Zum Inhalt springen

GEW-Winterakademie

Prekäre Verhältnisse in der Weiterbildung

„Mehr Weiterbildung – aber mit wem?“ Bei der GEW-Winterakademie diskutierten 100 Teilnehmende aus Wissenschaft, Praxis und Ministerien über den Fachkräftemangel in der Weiterbildung.

„Die Weiterbildung ist der größte Bildungsbereich.“ Über eine Million Menschen seien nach Schätzungen dort beschäftigt, mehr als an allgemeinbildenden Schulen, wo 700.000 Lehrkräfte unterrichten. Die enorme Bedeutung der Branche sei jedoch „nicht im öffentlichen Bewusstsein“. Das betonte Professor Josef Schrader, wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung – Leibnitz-Zentrum für Lebenslanges Lernen (DIE) in Bonn.

„Wir brauchen einen Abbau der Unterfinanzierung.“ (Josef Schrader)

„Die Einkommensmöglichkeiten in der Weiterbildung sind in Teilbereichen prekär“, unterstrich Schrader. Er verwies auf erste Befunde einer nicht-repräsentativen Studie des DIE. Bei der großen Gruppe der Solo-Selbstständigen liege demnach das durchschnittliche Brutto-Einkommen bei 2.191 Euro im Monat. Während der Corona-Pandemie, als viele Weiterbildungseinrichtungen vorübergehend schließen mussten, hätten viele Beschäftigte die Branche verlassen. „63 Prozent der Volkshochschulen erklärten 2022, dass sie Rekrutierungsprobleme haben.“ Um den Beruf attraktiver zu machen, müssten im Weiterbildungsbereich Strukturen geschaffen werden. „Wir brauchen einen Abbau der Unterfinanzierung“, forderte Schrader zudem.

Die Teilnehmenden der GEW-Winterakademie in Gießen diskutierten in fünf Foren, wie es um Arbeitsbedingungen, Fachkräftebedarf und Professionsentwicklung in den einzelnen Sparten der Weiterbildung bestellt ist. Forum 1 drehte sich um Bildungsberatung. Forum 2 deckte Integration und Migration ab. Forum 3 beschäftigte sich mit dem Zweiten Bildungsweg. Forum 4 widmete sich der Beruflichen Weiterbildung nach Sozialgesetzbuch (SGB) II und III. Forum 5 behandelte Politische Bildung. Kooperationspartner war der Lehrstuhl für Weiterbildung der Uni Gießen.

Rechtsanspruch auf finanzielle Förderung

Auch die bisherigen Ergebnisse der „Neue Weiterbildungsstrategie“ (NWS) waren Thema. Die NWS ist eine Art Runder Tisch, an dem Bund, Länder, Arbeitgeber, Kammern, Bundesagentur für Arbeit und Gewerkschaften seit 2019 zusammenarbeiten. „Mit dem Ziel, Weiterbildungs-Aktivitäten zu verzahnen, um eine stärkere Koordination hinzubekommen“. So formulierte es Mario Patuzzi vom DGB-Bundesvorstand. Im Rahmen der NWS hätten die Gewerkschaften „viel erreicht“, erklärte Patuzzi. Etwa den Rechtsanspruch auf finanzielle Förderung, um nachträglich einen Berufsabschluss zu erwerben.

Ein Erfolg sei zudem, dass gewerkschaftliche Weiterbildungsmentor*innen nun vom Bundesbildungsministerium gefördert werden. Sie haben in den Betrieben die Aufgabe, Beschäftigte mit schlechten Schulerfahrungen zu motivieren, Weiterbildungs-Angebote zu nutzen. Nicht erreicht habe man, Weiterbildner*innen besser zu bezahlen. Dafür sei die NWS nicht geeignet. „Das müssen wir anders machen“, unterstrich Patuzzi.

„ Weiterbildner*in – ein Beruf, bei dem wir in Zukunft einen klaren Engpass sehen.“ (Gunilla Fincke)

Johanna Börsch-Supan vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sprach per Videokonferenz, zugeschaltet aus Berlin. Eine Fortbildungs-Initiative für Weiterbildner*innen? Das sei zwar „ein Thema, mit dem wir uns beschäftigen“. Doch bei vielen Fragen der allgemeinen Weiterbildung liege die verfassungsrechtliche Kompetenz bei den Ländern. „Wir als Ministerium können nur den Rahmen setzen, Impulse geben und Pilotprojekte starten“.

Gunilla Fincke vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales war ebenfalls per Videokonferenz dabei. Sie räumte ein: Weiterbildner*in sei „ein Beruf, bei dem wir in Zukunft einen klaren Engpass sehen“. Es stellten sich „Entlohnungsfragen“. Auf die Bezahlung von Beschäftigten könne ihr Ministerium Einfluss nehmen, wenn es um berufliche Weiterbildung nach Sozialgesetzbuch II/III geht. Bei der übrigen Weiterbildung sei man darauf angewiesen, „dass es zu Tarifabschlüssen kommt“. Diese könne das Ministerium aber „nicht initiieren“.

GEW: Maximale Unterrichtszeiten festlegen

Ralf Becker, beim GEW-Hauptvorstand zuständig für Berufliche Bildung und Weiterbildung, forderte, das bereits angekündigte Bundes-Tariftreuegesetz für die Weiterbildung zu verabschieden. Damit der Bund künftig Aufträge nur noch an jene Träger vergeben darf, die nach Tarif zahlen. „Da muss die Politik ran.“

„Der Weg ist mühsam, doch wir versuchen, das Beste herauszuholen.“ (Ralf Becker)

Becker verwies zudem auf Sprachkurse, die im Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stattfinden. Dort müssten Festangestellte in Vollzeit bis zu 40 Unterrichtsstunden pro Woche leisten. Erforderlich sei, „dass das BAMF für Vollzeitstellen maximale Unterrichtszeiten festlegt“. Die GEW verlangt eine Obergrenze von 25 Unterrichtsstunden. Die GEW kämpfe für eine Strukturierung der Branche und bessere Arbeitsbedingungen. „Der Weg ist mühsam“, erklärte Becker. „Doch wir versuchen, das Beste herauszuholen.“