Zum Inhalt springen

Milliardenmarkt Nachhilfe: GEW kritisiert "schleichende Privatisierung"

Kommerzielle Nachhilfe vergrößert die soziale Spaltung im Bildungswesen. Das bestätigt eine aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Um den Trend zu stoppen, fordert die GEW mehr personelle Mittel für öffentliche Schulen.

Rund 70 Prozent der Nachhilfe-Anbieter können einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) zufolge kein Zertifikat vorweisen. Die Analyse mit dem Titel "Außerschulische Nachhilfe. Ein prosperierender Bildungsmarkt im Spannungsfeld zwischen kommerziellen und öffentlichen Interessen" kommt zudem zu dem Schluss: Über die Qualität der Anbieter gebe es lediglich "schwache und unzureichende Befunde". Weitere Ergebnisse: Mit der Höhe des Einkommens und dem Bildungsniveau der Eltern steigt die Nachhilfequote, Kinder aus ärmeren Schichten greifen seltener auf Nachhilfe zurück. Der überwiegende Anteil der Nachhilfelehrkräfte suche darüber hinaus nur wenig Kontakt zur Schule.

Der Bundesverband Nachhilfe- und Nachmittagsschulen e.V. (VNN) widerspricht: Die Wirksamkeit von Nachhilfe sei durch "verschiedene Untersuchungen und Studien" empirisch belegt, sagt VNN-Vorsitzende Cornelia Sussieck. Der Verband habe zudem Qualitätsstandards erarbeitet. So nehme er keine Einrichtungen auf, die Schüler oder Nichtakademiker beschäftigten. Dass viele Nachhilfe-Anbieter auf eine externe Begutachtung verzichten, habe einen Grund: "Die Zertifizierung ist zu teuer." Nachhilfeschulen suchten zudem "Kontakt und Austausch mit den Fachlehrkräften".

Ilka Hoffmann, GEW-Vorstandsmitglied Schule, kritisiert unterdessen eine "schleichende Privatisierung". Das verstärke "die soziale Schieflage des Bildungssystems". Um den Trend zu stoppen, fordert sie mehr personelle Mittel für öffentliche Schulen. "Gerade Schulen mit großen sozialen Herausforderungen müssen besonders gut und mit den pädagogisch profiliertesten Lehrkräften ausgestattet werden."

Eltern geben der HBS-Studie zufolge jährlich vier Milliarden Euro für private Nachhilfe aus. Davon fließen 2,5 bis drei Milliarden Euro an Anbieter, die auf dem Schwarzmarkt tätig sind. Der VNN schätzt, dass etwa 50.000 Frauen und Männer in der Branche arbeiteten. Hinzu kommen 700.000 Menschen, die als Privatpersonen, zumeist am Fiskus vorbei, Nachhilfe erteilen.

Der Artikel von Matthias Holland-Letz ist in voller Länge in der Juniausgabe der "E&W" abgedruckt.