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Studie der deutschen Kinder- und Jugendstiftung

Mehr Orientierung!

Die meisten Schülerinnen und Schüler blicken optimistisch in ihre berufliche Zukunft. Doch beim Übergang von der Schule in die Ausbildung und das Erwerbsleben wünschen sich junge Leute deutlich mehr Unterstützung.

Der Übergang von der Schule ins Berufsleben ist auch in Zeiten des Fachkräftemangels keine Selbstverständlichkeit: Die Ungelerntenquote stieg laut dem aktuellen Berufsbildungsbericht der Bundesregierung zuletzt auf rund 18 Prozent der 20- bis 34-Jährigen. Bei den Personen ohne Schulabschluss haben sogar drei Viertel keine abgeschlossene Ausbildung, bei jungen Leuten mit Hauptschulabschluss sind es auch noch 39 Prozent. Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung und die Bertelsmann-Stiftung haben daher in ihrer neuen Jugendbefragung explizit nachgehört: Wie blicken Jugendliche und junge Erwachsene auf den Übergang von der Schule in die Ausbildungszeit und das Erwerbsleben? Wie gut fühlen sie sich vorbereitet – und wie schauen sie in ihre eigene berufliche Zukunft? Für die repräsentative Befragung wurden 1075 Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 21 Jahren anlässlich des Tages der Bildung im Auftrag von Forsa befragt.

„57 Prozent der Schülerinnen und Schüler wünschen sich mehr Unterstützung, um ihren angestrebten Bildungsabschluss zu erreichen.“ (Franziska Jahn)

Und das Ergebnis ist zweischneidig: Zwar blickt ein Großteil der Schülerinnen und Schüler – insgesamt 88 Prozent – positiv in die berufliche Zukunft. Zwei Drittel sind allerdings der Überzeugung, dass es der Schule weniger gut oder gar nicht gelingt, die für eine berufliche Zukunft relevanten Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln sowie persönliche Kompetenzen und Erfahrungen außerhalb des Notensystems anzuerkennen. „57 Prozent der Schülerinnen und Schüler wünschen sich mehr Unterstützung, um ihren angestrebten Bildungsabschluss zu erreichen“, sagt Forsa-Forscherin Franziska Jahn.

Dazu gehörten vor allem eine stärkere individuelle Förderung, kostenlose Lern- und Förderangebote sowie mehr Angebote zur Berufsorientierung, Praktika und eine individuelle Begleitung. Außerdem sollte es mehr finanzielle Unterstützung geben, um einen Ausbildungs- oder Studienplatz annehmen zu können, wenn dafür ein Umzug nötig ist.

Berufsorientierung besser ausbauen

Ralf Becker, GEW-Vorstandsmitglied für Berufliche Bildung und Weiterbildung, setzt sich dafür ein, Berufsorientierung viel mehr als Teilaspekt einer ganzheitlichen Lebens- und Arbeitsweltorientierung zu sehen. „Die Lebensentwürfe der jungen Menschen und die Möglichkeiten der Berufs- und Arbeitswelt müssen besser in Einklang gebracht werden“, sagt Becker. Berufsorientierung müsse nicht nur in Schulkonzepten und Lehrplänen verankert werden – Lehrkräfte müssten dafür auch besser qualifiziert und bei der Arbeit unterstützt werden. „Auch die Schulsozialarbeit muss für diesen Bereich ausgebaut werden“, so Becker.

Mobilität unterstützen

Doch neben dem Finden des eigenen Wegs geht es auch um die Bezahlbarkeit von Berufswünschen jenseits des Heimatortes. 90 Prozent der jungen Leute sehen sogar eine finanzielle Unterstützung ihrer räumlichen Mobilität, um für einen Ausbildungs- oder Studienplatz umziehen zu können, als wichtigsten Faktor für bessere Übergangschancen.

Nötig seien daher ein preisgünstigeres Deutschlandticket für Azubis und die Förderung von Familienheimfahrten, fordert GEW-Vorstand Becker. Und nicht nur das. „Auch das Bundesprogramm für den Ausbau von Azubi-Wohnheimen muss endlich verstetigt und vor Ort in den Ländern sinnvoll umgesetzt werden“, fordert Becker.

Wachsende Kluft bei der Chancengerechtigkeit

Eine große Rolle spielt offenkundig auch eine wachsende Kluft bei der Chancengerechtigkeit im Bildungssystem. Die Einschätzung, dass in Deutschland alle Kinder unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft die gleichen Chancen auf gute Bildung haben, teilt nur noch ein Drittel der jungen Generation. Die Wahrnehmung der Gerechtigkeit nimmt damit deutlich ab: 2018 sah lediglich die Hälfte der Befragten ungleiche Bildungschancen. Und diese Diskriminierung hat Konsequenzen. „Bildungsbenachteiligte Jugendliche blicken deutlich pessimistischer in die Zukunft als Abiturientinnen und Abiturienten“, betont Marc Calmbach, Geschäftsführer des Sinus-Instituts für Markt- und Sozialforschung. Sie wollten Orientierungsangebote, die ihnen zeigen, welche Berufe tatsächlich gut zu ihren Kompetenzen passen. „Wir brauchen“, sagt Calmbach, „einen Realitycheck für Jugendliche.“