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„Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“

Angriffe von rechts

Das Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ (SoR – SmC) engagiert sich seit über 25 Jahren gegen Ungleichheitsideologien und Diskriminierung – und wird damit zum Angriffsziel rechter Akteure.

Eine zentrale Rolle bei den Angriffen gegen das Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ spielt die AfD. Deren bildungspolitische Ausrichtung steht nicht nur konträr zu dem Anspruch des Netzwerks, sondern richtet sich prinzipiell gegen die Grundsätze liberaler Bildung. (Foto: mauritius images/Zoonar GmbH/Alamy)

Die im November 2021 erschienene Studie „Zivilgesellschaft unter Druck“ systematisiert jetzt die Anfeindungen der vergangenen fünf Jahre. Die Untersuchung misst der Alternative für Deutschland (AfD) eine zentrale Rolle bei und findet es naheliegend, „von einer Kampagne der AfD gegen das Courage-Netzwerk zu sprechen“. 

Im ganzen Bundesgebiet beteiligen sich rund 3.600 Schulen an dem Courage-Netzwerk und bekennen sich dazu, gegen alle Formen der Diskriminierung aktiv zu werden. Über seine mehr als 110 Koordinierungsstellen bringt das Netzwerk die Courage-Schulen mit über 300 Partnerorganisationen aus der Zivilgesellschaft zusammen. Mit ihrem Fachwissen unterstützen diese Klassen oder ganze Schulen dabei, vielfältige Aktionen, Veranstaltungen oder Exkursionen zu organisieren – und leisten so einen wichtigen Beitrag zur demokratischen Bildungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen.

„Wir lassen uns aber nicht unterkriegen und unterstützen uns gegenseitig in solchen Fällen.“ (Sanem Kleff)

Als Leiterin des Netzwerks ist Sanem Kleff schon oft Ziel rechter Anfeindungen geworden: „Ich bin seit Jahrzehnten öffentlich aktiv, und in der ganzen Zeit sind die Augen besonders auf mich gerichtet, schon allein wegen meiner Rolle als politisch aktiver Frau mit Migrationshintergrund.“ Aber nicht nur sie stehe im Fokus der Rechten, auch im schulischen Alltag gebe es immer wieder Angriffe, berichtet die Berlinerin. Besonders erschüttert ist sie davon, dass Schülerinnen und Schüler, die sich gegen Diskriminierung engagieren, beleidigt oder sogar verprügelt wurden. „Wir lassen uns aber nicht unterkriegen und unterstützen uns gegenseitig in solchen Fällen“, stellt Kleff klar. Sie betont, dass das Netzwerk gerade dann besonders eng zusammengerückt sei.

Kampagne der AfD

Nach den Gründen für die rechten Angriffe auf das Netzwerk gefragt verweist Dierk Borstel, der Autor der Studie, auf die gesellschaftliche Bedeutung von Erziehung und Bildung. „Es geht um einen symbolischen Kampf um die Schule, um die Frage danach, welche Werte und Normen dort gelebt und gelehrt werden sollen“, sagt der Dortmunder Professor. Eine zentrale Rolle in diesem Kampf spiele die AfD. Deren bildungspolitische Ausrichtung widerspreche nicht nur dem Anspruch des Netzwerks, sondern richte sich prinzipiell gegen die Grundsätze liberaler Bildung. Seine Studie kommt zu dem Schluss, dass der Druck auf das Courage-Netzwerk mit den Erfolgen der AfD „eine neue professionelle Qualität und Quantität“ erreiche.

Da die AfD inzwischen in allen Landesparlamenten und im Bundestag vertreten ist, kann sie dort Anfragen und Anträge stellen. Die Studie listet mehrere Beispiele auf, bei denen die Partei diese Möglichkeiten nutzte, um Akteurinnen und Akteure des Netzwerks zu verunglimpfen und deren politische und finanzielle Grundlagen anzugreifen. Borstel betont, dass es dabei nicht in erster Linie um den Erfolg solcher Anträge gehe. Deren Ziel sei, „den Ruf des Netzwerks zu vernichten und Unsicherheiten zu streuen“. Diese Strategie nennt die Studie Framing. „Negative Zuschreibungen“ würden dabei möglichst oft wiederholt, um „dem betroffenen Akteur die öffentliche Unterstützung und damit den gesellschaftlichen Rückhalt für sein Handeln zu entziehen“.

Fachliche Kritik willkommen

Laut Studie zeichnet sich das Framing der AfD durch zwei Hauptvorwürfe aus. Zum einen wird das Netzwerk regelmäßig in die Nähe zum Linksextremismus gerückt. Wenn man sie danach fragt, muss Kleff darüber schon fast lachen. Sie erzählt, dass als „Beweis“ dafür beispielsweise ihre langjährige Vorstandsarbeit in der Berliner GEW angeführt werde. Zum anderen wird immer wieder argumentiert, dass die Schule ein „politisch neutraler“ Ort zu sein habe. Das Netzwerk kontert mit der Kampagne #wirsindnichtneutral und betont, dass man bei Angriffen auf die Würde des Menschen nicht neutral bleiben dürfe.

Neben dem permanenten Druck von rechts untersucht die Studie auch linke und religiös motivierte Kritik am Courage-Netzwerk. Von dieser Seite seien zwar einzelne Aktionen oder Themensetzungen bemängelt worden, allerdings sei nicht das Bestehen des Netzwerkes in Frage gestellt worden, wie es von rechts zu beobachten sei. Zusätzlich wird das Netzwerk immer wieder aus wissenschaftlicher Perspektive kritisiert – auch von links. Die Studie stellt allerdings klar, dass es dabei um die Frage geht, wie und nicht ob der Rassismus bekämpft werden sollte. Diese Form der Kritik sei „klar von Versuchen des Framings zu unterscheiden“, stellt die Untersuchung fest.

„Solange wir die richtigen Gegner haben, wissen wir, dass wir das Richtige tun.“

Kleff betont, dass die fachliche Kritik von Pädagoginnen und Pädagogen im Netzwerk sehr willkommen sei. Gerade für die Arbeit vor Ort sei dieser Austausch immer wieder wertvoll. Auch die Studie geht darauf ein, dass der richtige Umgang mit der AfD an Schulen immer wieder für Diskussionen sorgt. Häufiger Streitpunkt ist, ob oder zu welchen Bedingungen Vertreterinnen und Vertreter der AfD zu schulischen Veranstaltungen eingeladen werden. Die Leiterin des Courage-Netzwerks sieht darin, auch angesichts der momentan diskutierten Absenkung des Wahlalters, die größte Herausforderung für die nächsten Jahre. Sie wünscht sich, dass in Zukunft stärker daran gearbeitet werde, Schulleitungen, Lehrkräfte, aber auch die Schülerinnen und Schüler besser auf diese Fragen vorzubereiten – sowohl organisatorisch als auch inhaltlich.

Borstel ist mit Blick auf die Ergebnisse der Studie vor allem davon überrascht, dass die Anfeindungen nicht mit konkreten Anlässen steigen und abebben, sondern permanent kommen. Er schließt daraus auf den symbolischen Gehalt der Angriffe, die offenbar vor allem eine Signalwirkung haben sollen: „Wir haben euch im Blick“, laute die Botschaft. Von diesen Einschüchterungsversuchen lässt sich Kleff aber nicht beeindrucken. Ihr Fazit zu der Expertise: „Solange wir die richtigen Gegner haben, wissen wir, dass wir das Richtige tun.“