren die Autorinnen und Autoren.
Kritische Punkte klar benennen
Unklar ist unterdessen die tatsächliche Inanspruchnahme der Angebote. Entsprechend heißt es im Fazit der Analyse: „Die statistische Erfassung der Inanspruchnahme von (ganztägigen) Bildungs- und Betreuungsangeboten durch Kinder im Grundschulalter muss durch eine zügige Umsetzung der GaFöG-Statistik dringend verbessert werden. Auf Grundlage der derzeit verfügbaren Statistiken lassen sich der Bestand an und die Inanspruchnahme von (ganztägigen) Bildungs- und Betreuungsangeboten für Kinder im Grundschulalter nur näherungsweise abbilden.“
„Das Feld ist enorm heterogen, die Unterschiede zwischen Ost und West sind komplex, und die Datenlage für den Ausbau ist mangelhaft.“ (Doreen Siebernik)
Doreen Siebernik, GEW-Vorstandsmitglied Jugendhilfe und Sozialarbeit, sagte: „Der Bericht zeigt erneut auf, worauf wir als Teil der Zivilgesellschaft seit langem hinweisen. Das Feld ist enorm heterogen, die Unterschiede zwischen Ost und West sind komplex, und die Datenlage für den Ausbau ist mangelhaft. Es ist gut, dass die Bundesregierung nun endlich den ersten Bericht vorlegt, und es ist bedeutsam, dass dieser die kritischen Punkte klar benennt.“
GEW: Kommunen bedarfsgerecht unterstützen
Die Bundesregierung sieht nun offenbar die Länder am Zuge. Der Bund unterstütze diese durch das Investitionsprogramm Ganztagsausbau mit 3,5 Milliarden Euro und beteilige sich künftig auch dauerhaft an den Betriebskosten des Ganztags, sagte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). „Länder und Kommunen sollten die Investitionsmittel jetzt nutzen, um den Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote weiter voranzutreiben.“
„Erst wenn die Finanzmittel nach tatsächlichen Bedarfen verteilt werden und jene, die mehr brauchen, auch mehr bekommen, schaffen wir bundesweit Chancen für Kinder, unabhängig von ihrer Postleitzahl.“ (Doreen Siebernik)
Für die GEW ist es derweil wichtig, die Kommunen gezielt zu unterstützen. „Erst wenn die Finanzmittel nach tatsächlichen Bedarfen verteilt werden und jene, die mehr brauchen, auch mehr bekommen, schaffen wir bundesweit Chancen für Kinder, unabhängig von ihrer Postleitzahl“, sagte Siebernik. Zugleich plädierte sie für eine enge Kooperation aller Akteurinnen und Akteure. „Der Blindflug beim Ausbau ist die große Unbekannte im Bericht der Bundesregierung. Es wird spätestens jetzt klar, wir brauchen ein neues Miteinander zwischen Bund, Ländern und Kommunen.“
Die Bildungsgewerkschaft hat 15 Eckpunkte erarbeitet, die Qualitätsstandards für einen guten und zukunftsfesten Ganztag formulieren.
- Mehr Zeit für eine inklusive Pädagogik sichern
- Gemeinsames Bildungsverständnis erarbeiten
- Demokratie mit Leben füllen
- Gute und kostenfreie Verpflegung sicherstellen
- Gemeinsam geplante und gestaltete Lern- und Lebensräume entwickeln
- Netzwerke im Sozialraum nutzen und ausbauen
- Gute Arbeits- und Rahmenbedingungen für alle Beschäftigten im Ganztag
- Multiprofessionelle Teams als Motor der Ganztagsentwicklung
- Qualität in Ausbildung, Qualifikation, Fort- und Weiterbildung
- Ganztagsgrundschulen fördern Chancengleichheit
- Datenbasierte Planungsgrundlage schaffen
- Ganztag nachhaltig und gerecht finanzieren
- Zukunftsorientierten rechtlichen Rahmen gestalten
- Begleitung, Orientierung und Vertrauen aufbauen
- Steuerungsebenen professionalisieren - Verzahnung und Kooperation etablieren
Über das Ganztagsförderungsgesetz
Mit dem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter soll die Betreuungslücke geschlossen werden, die nach der Kita für viele Familien entsteht, sobald die Kinder eingeschult werden. Das Ganztagsförderungsgesetz beinhaltet die stufenweise Einführung eines Anspruchs auf ganztägige Förderung für Grundschulkinder ab dem Jahr 2026: Ab August 2026 sollen zunächst alle Kinder der ersten Klassenstufe einen Anspruch darauf haben. Dieser soll in den Folgejahren um je eine Klassenstufe ausgeweitet werden, damit ab August 2029 jedes Grundschulkind der Klassenstufen 1 bis 4 Anspruch auf ganztägige Betreuung hat.
Der Rechtsanspruch sieht einen Betreuungsumfang von acht Stunden an allen fünf Werktagen vor. Die Unterrichtszeit wird angerechnet. Der Anspruch soll auch in den Ferien gelten, dabei können Länder eine Schließzeit bis maximal vier Wochen regeln. Eine Pflicht, das Angebot in Anspruch zu nehmen, gibt es nicht. Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder soll sowohl in Horten als auch in offenen und gebundenen Ganztagsschulen erfüllt werden.