Bilanz nach einem Jahr Bundesregierung
Was die Ampel-Koalition für die Bildung bedeutet
Das erste Jahr der Ampel-Koalition ist nach Ansicht der GEW kein gutes für die Bildung gewesen: Alle Bildungsbereiche seien weiter stark unterfinanziert, kritisiert die Vorsitzende Maike Finnern und fordert Investitionen von 100 Milliarden Euro.
Ein Jahr nach Antritt der Ampel-Regierung kritisiert die GEW eine fehlende Umsetzung der angekündigten Bildungsoffensive und bekräftigt ihre Forderung nach einem 100-Milliarden-Euro-Programm für Investitionen in alle Bildungsbereiche. „Die Bundesregierung ist mit großen Plänen für ein ‚Jahrzehnt der Bildungschancen‘ gestartet, auf diesem Weg aber bisher nur in Trippelschritten vorangekommen“, sagte die GEW-Vorsitzende Maike Finnern am Mittwoch in Frankfurt am Main. Das sei enttäuschend, auch wenn die Corona-Pandemie und der Angriff Russlands auf die Ukraine die Agenda der Koalitionäre stark belasteten.
Das 100-Milliarden-Euro-Programm soll nach den Vorstellungen der GEW über ein Sondervermögen finanziert werden. Von dem Geld soll auch ein auf zehn Jahre angelegtes Sanierungsprogramm für Bildungsgebäude finanziert werden, allein für Schulbauten beträgt der Investitionsstau rund 45 Milliarden Euro. Die weiteren Forderungen der Bildungsgewerkschaft betreffen das Ganztagsprogramm, das Kitaqualitätsentwicklungsgesetz, das Startchancenprogramm, das Wissenschaftszeitvertragsgesetz und den Pakt für berufliche Schulen.
„In allen Bildungsbereichen, insbesondere in Kitas und den Schulen, herrscht ein riesiger Fachkräftemangel, der alles überlagert und alle Herausforderungen verstärkt.“ (Maike Finnern)
Finnern monierte jedoch grundsätzlich: „Das Bildungssystem in Deutschland ist seit Jahrzehnten deutlich unterfinanziert – mit dramatischen Folgen. In allen Bildungsbereichen, insbesondere in Kitas und den Schulen, herrscht ein riesiger Fachkräftemangel, der alles überlagert und alle Herausforderungen verstärkt. Er stellt die Umsetzung gesellschaftlich notwendiger Schritte wie den Rechtsanspruch auf Ganztag an Grundschulen infrage. Die PISA- und IQB-Studien belegen beispielsweise, dass sich die Leistungen der Schülerinnen und Schüler verschlechtern.“ Damit sich der Bund stärker an der Finanzierung des Bildungswesens beteiligen könne, müsse das Kooperationsverbot in der Bildung endlich komplett gestrichen werden.
Mehr Chancengleichheit kostet mehr Geld
Mit Blick auf das Ganztagsprogramm betonte die GEW-Vorsitzende: „Der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz an Grundschulen hat höchste gesellschaftliche Bedeutung: Das Vorhaben soll einen Beitrag zu mehr Chancengleichheit leisten und für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sorgen.“ Dafür seien eine gute und verstetigte Ausfinanzierung des Projekts sowie die Bereitstellung der benötigten Fachkräfte unabdingbar. „Beide Voraussetzungen sind bisher nicht sichergestellt.“
Auch die Weiterentwicklung des „Gute Kita Gesetzes“ zum „Kitaqualitätsentwicklungsgesetz“, der zentrale Baustein in der frühkindlichen Bildung, stehe und falle mit einer guten und stetigen Kofinanzierung durch den Bund. „Hier sind die geplanten Gelder bei weitem nicht ausreichend.“
Die Bildungsgewerkschaft kritisiert zudem, dass das Startchancenprogramm der Bundesregierung gegen eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft erst im Schuljahr 2024/25 anlaufen solle. „Die Initiative kommt viel zu spät und steht unter einem Haushaltsvorbehalt“, sagte Finnern. Die Gelder müssten so gesteuert werden, dass sie dort ankämen, wo sie am meisten benötigt würden: bei den Schulen in schwierigen sozialen Lagen.
BAföG-Novellen unzureichend
„Auch im Hochschulbereich klafft eine Ist-Soll-Lücke. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz sollte umfassend reformiert werden, um ‚Dauerstellen für Daueraufgaben’ möglich zu machen“, betonte Finnern. Die GEW habe dafür die Blaupause geliefert.
Die beiden BAföG-Novellen der Bundesregierung griffen zu kurz. „Die Studierenden brauchen eine echte Strukturreform des BAföG mit diesen Eckpfeilern: Erhöhung der Sätze auf das steuerliche Existenzminimum von 1.200 Euro und regelmäßige Anpassungen, ein wirksamer Notfallmechanismus für alle Krisen, Senkung des Darlehensanteil des BAföG zu Gunsten eines Vollzuschusses, Angleichung der Förderungshöchstdauer an die tatsächliche Studienzeiten und Stärkung der Elternunabhängigkeit.“
Berufs- und Weiterbildung stärken
Forderungen erhob Finnern auch für die Berufs- und Weiterbildung. So müsse der geplante „Pakt für die beruflichen Schulen“ endlich angepackt werden. „Mit Blick auf den Fachkräftemangel müssen die beruflichen Schulen in die Lage versetzt werden, ihre Aufgaben im Rahmen der ‚Dualen Ausbildung‘ weiterzuentwickeln und zu verbessern.“
„Lebenslanges Lernen ist in dem Transformationsprozess, in dem sich die Bundesrepublik befindet, eine Grundvoraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und beruflichen Erfolg.“
In der Weiterbildung setzt die GEW auf die Fortsetzung der „Nationalen Weiterbildungsstrategie“ (NWS). „Lebenslanges Lernen ist in dem Transformationsprozess, in dem sich die Bundesrepublik befindet, eine Grundvoraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und beruflichen Erfolg“, betonte Finnern.