fair childhood - Bildung statt Kinderarbeit
„Für Kinder greifbarer“
Bei der Produktion von Palmöl werden Menschenrechte verletzt, doch der Rohstoff steckt in jedem zweiten Supermarktprodukt. Dominik Groß von der Christlichen Initiative Romero (CIR) hat Ideen, wie Lehrkräfte das Thema im Unterricht anpacken können.
- E&W: Herr Groß, wie würden Sie einem Zweitklässler in einem Satz die Problematik der Palmölproduktion erklären?
Dominik Groß: Dass für Palmöl, das sehr wahrscheinlich in seinem Schoko-Brotaufstrich oder in der Fertigpizza steckt, Wälder zerstört werden und Tiere aussterben, die darin leben, etwa Orang-Utans – das ist für Kinder greifbarer als die menschenrechtliche Dimension der Palmölproduktion.
- E&W: Die denn wäre?
Groß: In der Palmölproduktion kommt es zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen. Große Agrarunternehmen und Investoren vertreiben in Malaysia, Sumatra oder Guatemala ganze Dörfer, weil die Plantagen immer mehr Land brauchen. Wer aber keine Parzelle mehr hat, um Lebensmittel für den Eigenbedarf anzubauen, ist gezwungen, auf der Plantage zu arbeiten – für einen Hungerlohn. In Guatemala beispielsweise verdienen Plantagenarbeiterinnen und -arbeiter oft nur zehn Euro am Tag; Überstunden werden ihnen nicht immer bezahlt, Gewerkschaften sind unerwünscht. Hinzu kommt, dass das Wasser in der Nähe der Plantagen knapp und durch Dünger sowie Pestizide verunreinigt wird. Wer sich dagegen wehrt, wird bedroht.
- E&W: Sind Sie bei Ihren Recherchen auf Kinderarbeit gestoßen?
Groß: In der Vergangenheit gab es in Asien immer wieder Berichte über Zwangs- und Kinderarbeit auf Palmölplantagen. Für die jüngsten Recherchen in Mittelamerika können wir das nicht bestätigen. Aber: Je weniger die Eltern verdienen, desto größer ist das Risiko, dass Kinder zum Einkommen der Familien beitragen, früh die Schule verlassen, in Städte oder ins Ausland migrieren. In Mittelamerika ist zudem die Gefahr groß, dass sie in die Bandenkriminalität rutschen.
- E&W: Warum boomt Palmöl trotz dieser Missstände?
Groß: Weil der Rohstoff unschlagbar billig ist – die sozialen und Umweltkosten werden ja nicht eingepreist. Derzeit verarbeiten die Hersteller von Lebensmitteln, Kosmetik- und Reinigungsmitteln so viel Palmöl wie nie zuvor. Der weltweite Anbau hat sich in den zurückliegenden 20 Jahren verdreifacht, auch Deutschland importiert heute ein Drittel mehr Palmöl als noch 2019. Die Unternehmen kennen die Missstände in der Palmölproduktion durchaus. Sie sind ein paar kleine Schritte gegangen, verarbeiten im Lebensmittelbereich inzwischen fast nur zertifiziertes Palmöl – aber das ist nicht wirklich nachhaltig, dafür sind die Kriterien zu lasch, manche Label führen Verbraucherinnen und Verbraucher in die Irre. Kurz: Letztendlich wollen die Firmen nicht auf die finanziellen Vorteile verzichten, die sie durch Palmöl haben.
- E&W: Haben Sie Tipps, wie Lehrkräfte das Thema im Unterricht angehen können?
Groß: Schülerinnen und Schüler können in den Supermarkt gehen und schauen, in welchem Produkt Palmöl steckt. Bei Lebensmitteln steht das auf der Zutatenliste – aber schon bei Kosmetik oder Waschmitteln wird es schwierig, hier findet sich oft nur der chemische Name auf der Verpackung. Das ist nicht gelogen, aber stünde Palmöl drauf, würden weniger Leute das Produkt kaufen. Das wissen auch die Unternehmen. Die Schülerinnen und Schüler können zudem über Google Earth erforschen, wie sich die Plantagen ausgebreitet haben. Höhere Klassen könnten Lieferketten und beteiligte Unternehmen recherchieren. Ich empfehle zudem unsere Videos und Filme mit O-Tönen der Betroffenen. Hört man, welche Menschenrechtsverletzungen vor Ort passieren, bleibt das einfach besser hängen.