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Studie zu „Aufholen nach Corona“

Schlechte Noten für Corona-Aufholprogramme

In einer aktuellen Studie zeigt sich: die Corona-Aufholprogramme verfehlten über weite Teile ihre Ziele. Die Gelder seien weitgehend nach dem Gießkannenprinzip verteilt worden, kritisiert GEW-Vorstandsmitglied Anja. Bensinger-Stolze

In einer aktuellen Studie zeigt sich: die Corona-Aufholprogramme verfehlten ihre Ziele über weite Teile. (Foto: Dominik Buschardt)

„Die Analyse der Aufholmaßnahmen belegt, dass die Fördermittel vielfach nicht dort ankommen, wo sie am dringendsten gebraucht werden, nämlich bei Schulen in schwierigen Lagen und armen Kindern und Jugendlichen. Vielerorts erweist sich die zusätzliche Unterstützung eher als Mittelschichtsprogramm und Ankurbelung des privaten Nachhilfemarkts“, stellte Anja Bensinger-Stolze, Vorstandsmitglied Schule der GEW, am Dienstag in Frankfurt a.M. fest.

„Wenn Gelder mit der Gießkanne verteilt werden und die Lernangebote freiwillig und additiv gestaltet sind, kommen diese bei benachteiligten Eltern und deren Kindern kaum an.“ (Anja Bensinger-Stolze)

Auch wenn die zusätzliche Unterstützung im Rahmen der Aufholprogramme für viele Schülerinnen und Schüler sicherlich ein Gewinn gewesen sei, so die GEW-Schulexpertin, zeige sich bundesweit, dass die Ziele von „Aufholen nach Corona“ nur in kleinen Teilen erreicht werden. Vorne lägen die- Länder, die schon vor der Pandemie gezielte Programme zu Förderung benachteiligter Kinder und junger Menschen etabliert hatten. Insbesondere benachteiligte Schülerinnen und Schüler würden mit den Corona-Aufholprogrammen nicht erreicht. „Wenn – wie vielfach geschehen - Gelder mit der Gießkanne verteilt werden und die Lernangebote freiwillig und additiv gestaltet sind, kommen diese bei benachteiligten Eltern und deren Kindern kaum an.“ Dies zeige sich besonders in den Ländern, die ihren Schwerpunkt auf Lernferien legen oder Gutscheine für private Nachhilfe ausgeben, erklärte Bensinger-Stolze.

Gleichzeitig sei der dramatische Lehr- und Fachkräftemangel nach wie vor „die Achillesferse des Schulsystems“. Viele Schulen seien personell unterversorgt und hätten vielfach schlicht nicht die Zeit für zusätzliche Maßnahmen. „Wenn sich manche Länder auf private Nachhilfeanbieter stützen, liegt das also teilweise an fehlendem Personal in Bildung und Erziehung. Bis heute ist jedoch ein großer Teil der Gelder nicht ausgeschöpft oder abgerufen worden. Außerdem fehlen in vielen Ländern klare Vorgaben, eine ausreichende Datenlage, soziale Verteilungsschlüssel sowie – gesetzlich und pädagogisch untersetzte – Konzepte, um Kinder und Jugendliche gezielt zu fördern“, sagte Bensinger-Stolze.

„In einem unterfinanzierten und sozial selektiven Schulsystem ist die soziale Schieflage nicht mit befristeten Projektmitteln zu korrigieren.“ (Anja Bensinger-Stolze)

Bund und Länder planen mit dem „Startchancenprogramm“ für benachteiligte Schulen zusätzliche Unterstützungprogramme. Diese müssten, so Bensinger-Stolze, dringend effizienter, sozial ausgewogener und nachhaltiger gestaltet sein. Es seien aber auch grundlegende Veränderungen nötig, so die GEW-Schulexpertin: „So sehr die Gelder der aktuellen Programme nötig sind: In einem unterfinanzierten und sozial selektiven Schulsystem ist die soziale Schieflage nicht mit befristeten Projektmitteln zu korrigieren. Hier müssen die Bundes- und die Landesregierungen ein größeres Rad drehen. Nicht nur in Richtung eines inklusiveren, gerechteren und solide finanzierten Schulwesens, sondern auch mit Blick auf den eklatanten Personalmangel“.
 

Die am 6. September 2022 veröffentlichte Studie, die die Max-Traeger-Stiftung (MTS) der GEW unterstützt hat, untersucht, wie das Bund-Länder-Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona“ in den 16 Bundesländern umgesetzt wurde. Dabei werden die bundesweiten Maßnahmen, Zielsetzungen, Zielgruppen, Umsetzungsschwerpunkte und Ressourceneinsätze analysiert. Das Ergebnis: Es gibt viele Schieflagen und Konstruktionsfehler. Die Autorinnen und Autoren tragen darüber hinaus Herausforderungen und Gelingensbedingungen für Förderprogramme dieser Art zusammen.