Zum Inhalt springen

Flüchtlinge in der dualen Ausbildung

3 + 2 = Integration

Die duale Ausbildung unterstützt Flüchtlinge bei der Integration, wie ein aktueller OECD-Bericht bestätigt. Doch es gibt erheblichen Verbesserungsbedarf.

Was in ein typisches Labskaus gehört, weiß Behar Sultani (Name von der Redaktion geändert) aus dem Effeff. Seit einem guten Jahr bereitet der 26-jährige Afghane den Brei aus gepökeltem Rindfleisch, eingelegter Roter Bete, Zwiebeln und Kartoffeln in einem auf norddeutsche Küche spezialisierten Restaurant in der Hamburger Innenstadt zu. Nach seiner Ausbildung zur Fachkraft im Gastgewerbe ist der junge Flüchtling als Beikoch im Arbeitsleben angekommen.

Immer mehr Geflüchtete absolvieren in Deutschland eine duale Ausbildung. Nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) wurden im Herbst 2019 rund 44.000 von ihnen in einem IHK- oder Handwerksbetrieb ausgebildet, die meisten in der Gastronomie sowie im Bau- und Verkehrsgewerbe. Ein gutes Zeugnis stellt nun die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) dem dualen System der beruflichen Bildung in einem im Februar veröffentlichten Bericht aus. Deutschland verfüge damit über „ein sehr wirkungsvolles Instrument für die erfolgreiche Arbeitsmarktintegration“, sagte Ludger Schuknecht, stellvertretender OECD-Generalsekretär, bei der Präsentation der Studie.

„Ich musste mich durchkämpfen, um meinen Weg zu finden.“ (Behar Sultani)

Der Bildungserfolg ist für geflüchtete Menschen nicht selbstverständlich, stellen die Autoren fest. „Ich musste mich durchkämpfen, um meinen Weg zu finden“, sagt auch Sultani, der in seiner Heimat keine Schule besucht hatte. Er kam mit 18 Jahren nach Hamburg, wo er in einer Berufsvorbereitungsklasse Deutsch lernte – und nach zwei Jahren den Schulabschluss schaffte. Wie er haben viele Geflüchtete in ihren Heimatländern wenig oder keine Schulbildung genossen. Zudem ist ihr Bildungsweg unterbrochen durch die Monate, teilweise Jahre auf der Flucht.

Indem es die vielfältigen Bildungsverläufe auffange, spiele das „starke Übergangssystem“ eine Schlüsselrolle für den erfolgreichen Einstieg in berufliche Bildung, lobt der OECD-Bericht. In Berufs- oder Ausbildungsvorbereitung werden die Sprachkenntnisse vertieft und zusätzliche Qualifikationen vermittelt. Doch es gibt noch Verbesserungsbedarf: Die Autoren empfehlen, dass Neuankömmlinge „während der gesamten Ausbildungsdauer Zugang zu hochwertigen Spracherwerbsangeboten“ haben sollten.

Beim Übergang von Schule in den Beruf beraten und unterstützen in Hamburg außerschulische Akteure wie der freie Jugendhilfeträger basis & woge. In Berufsorientierung und Ausbildungsvorbereitung informieren ihre Mitarbeitenden „über Chancen und Möglichkeiten der dualen Ausbildung“, sagt Franziska Gottschalk, Leiterin des Arbeitsbereichs Flucht & Bildung. Ausführlich erklärt werden müsse das System der zwei Lernorte, dass „nicht nur im Betrieb, sondern auch in der Schule gelernt wird“. Ein Teil entscheidet sich jedoch gegen eine Ausbildung und für eine Beschäftigung, um die Familie im Heimatland mit Geldüberweisungen zu unterstützen.

