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Gute Arbeit - gute Pädagogik in der Kita

Nur teilweise gut

16 Länder haben 16 Wege gewählt, die Gelder aus dem Kita-Qualitätsgesetz so einzusetzen, wie es für sie passt. Vielen ist Gebührenfreiheit wichtiger als ein besserer Betreuungsschlüssel.

5,5 Milliarden Euro sollen bis 2022 für Verbesserungen in den Kitas fließen. Das sogenannte Gute-Kita-Gesetz hält aber nicht, was es verspricht. (Foto: Kay Herschelmann)

Wenn Historiker eines Tages den Föderalismus beschreiben, könnten sie auf das sogenannte Gute-Kita-Gesetz stoßen: Nach zähen Verhandlungen 2018 von der Großen Koalition auf den Weg gebracht, stellte es den Bundesländern frei, wofür sie die Gelder einsetzen wollen; zehn Handlungsfelder wurden dafür formuliert. Voraussetzung: Bevor das erste Land Geld bekommt, müssen alle 16 ihre Pläne in einem Vertrag mit dem Bund verankern. Von April bis November 2019 reiste Familienministerin Franziska Giffey (SPD) durch die Landeshauptstädte und sammelte die Verträge ein. Kurz vor Jahresschluss verkündete sie Vollzug: 5,5 Milliarden Euro sollen nun bis 2022 fließen.

Erst danach durfte die Öffentlichkeit erfahren, was in den einzelnen Ländern geplant ist: „Frühe Bildung gemeinsam weiterentwickeln – Das Gute Kita-Gesetz“ heißt eine nun vorliegende Broschüre aus dem Bundesfamilienministerium, die zuallererst eine Lehre in Public Relations (PR) ist. Nicht nur, weil der an sich schon geschickte Titel „Gute-Kita-Gesetz“ dort in Versalien prangt – mit korrektem Namen heißt es „Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung“. Sondern auch, weil aus dem Sammelsurium an möglichen Verwendungen nun ein „Instrumentenkasten“ geworden ist: von „bedarfsgerechten Angeboten“ bis zu „weniger Gebühren“.

„Gebührenfreiheit ist familienpolitisch richtig, sie hat aber nichts mit guter Kita zu tun. Dafür braucht es eine Verbesserung der Qualität, vor allem in Form eines besseren Betreuungsschlüssels.“ (Björn Köhler)

Letztere, hat die GEW berechnet, machen den größten Posten der geplanten Ausgaben aus: 1,6 der 5,5 Milliarden Euro sollen demnach nicht in die Kitas, sondern in die Entlastung der Familien investiert werden. Damit, erklärt Björn Köhler, im GEW-Vorstand für Jugendhilfe und Sozialarbeit verantwortlich, werde wahr, was die Bildungsgewerkschaft befürchtet hat: „Gebührenfreiheit ist familienpolitisch richtig“, so Köhler, „sie hat aber nichts mit guter Kita zu tun. Dafür braucht es eine Verbesserung der Qualität, vor allem in Form eines besseren Betreuungsschlüssels.“

1,5 Milliarden Euro kommen laut GEW-Tabelle dem Personal zugute. Weitere 1,2 Milliarden fließen in die Stärkung der Kita-Leitung, meist indem sie diese für mehrere Stunden für Verwaltung, Teamführung und Konzeptionelles von der Arbeit mit den Kindern freistellt. Damit, so Köhler, werde immerhin „wenigstens teilweise eine Verbesserung der Personalsituation erreicht“.

