Tarifvertrag zum Gesundheitsschutz
3.000 Lehrkräfte streiken in Berlin für kleinere Klassen
In Berlin sind die tarifbeschäftigten Lehrkräfte der staatlichen Schulen in den Warnstreik getreten. „Wir brauchen dringend einen Tarifvertrag zum Gesundheitsschutz, der einen Personalschlüssel festlegt", forderte GEW-Experte Daniel Merbitz.
Um einen Tarifvertrag mit einer Verkleinerung der Klassengrößen durchzusetzen, haben am Donnerstag rund 3.000 tarifbeschäftigte Lehrerinnen und Lehrer des Landes Berlin ganztägig die Arbeit niedergelegt. Die Streikenden trafen sich am Vormittag mit Transparenten am Potsdamer Platz und zogen mit einem kurzen Stopp am Abgeordnetenhaus, wo zeitgleich das Plenum tagte, zum Roten Rathaus in Berlin-Mitte. Bei der dortigen Abschlusskundgebung am Mittag sprach auch GEW-Vorstandsmitglied und Tarifexperte Daniel Merbitz.
„Wir fordern die Festlegung eines Mindestniveaus für die Ausstattung der Schulen mit Lehrkräften, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen und Schulpsychologinnen und Schulpsychologen für alle Schularten.“ (Daniel Merbitz)
„Wir fordern die Festlegung eines Mindestniveaus für die Ausstattung der Schulen mit Lehrkräften, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen und Schulpsychologinnen und Schulpsychologen für alle Schularten“, betonte Merbitz in seiner Rede. Für die notwendige Absenkung der Klassengrößen seien zusätzliche Stellen zu schaffen. Bisher geregelte Ermäßigungsstunden für besondere Aufgaben oder Belastungen dürften nicht reduziert werden.
„Auch die Schülerinnen und Schüler würden von kleineren Klassen enorm profitieren.“ (Tom Erdmann)
Die GEW Berlin verlangt den Abschluss eines Tarifvertrages zum Gesundheitsschutz, in dem das Verhältnis von Schülerinnen und Schülern zu Lehrkräften und damit die Klassengröße an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen verbindlich geregelt wird. „Unser Ziel ist, eine Verkleinerung der Klassen festzuschreiben und so durch eine geringere Arbeitsbelastung zum Gesundheitsschutz der Lehrkräfte beizutragen. Auch die Schülerinnen und Schüler würden von kleineren Klassen enorm profitieren“, erklärte Tom Erdmann, Vorsitzender der GEW Berlin.
Druck auf Arbeitgeber erhöhen
„Kleinere Klassen bedeuten weniger Lärm, weniger Vor- und Nachbereitung, weniger Korrekturen und mehr Zeit für Unterricht, Beziehungsarbeit, individualisierte Förderung“, betonte Anne Albers, Leiterin des Vorstandsbereichs Beamten-, Angestellten- und Tarifpolitik der GEW Berlin. Nicht alle Forderungen könnten angesichts des Personal- und Raummangels sofort umgesetzt werden. „Der Tarifvertrag soll aber in die Zukunft wirken und den Druck auf den Arbeitgeber erhöhen.“
Ein TV Gesundheitsschutz mit einem Stufenplan zur Verkleinerung der Klassen sowie künftig mögliche zusätzliche Einstellungen könnten auch „ein kräftiges Argument im Kampf gegen den Fachkräftemangel“ sein, sagte Udo Mertens, Leiter des Vorstandsbereichs Beamten-, Angestellten- und Tarifpolitik der GEW Berlin. Außerdem könne eine Entlastung der Lehrkräfte dazu führen, dass der Krankenstand sinke, weniger Pädagoginnen und Pädagogen frühzeitig aus dem Beruf ausschieden und weniger in Teilzeit gingen.
Berliner Pilotprojekt
Merbitz lobte den von Berlin ausgehenden Anstoß in seiner Rede als zentrales und wichtiges Pilotprojekt. „Die Berliner GEW hat sich auf den Weg gemacht, dieses Thema endlich anzugehen“, sagte er. „Denn diese Tarifauseinandersetzung hat einen Vorbildcharakter für andere Länder. Gelingt es hier, können wir auch woanders loslegen.“
Zudem verwies er auf das erfolgreiche Beispiel der Charité: Dort sei es der Schwestergewerkschaft Verdi gelungen, einen Tarifvertrag mit Personalbemessungsregelungen durchzusetzen – nach harten und zähen Verhandlungen und langen Streiks.
„Der Finanzsenator versteckt sich hinter der TdL.“ (Daniel Merbitz)
Die GEW Berlin hatte den damaligen Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) im Juni 2021 erstmals zu Verhandlungen für einen Tarifvertrag zum Gesundheitsschutz aufgefordert. Im Januar 2022 bekräftige der Landesverband dieses Anliegen gegenüber dem neuen Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne). Die Forderung wurde jedoch abgelehnt, obwohl sich zuvor alle drei Regierungsparteien in ihren Wahlprogrammen für kleinere Klassen ausgesprochen hatten.
Als Grund für die Ablehnung wurde auf den Arbeitgeberverband TdL, die Tarifgemeinschaft deutscher Länder, verwiesen, die gegen entsprechende Tarifverhandlungen sei. „Der Finanzsenator versteckt sich hinter der TdL“, kritisierte Merbitz.