„Der Unterstützungsbedarf ist auch bei den Älteren enorm.“ (Moussa Harkat)

Mehr als die Hälfte aller Asylbewerber, die zwischen 2015 und 2017 nach Deutschland kamen, waren laut OECD-Bericht zwischen 16 und 35 Jahre alt. Da die Schulpflicht in den meisten Bundesländern mit dem 18. Lebensjahr endet, hat die Mehrheit keinen Zugang zu berufsvorbereitenden Maßnahmen. „Höchst problematisch“ findet Moussa Harkat vom Träger „Beruf und Integration Elbinseln“ diese Altersgrenze. „Der Unterstützungsbedarf ist auch bei den Älteren enorm.“ Er leitet ein Projekt im Rahmen des Netzwerkverbunds Fluchtort Hamburg, das die berufliche Integration Geflüchteter ohne gesicherten Aufenthaltsstatus unterstützt. Über sechs Monate erhalten sie Deutsch- und Mathematikunterricht sowie Berufsorientierung. Das Team um Harkat hilft bei der Suche nach Praktika und begleitet während der zweimonatigen Dauer.

An interessierten Unternehmen fehle es nicht, berichtet er. „Das Praktikum ist ein guter Einstieg und mündet meist in eine Ausbildung.“ Wesentlich schwieriger sei es, eine Arbeitserlaubnis durch die Ausländerbehörde zu bekommen. Denn seit Inkrafttreten des sogenannten Migrationspakets im Sommer 2018 schloss sich für einen erheblichen Teil der Geflüchteten die Tür in die berufliche Integration. Wer einen ungesicherten Aufenthalt hat, unterliegt seitdem einem Arbeitsverbot.

Für eine Arbeitserlaubnis muss der Duldungsinhaber einen Ausbildungsvertrag sowie seinen Pass oder Ersatzpapiere vorweisen. Die zu besorgen, ist oft ein schwieriger und langwieriger Weg. Wenn Arbeitserlaubnis und Vertrag erst einmal vorliegen, kann eine sogenannte Ausbildungsduldung beantragt werden. Sie erlaubt, nach einer Ausbildung zwei weitere Jahre zum Arbeiten bleiben zu dürfen. Damit bietet die duale Ausbildung nicht nur eine berufliche Karriere und langfristige finanzielle Perspektive, sondern hilft bei der Aufenthaltssicherung.

„Wenn wir ausbilden, wollen wir auch sichergehen, dass wir die Person weiter beschäftigen können.“ (Sabine Schlüer)

Auch für Unternehmen bedeutet die „3 + 2“-Regelung mehr Planungssicherheit. „Wenn wir ausbilden, wollen wir auch sichergehen, dass wir die Person weiter beschäftigen können“, bestätigt Sabine Schlüer, Personalchefin im Maschinenbauunternehmen Mahr GmbH. Der Göttinger Mittelständler ist Mitglied im Netzwerk „Unternehmen integrieren Flüchtlinge“, einer Initiative des DIHK, und bildet nach einer Elektronikerin nun einen Industriemechaniker aus. Ein Unternehmen dieser Größe sei gut geeignet für die Integration der Jugendlichen, sagt Schlüer. „Mit einer eigenen Ausbildungswerkstatt und drei Ausbildern können wir intensiv betreuen.“

Durch einen internen Zusatzunterricht werden die Jugendlichen beim Lernen, insbesondere der Fachsprache, unterstützt. Die Ausbilder von Mahr stehen zudem in engem Kontakt mit den Lehrkräften an der Berufsschule. Eine wesentliche Voraussetzung für die Ausbildung geflüchteter Jugendlicher sei die positive Einstellung der Ausbilder, betont die Personalchefin. Sie beobachte aufmerksam das Arbeitsklima. „Wir müssen die Belegschaft mitnehmen – aber bei Bedarf auch ein Zeichen setzen.“ Das war bisher nicht nötig.

Eine solch klare Haltung hätte Sultani sich von seinem Chef gewünscht, als ihn Kollegen während der Ausbildung diskriminierten. „Bei jedem Wort, was nicht in perfektem Deutsch war, wurde gemeckert“, erinnert er sich. Mit Hilfe von Gottschalk und ihren Kolleginnen fand er einen neuen Betrieb und konnte die Ausbildung beenden. „Alleine hätte mir der Mut zum Durchhalten gefehlt“, so Sultani.