Unterschiede zwischen den Ländern

An der Spitze der Länder, die mit Bundeshilfe die Familien entlasten, steht Mecklenburg-Vorpommern: 100 Prozent der 106 Millionen Euro werden dort in die Gebührenfreiheit der Kitas fließen. So solle, heißt es in der Übersicht aus Giffeys Ministerium, zusammen mit Landesmitteln eine „vollständige Abschaffung der Elternbeiträge“ erreicht werden. Bemerkenswert daran ist nicht nur, dass dort mit Manuela Schwesig (SPD) Giffeys Vorgängerin im Familienministerium regiert. Laut dem jüngsten von der Bertelsmann Stiftung vorgestellten Ländermonitor Frühkindliche Bildung (Stand 2018) ist Mecklenburg-Vorpommern zudem bei älteren Kita-Kindern das Land mit dem schlechtesten, bei Krippenkindern das mit dem zweitschlechtesten Betreuungsschlüssel: Rein rechnerisch ist eine Fachkraft in der Kita für 13,2, in der Krippe für sechs Kinder zuständig. Wissenschaftlich empfohlen sind für unter Dreijährige maximal drei Kinder je Fachkraft, bei Drei- bis Sechsjährigen maximal 7,5 Kinder pro Fachkraft.

Annähern will sich diesem Ziel am deutlichsten Hamburg: Hier fließen die Gelder zu 100 Prozent in einen besseren Betreuungsschlüssel. Ab 2021 soll eine Krippenfachkraft, die heute statistisch gesehen fünf Kinder betreut, nur noch vier in der Gruppe haben. Demonstrativ eine andere Linie als Mecklenburg-Vorpommern fährt auch Baden-Württemberg, wo Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) erklärt, Gebührenfreiheit sei kein Thema. Man habe sich „entschieden, ganz erheblich in die Qualität der frühkindlichen Bildung zu investieren“, so Eisenmann auf einem Kita-Fachtag. Konkret fließt die Bundeshilfe vor allem in die Stärkung der Kita-Leitung und in eine Fachkräfteoffensive, die für mehr Erzieherinnen und Erzieher im Land sorgen soll. Beim Betreuungsschlüssel liegt Baden-Württemberg laut Ländermonitor zwar bundesweit vorn; es gibt allerdings erhebliche regionale Unterschiede.

Einen großen Teil der Gelder leiten auch zahlreiche weitere Länder in die Gebührenfreiheit: das Saarland 75 Prozent, Bayern 59, Sachsen-Anhalt 58, Nordrhein-Westfalen 49, Schleswig-Holstein 47. Das kleine Bremen will knapp die Hälfte (46 Prozent) für weniger Gebühren aufwenden, setzt aber auch ein Instrument ein, das speziell Kindern und Personal in den – zahlreichen – benachteiligten Vierteln zugutekommen soll: 31 Prozent der Bundesgelder sind in diesen Stadtteilen für einen besseren Betreuungsschlüssel eingeplant. In Berlin sollen Beschäftigte in „belasteten Sozialräumen“ künftig eine monatliche Zulage von 300 Euro erhalten. Weitere häufig geplante Maßnahmen sind ein Ausbau der Kindertagespflege sowie Vorhaben zu Anwerbung oder Ausbildung neuen Personals.

Bundesprogramm gekappt

Letztere müssen die Länder nun wieder stärker selbst leisten als gedacht. Bis Jahresbeginn galt die Ankündigung Giffeys, die Länder im Rahmen der sogenannten Fachkräfteoffensive mit 500 Millionen Euro dabei zu unterstützen, 5.000 angehenden Erzieherinnen oder Erziehern an Fachschulen eine Vergütung zu zahlen. Dass es die nicht gibt, meist sogar Schulgeld fällig wird, gilt nicht nur im Familienministerium als Problem. Das auf zwei Jahre angesetzte Programm musste allerdings gekappt werden; offenbar war mit dem Finanzministerium nur die Hälfte des Geldes, also die Finanzierung von einem statt zwei Jahrgängen abgesprochen. Die GEW fordert einen weiteren Ausbau der Fachkräfteoffensive. Köhler: „Es ist wichtig, dass Bund, Länder und Kommunen gemeinsam für die Ausbildung Verantwortung übernehmen. Anders werden wir der Personalnot in der frühkindlichen Bildung nicht beikommen.“