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Kanada: Positives Image und politische Realität

Der weltweit größte Zusammenschluss von Gewerkschaften, die Bildungsinternationale (BI) mit rund 400 Mitgliedsorganisationen, trifft sich vom 21. bis 27. Juli zum 7. Weltkongress in Kanadas Hauptstadt Ottawa. Das Motto: „Unite for Quality Education – Better Education for a Better World”.

Teil der fast 2000 Delegierten aus aller Welt ist die 17köpfige GEW-Delegation aus Deutschland mit der Vorsitzenden Marlis Tepe an der Spitze. Tepe kandidiert als Vizepräsidentin für die Region Europa. Sie ist die einzige Kandidatin. Die BI tagt in einem Land, in dem die konservative Regierung unter Stephen Harper die Rechte der Gewerkschaften in den vergangenen Jahren massiv eingeschränkt hat.

Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung

Schon vor dem offiziellen Startschuss für den Kongress werden viele Veranstaltungen angeboten. So folgte die GEW-Delegation am Samstag einer Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung. Der Journalist Gerd Braune, früher Redakteur der Frankfurter Rundschau, der heute mit seiner Familie in Kanada lebt, stellte den Widerspruch zwischen dem weltweiten "sehr positiven Image Kanadas" und der in vielfacher Hinsicht rückschrittlich konservativen Politik des Landes unter Ministerpräsident Harper heraus. Einen Bahn- oder Poststreik wie in Deutschland könne es in Kanada nicht mehr geben. Durch die sogenannte. "Back to Work"-Gesetzgebung könnten Streiks schon verboten werden, bevor sie überhaupt beginnen. In Betrieben müssten sich Gewerkschaften einem komplizierten Zertifizierungsverfahren unterwerfen, bevor sie dort organisieren können.

 

Rückschritte beim Umweltschutz

Das sind jedoch nicht die einzigen negativen Veränderungen, die das einstige Vorzeigeland in Sachen Natur- und Umweltschutz seit dem Wahlsieg der Konservativen 2006 erfahren hat. Harper lehnt nicht nur das Kyoto-Protokoll ab, er schränkt auch das Mitspracherecht von Umweltverbänden massiv ein, z.B. beim Schutz der Antarktis oder der Wälder. Im Auftrag der Regierung forschende Wissenschaftler, so Braune, dürften sich zu Umweltfragen nur mit deren Genehmigung öffentlich äußern. Der Journalist nennt dies eine "Semi-Demokratie".

 

Freundlich und zugewandt

Von all dem spürt man nichts, wenn man in der stickigen Julischwüle durch die Straßen Ottawas geht. In den Glasfronten der Bürohochhäuser spiegeln sich bizarr viktorianische Verwaltungsherrenhäuser oder Loire Hotelschlösser. Der Verkehr fließt ruhig, die Menschen sind freundlich und zugewandt. Welche Hauptstadt kann man so mühelos zu Fuß erkunden? Wo kann man den Grenzfluss von der englisch- zur französischsprachigen Provinz so locker mit einem Wassertaxi überqueren? Von Quebec aus, dem Standort des nationalen Geschichtsmuseums, einem architektonischen Highlight, bekommt man die volle Sicht auf 150 Jahre Architekturmix in Ottawa. Es bleibt aber keine Zeit, sich der Beschaulichkeit ganz hinzugeben. Es wird spannend, Gewerkschafter*innen aus ganz unterschiedlichen Ländern zu treffen, zu diskutieren und die Weichen für die nächsten Jahre zu stellen.