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Privatisierung von Bildung

Im dänischen Kopenhagen haben sich Vertreter der Globalen Bildungskampagne aus Ländern des Nordens getroffen, um sich auszutauschen und Strategien zu besprechen. Ein Thema war die fortschreitende Privatisierung von Bildung in Ländern des Südens. Für die GEW hat Barbara Geier teilgenommen.

Fotos: Manfred Brinkmann, Ibis

Die ‚Global Campaign for Education‘ ist ein Bündnis aus Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen, das sich weltweit für das Recht auf Bildung für alle einsetzt und in rund hundert Ländern aktiv ist. In den wohlhabenden Ländern des Nordens arbeiten die nationalen Bündnisse der Kampagne als Northern Coalition zusammen und fordern von ihren Regierungen mehr Mittel für Bildung in der Entwicklungszusammenarbeit. Auf der Herbsttagung der Northern Coalition in Kopenhagen vom 30.Oktober bis 1. November wurde in einem Workshop über neue Privatisierungstendenzen im Bildungswesen in den Ländern des Südens (‚ Global South’) diskutiert. Antoni Verger, Soziologe an der ‚Universidad Autonoma de Barcelona‘, stellte Kernergebnisse seiner Forschung vor. Er geht von fünf Grundfragen aus:

  1.  Wer ist für die Bildung verantwortlich (ownership)?
  2.  Wer ist der Betreiber der Einrichtung (provision)?
  3.  Wie wird das System finanziert (funding)?
  4.  Wie sehen Organisation und Management aus (organisation + management)?
  5.  Wer gewinnt dabei?

Public Private Partnership auf dem Vormarsch
Zu welchen Ergebnissen kommt Verger? 1) Verantwortlich für die Bildung ist der Staat. 2) Er gibt jedoch Teile seiner Verantwortung an Investoren ab. Dies betrifft sowohl Gebäude wie auch Personal, z.B. die Festsetzung von Ausbildungsstandards, Gehältern und Arbeitsbedingungen. Lehrpläne können den ‚Gegebenheiten des Marktes’ angepasst werden. Dies zeigt sich besonders in dem starken Anwachsen von Schulen bestimmter Glaubensrichtungen. 3) Finanziert werden die Einrichtungen zum Großteil von Konzernen, die im Bildungsbereich ein starkes Wachstumspotiential sehen. Dies sind neben großen Stiftungen amerikanische oder chinesische IT-Konzerne ebenso wie Verlagsgruppen. 4) Die Organisation und das Management der Einrichtungen, auch als PPP (Public Private Partnership) bekannt, liegt in der Hand der Betreiber und ist am wirtschaftlichen Erfolg orientiert. 5) Finanziell gewinnt der jeweilige Betreiber. Die’ Kunden’, d.h. die Eltern der Schülerinnen und Schüler hoffen durch diese Investition ihren Kindern bessere Zukunftschancen zu eröffnen.

Privatschulen in Slums
Den größten Zuwachs von Privatschulen erleben wir in den low-fee private schools in den Slums von Indien, dem Punjab, in Ghana und Nigeria. Bis zu fünf Dollar Schulgebühr im Monat sparen sich die Familien wörtlich vom Munde ab, um wenigstens ihren Söhnen einen Schulbesuch zu ermöglichen. In Indien und Punjab ist besonders die mächtige Verlagsgruppe Pearson engagiert. Sie hat einen ‚Affordable Learning Fund’ gegründet, in dem der jeweilige Staat (mit Unterstützung des britischen Entwicklungsministerium DfID) und Pearson ein Tandem bilden. Das klingt vielversprechend. Man muss sich jedoch die Zahlen dieses Philantrokapitalismus näher anschauen. Von 500 Millionen Dollar, die in Südländern für Bildung ausgegeben werden, fließen 70% als Geld und 30% in Material und Personalleistung. Dieses Kapital geht nicht in die ärmsten Länder, sondern in die ‚emerging countries’. Über die reinen Geldlieferungen gibt es keine validen Nachweise. Die zunehmende Privatisierung im Bildungswesen in den Staaten des Südens verstärkt den Ausschluss der Ärmsten von der Bildung, festigt soziale Ungerechtigkeit, führt zur Benachteiligung von Mädchen, nimmt den Staat aus seiner Verantwortung, Bildung für Alle zu garantieren und überlässt das Grundrecht auf Bildung den Gesetzen der freien Marktwirtschaft.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten außerdem die Rolle, die die Bildungskampagne in ihrer Lobbyarbeit gegenüber nationalen Parlamenten und Ministerien, sowie in der EU und auf internationale Ebene spielen muss. Auch die anstehenden Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA im Bereich der Dienstleistungen müssen wir aktiv verfolgen. Globale Bildungskampagne wird die fortschreitende Privatisierung im Bildungsbereich auch für die nördliche Hemisphäre stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken müssen.