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Weltalphabetisierungstag am 8.9.

„Strukturen der Grundbildung sind mangelhaft“

Die GEW mahnt: Mehr als sechs Millionen Menschen in Deutschland können nicht ausreichend lesen und schreiben. Die Politik muss dringend handeln.

Foto: Pixabay / CC0

Die GEW mahnt die Politik, ihr Versprechen, nachhaltige Strukturen für die Grundbildung Erwachsener zu schaffen, endlich umzusetzen. Drei Jahre vor Ende der Nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung seien diese weiterhin „mangelhaft“.

Viele Projekte nur befristet

„Etliche Bundesländer haben Grundbildungszentren und ähnliche Einrichtungen gestärkt oder neu aufgebaut – jedoch lediglich über befristete Projekte“, sagte Ralf Becker, GEW-Vorstandsmitglied Berufliche Bildung und Weiterbildung, mit Blick auf den „Weltalphabetisierungstag“.

„Bis heute kümmert sich die Politik viel zu wenig um die Menschen, die Schwierigkeiten haben, beruflich und gesellschaftlich Fuß zu fassen.“ (Ralf Becker)

Er machte die Dimension der Herausforderung deutlich: Mehr als sechs Millionen Menschen in Deutschland könnten nicht ausreichend lesen und schreiben, sie seien damit von Teilhabe in der Gesellschaft weitgehend ausgeschlossen. Jährlich verließen mehr als 50.000 junge Menschen die Schule ohne Abschluss. Diese Zahl habe sich in den vergangenen Jahren nicht wesentlich verringert. „Bis heute kümmert sich die Politik viel zu wenig um die Menschen, die Schwierigkeiten haben, beruflich und gesellschaftlich Fuß zu fassen“, sagte Becker.

Der GEW-Experte forderte mehr Nachhaltigkeit in der Grundbildungspolitik ein. Die Ergebnisse der befristeten Projekte könnten nur dann nachhaltig in die Praxis umgesetzt werden, wenn die Erwachsenenbildungseinrichtungen vor Ort strukturell gestärkt und mit mehr Ressourcen ausgestattet werden.

GEW fordert mehr Ressourcen

Sowohl die Gewinnung Teilnehmender als auch die Kooperation und Netzwerkarbeit etwa mit Betrieben, Berufsschulen, Jobcentern und sozialen Einrichtungen in den Orten und Stadtteilen erforderten mehr personelle Ressourcen. Grundbildungszentren und ähnliche Kooperationsstellen seien sehr unterschiedlich ausgestattet und hätten oft Projektcharakter. Der GEW-Experte stellte klar, dass

  • angemessene Mindeststandards,
  • unbefristet beschäftigtes Personal
  • und eine flächendeckende regionale Verankerung dringend notwendig seien.

„Wir brauchen aber Dauerstellen für Daueraufgaben.“ (Ralf Becker)

Die Transformationen in der Arbeitswelt und der Fachkräftemangel sorgten dafür, dass die arbeitsplatzorientierte Grundbildung immer wichtiger wird. „Eine gute Grundbildung ermöglicht die Teilhabe an der gesellschaftlichen Wertschöpfung und trägt dazu bei, den Fachkräftebedarf zu decken“, erläuterte Becker. Die meisten Einrichtungen der Weiterbildung arbeiteten weiterhin fast ausschließlich mit Honorarkräften oder befristeten Projektstellen. „Wir brauchen aber Dauerstellen für Daueraufgaben - auch und insbesondere in der Grundbildung“, unterstrich Becker.

In der „Nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung“ (Alpha-Dekade 2016 bis 2026) arbeiten Bund, Länder und diverse Partner zusammen mit dem Ziel, „das Ausmaß geringer Literalität in Deutschland zu verringern und das Grundbildungsniveau zu erhöhen“.

Die GEW macht sich dafür stark, dass in der Alpha-Dekade drei Aspekte umgesetzt werden, um die Grundbildung zu stärken:

  • ein Rechtsanspruch auf Grundbildung mit verbindlichen und verlässlichen Strukturen,
  • ein flächendeckendes, hochwertiges, kostenfreies und niedrigschwelliges Grundbildungsangebot sowie personell gut ausgestattete Grundbildungszentren,
  • eine Professionalisierung des Personals und bessere Beschäftigngsbedingungen.

Weltalphabetisierungstag seit 1966

Die UNESCO hatte den Weltalphabetisierungstag 1966 ins Leben gerufen. Seitdem wird jedes Jahr am 8. September mit Aktionen und Veranstaltungen auf die Verbreitung von Schwächen der Menschen bei Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen aufmerksam gemacht und für mehr und bessere Grundbildung geworben.

In Deutschland können 6,2 Millionen Erwachsene zwar Buchstaben, Wörter und einzelne Sätze lesen und schreiben, haben jedoch Mühe, einen längeren zusammenhängenden Text zu verstehen. Das erschwert ihnen die persönliche und berufliche Entwicklung und behindert ihre Teilhabe am kulturellen und politischen Leben der Gesellschaft.

62 Prozent der Betroffenen sind erwerbstätig, die Mehrheit sind Männer. 53 Prozent der funktionalen Analphabeten sind Muttersprachlerinnen und -sprachler (LEO-Studie 2018 der Universität Hamburg, im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung).