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Initiative „Bildung. Weiter denken!“

„Wir brauchen höhere Steuern“

Mechthild Schrooten, Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Bremen, über nicht eingelöste Investitionsversprechen im Bildungsbereich und Möglichkeiten, trotz einer Nichtverschuldungspolitik mehr Geld bereitzustellen.

Durch die Schuldenbremse werden notwendige Investitionen in Bildung und Forschung gehemmt. (Foto: imago images/Imagebroker)
  • E&W: Frau Professor Schrooten, auf dem Bildungsgipfel 2008 haben Bund und Länder versprochen, bis 2015 die Aufwendungen für Bildung und Forschung auf 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zu steigern, 7 Prozent für Bildung, 3 Prozent für Forschung. Wie sieht es mit diesem Versprechen heute aus?

Mechthild Schrooten: Belastbare Daten gibt es nur bis 2017. Die 3 Prozent für Wissenschaft und Forschung sind erreicht und sogar leicht überschritten worden. Nicht aber die 7 Prozent im Bereich Bildung. Dazu muss man aber auch sagen, dass überhaupt nie die Rede davon war, dass diese 10 Prozent vom Staat bereitgestellt werden. Darin enthalten sind auch die Ausgaben des Privatsektors etwa für Nachhilfe und des Auslands – beispielsweise für Forschungsaufträge an Hochschulen.

  • E&W: Über welchen Fehlbetrag sprechen wir?

Schrooten: Nimmt man die Differenz zu den 10 Prozent, dann ergibt sich seit 2015 jährlich ein Fehlbetrag in der Größen-ordnung von etwa 30 Milliarden Euro.

  • E&W: Welche Rolle spielt dabei die schwarze Null, die der Bundestag 2015 beschlossen hat und die besagt, dass der Staat nicht mehr ausgeben darf als er einnimmt?

Schrooten: Ich würde sagen, durch die schwarze Null wurde es begünstigt, dass man die öffentlichen Bildungsausgaben nicht so weit ausgebaut hat, wie man es hätte machen können. Sie ist zur Zielfunktion dieses Staates geworden und steht wie ein Hegemon über anderen Entscheidungen. Wir erleben eine klare Hierarchisierung der Politikbereiche: Die Finanzpolitik gibt vor, was in anderen Politikbereichen möglich ist.

  • E&W: Ist es richtig, dass der Staat in wirtschaftlich guten Zeiten versucht, sich nicht zu verschulden?

Schrooten: Es gibt nichts, das generell in allen Situationen gut ist. Wenn die Schulen bröckeln, wenn es einen Stau bei Investitionen und Innovationen gibt und wenn ganz offensichtlich die Infrastruktur leidet und rückständig ist, dann ist es nicht gut, wenn man nicht investiert. Im finanzmarktorientierten Kapitalismus, in dem wir leben, ist die Kreditaufnahme für Zukunftsprojekte eigentlich üblich. Die Politik hat sich jedoch eine Bremse auferlegt.

  • E&W: Ist das Abrücken von der schwarzen Null der einzige Weg, um die nötigen Finanzierungen von Wissenschaft und Bildung zu stemmen?

Schrooten: Nein. Tatsächlich ist ja auf Bundesebene in den vergangenen Jahren ein Überschuss erzielt worden. Man hätte wenigstens diesen Überschuss in Bildung investieren können. Oder in andere notleidende Bereiche. Bezüglich der Bildungsfinanzierung ist es so, dass Bund und Länder 2008 eine Absichtserklärung abgegeben haben und keine verbindliche Ausgabenzusage. Das macht es relativ leicht, die Zielgröße von 10 Prozent des BIPs zu unterschreiten.

  • E&W: Wie kann es sein, dass Bildung immer als elementare Säule unserer Gesellschaft beschrieben wird, aber letztlich zu wenig finanziell passiert?

Schrooten: Das betrifft ja nicht nur die Bildung. Ganz viele Bereiche in Deutschland sind unterfinanziert. Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Handlungsproblem. Es passiert immer dann nichts, wenn es nicht verbindlich geregelt ist. Sobald etwas Gesetzeskraft hat, sobald es in der Verfassung steht wie die Schuldenbremse, passiert auch etwas.

  • E&W: Gewerkschaften und Industrie drängen die Bundesregierung zu einer schuldenfinanzierten Investitionsoffensive, die auch der Bildung zugutekommen soll. Das Geld soll über einen neu zu schaffenden Investitionsfonds verteilt werden, um so die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse zu umgehen. Was halten Sie von diesem Vorschlag?

Schrooten: Mit Blick auf die Bildungsfinanzierung sind die Länder entscheidende Spieler. Die Schuldenbremse gibt es seit 2016 auf Bundesebene, sie kommt erst 2020 auch auf Länderebene. Klar ist, dass mehr Geld in Bildung gesteckt werden muss. Der vorgeschlagene Investitionsfonds ist kein Königsweg. Auf dem Kapitalmarkt sind Kapitalkosten zu zahlen. So werden die Kredite und damit die notwendigen Investitionen teurer.

  • E&W: Was würden Sie empfehlen?

Schrooten: Man kann Bildung auch finanzieren bei einer schwarzen Null oder einer Schuldenbremse, indem man einfach die Steuern anhebt. Die Schuldenbremse ist letztendlich eine Nettokreditaufnahmebremse. Und wenn man keine Nettokredite mehr aufnehmen kann und andere Verfassungsaufträge hat, die wir ja nun einmal nach dem Grundgesetz haben, dann ist denkbar, dass man seine Einnahmen steigert. Sprich, wir brauchen höhere Steuern. Und da würde sich aus meiner Sicht auch eine Vermögensteuer anbieten.

  • E&W: Für wie realistisch halten Sie es, dass die Politik Ihrem Vorschlag folgt?

Schrooten: Das Unattraktivste, was es für Politik gibt, sind Steuererhöhungen. Aber ich halte das für eine wesentlich transparentere und ehrlichere Maßnahme als irgendwelche Umgehungsstrategien.

Mechthild Schrooten ist Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Bremen und leitet den Internationalen Studiengang Global Management (Bachelor) und den Master of Global Management (MBA). (Foto: Rainer Sievert)