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OECD-Bericht "Bildung auf einen Blick"

Mehr Akademiker, mehr Ungelernte

Das deutsche Bildungssystem produziert zwar mehr Akademiker, zugleich aber auch mehr Ungelernte. Dies ist zentrales Ergebnis der Studie „Bildung auf einen Blick 2023“ der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Die GEW mahnt eine Reform der beruflichen Bildung und mehr Geld an.

Foto: Shutterstock / GEW

Es sind zwei Zahlenvergleiche, die bei der Analyse des umfangreichen jährlichen internationalen Bildungsberichtes der OECD diesmal besonders ins Auge stechen: Der Anteil der 25- bis 34-Jährigen mit abgeschlossenem Studium ist zwischen 2015 und 2022 von 30 auf 37 Prozent gestiegen. Im gleichen Zeitraum wuchs jedoch in dieser Altersgruppe die Zahl derjenigen, die weder über einen schulischen Sekundar-II-Abschluss noch über einen Berufsbildungsabschluss verfügen von 13 auf 16 Prozent. Das sind fast 1,7 Millionen junge Menschen – fast jeder Sechste in dieser Altersgruppe.

Der Anteil der gering Qualifizierten in Deutschland ist im OECD-Vergleich besonders hoch.

Im Vergleich mit allen anderen Industrienationen ist laut OECD nur in Deutschland und Tschechien der Anteil dieser Ungelernten in den vergangenen sieben Jahren gewachsen. In Tschechien allerdings nur um einen Prozentpunkt auf 7 Prozent.

Die an einer Schule erworbene Hochschulreife (Abitur) oder ein mittlerer Schulabschluss plus einer abgeschlossenen Ausbildung gelten in der deutschen wie internationalen Bildungsstatistik als Sekundar-II-Abschluss. „Ohne diesen Abschluss haben Menschen in Deutschland kaum Berufs- und Lebenschancen“, sagte OECD-Bildungskoordinator Andreas Schleicher in Paris.

Auch der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, Jens Brandenburg (FDP), bezeichnete es angesichts des Fachkräftemangels als „alarmierend“, dass der Anteil der gering qualifizierten jungen Menschen in Deutschland erneut gestiegen ist. Das könne Deutschland „sich schlicht nicht leisten“. Brandenburg forderte eine „bildungspolitische Trendwende“. Er verwies auf die Bemühungen des Bundes für ein Startchancenprogramm, um die enge Koppelung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg in Deutschland aufzubrechen. Doch die Verhandlungen mit den Ländern kommen dem Vernehmen nach nur äußerst schleppend voran.

„Es ist absurd, einerseits über den Fachkräftemangel zu jammern und andererseits einen großen Teil der jungen Menschen, die da sind, nicht auszubilden.“ (Ralf Becker)

GEW-Vorstandsmitglied Ralf Becker mahnte zusätzliche Mittel für die berufliche Bildung und Reformen für den Übergang der jungen Menschen von der Schule in die Ausbildung an. Die Arbeitgeber müssten sich ernsthaft der Aufgabe stellen, die Abbrecherquote durch qualitativ gute Angebote zu senken. Becker: „Es ist absurd, einerseits über den Fachkräftemangel zu jammern und andererseits einen großen Teil der jungen Menschen, die da sind, nicht auszubilden.“

Der OECD-Bericht macht zugleich die Verschiebungen der vergangenen Jahre in der deutschen Bildungslandschaft deutlich. 2022 hatten 38 Prozent der 25- bis 34-Jährigen einen beruflichen Bildungsabschluss (ohne Studium). 2015 waren es noch 51 Prozent. Dies liege allerdings nicht allein am Trend zum Studium und zu akademischen Abschlüssen. Ebenso lasse sich auch der Zuwachs bei den Ungelernten nicht nur mit den hohen Migrantenzahlen in Deutschland erklären. Laut Bericht ist Deutschland das einzige OECD-Mitgliedsland, in dem auch die Zahl der jugendlichen Schulabgänger ohne Abschluss wieder gestiegen ist – aktuell jährlich rund 50.000.

Deutschland investiert nach wie vor viel zu wenig Geld in die Bildung

Große Sorgen bereiten Jugendliche, die mit Ausnahme von Hamburg von den Arbeitsagenturen nur selten namentlich erfasst werden können. Das sind junge Menschen, die mit der Schule fertig sind, keine weitere Ausbildung absolvieren und keiner regelmäßigen Arbeit nachgehen.

In Deutschland wird dieser NEETs-Anteil (not in Education, Employment or Training) unter den jungen Menschen im Alter von 18 bis 24 Jahren auf 8,6 Prozent geschätzt. Beim Bildungsgipfel 2008 in Dresden hatten die Länder versprochen, die Zahl der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss binnen zehn Jahren zu halbieren. Damals waren dies knapp 7 Prozent. Dieses Ziel wurde nie erreicht

Becker verweist darauf, dass Deutschland laut OECD-Bericht nach wie vor viel zu wenig Geld in Bildung investiere, um das Land zukunftsfähig zu machen. In Deutschland fließen laut OECD-Rechnung 4,6 Prozent des Bruttoinlandproduktes in diesen Bereich, im Schnitt der anderen Industrienationen dagegen 5,1 Prozent.