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Nach der Wahl ist vor der Wahl

Nach den Wahlerfolgen der AfD in drei Bundesländern ruft die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe zu "Haltung" auf. "Begeben wir uns in den Dialog um gute Bildung und um ein Zusammenleben aller in Menschenwürde", appelliert sie in der neuen "E&W".

Foto: Flickr: strassenstriche.net / "AfD-Wahlkampfauftakt", CC BY-NC 2.0

(Foto: strassenstriche.net / CC BY-NC 2.0)

Die Alternative für Deutschland (AfD) hat aus dem Stand bei den drei Landtagswahlen im März zweistellige Wahlergebnisse erzielt. Damit sind sie nicht die Stärksten, haben aber am meisten gewonnen. Wir müssen sie ernst nehmen. Im September stehen die nächsten Wahlen an. Wir müssen mit weiteren Erfolgen der AfD rechnen. Wir sollten ihr mit Haltung entgegentreten. Haltung zu zeigen und sie ernst zu nehmen heißt: Wir müssen die Wahlanalysen bzw. Wählerbefragungen nutzen und verstehen, warum Arbeiter und Arbeitslose die AfD in besonderem Maß gewählt haben sollen.

Die Flüchtlingspolitik, die „mangelhafte“ Politik gegen den Einfluss des Islam und die Behauptung „für Flüchtlinge werde mehr getan als für die Einheimischen“, sollen vielfach ausschlaggebende Gründe für die Wahl der AfD gewesen sein. Weit verbreitet sei die Ansicht, dass die AfD zwar keine Probleme löse, dass sie diese aber beim Namen nenne. Gleichzeitig meinen weit mehr als 75 Prozent der Befragten, dass sich die AfD nicht genug von rechtsradikalen Positionen distanziere.

Viele denken, die AfD würde sich schnell entzaubern, wenn sie in den Parlamenten sitzt. So wie es bei der Deutschen Volksunion, den Republikanern und der NPD der Fall war, als diese in Landtage einzogen und sich im Parlament als nicht handlungsfähig erwiesen. Ich befürchte aber, dass sich die AfD länger halten wird, weil sie vielfach gut ausgebildetes Führungspersonal hat und mit dem Thema „Flüchtlingspolitik“ an Ängsten größerer Teile der Bevölkerung ansetzt. Und dieses Thema wird uns noch länger erhalten bleiben.

Handlungsfähiger Staat ist nötig

Denn die Zuwanderung wird angesichts der Spaltung der Weltbevölkerung in sehr viele Arme und wenige Reiche anhalten. Kriege, Arbeitslosigkeit und Klimawandel sind weitere Gründe für die Wanderungsbewegung. Über Jahre werden Menschen ihre Heimat verlassen und in Europa, einer Region mit gemäßigtem Klima und hohem Lebensstandard, neue Heimat und Arbeit suchen. Der Herausforderung mit Haltung zu begegnen, heißt für mich auch, den Dialog mit denen aufzunehmen, die Ängste haben, unsicher sind und enttäuscht von Parteien und Politik.

In der Bildungspolitik spricht die AfD von der „nach unten nivellierenden Einheitsschule, die einen Qualitätsverlust in Kauf nimmt“. Sie kämpft gegen Krippen, Ganztagsschulen, Jugendämter, weil diese zu sehr in das Erziehungsrecht eingriffen. Positionen, die bis weit in die Mitte der Gesellschaft anschlussfähig sind. Hier heißt es, Haltung zu bewahren, unsere Positionen verständlich zu erläutern. In vielen Politikfeldern fühlen sich AfD-Wähler von den Parteien nicht mehr vertreten. Deshalb müssen wir den regierenden Parteien beispielsweise noch deutlicher machen, dass gute Bildung gute Rahmenbedingungen und gute Ausbildung braucht. Kolleginnen und Kollegen dürfen mit den gesellschaftlichen Herausforderungen, sei es der Umgang mit den Geflüchteten, sei es Inklusion, nicht allein gelassen werden.

Mit Haltung begegnen heißt für mich aber auch, die regierenden Parteien zu überzeugen, dass wir einen Staat brauchen, der handlungsfähig ist. Bildungseinrichtungen, Verwaltungen, Polizei und sozialer Wohnungsbau sind vernachlässigt und teils kaputtgespart worden. Das spüren die Menschen und sie verlieren das Vertrauen in die regierenden Parteien. Darauf setzt die AfD. Sie geriert sich als Partei gegen „die da oben“, gegen die Etablierten. Haltung zeigen heißt gleichermaßen, eine rote Linie gegen Rassismus, Menschenverachtung und Gewalt zu ziehen. Gewalttaten, Brandstiftungen und Hetze – auch in den sozialen Medien – müssen angezeigt und mit den Mitteln des Rechtsstaats verfolgt werden. Begeben wir uns in den Dialog um gute Bildung und um ein Zusammenleben aller in Menschenwürde.

GEW-Vorsitzende Marlis Tepe