"Loi Travail" oder "Loi El Khomri" – das sind die Namen des umstrittenen neues Arbeitsgesetzes, das im August 2016 in Kraft trat, nachdem es in Frankreich heftige Auseinandersetzungen gegeben hatte. Auch Monate nach In-Kraft-Treten bestimmt es die politischen Debatten in den französischen Gewerkschaften, so auch auf dem Kongress der französischen Bildungsgewerkschaft FNEC-FP-Fource Ouvrière vom 10. bis 14. Oktober 2016 im nordfranzösischen Gravelines. Das Loi Travail stelle die „Hierarchie der Normen“ auf den Kopf, stellte Jean-Claude Mailly, Generalsekretär der Fource Ouvrière, fest. Mailly erläuterte, ausgehend von der Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008, wie seitdem weltweit versucht werde, die Lasten der Krise auf die Beschäftigten abzuwälzen. Teil davon sei auch das Loi Travail. Es werde in jedem Unternehmen möglich sein, mit einem schlechteren Haustarif Branchentarifverträge zu unterlaufen. Dies stelle einen Angriff auf das Kerngeschäft der französischen Gewerkschaften dar, betonte Mailly. Kollektive Garantien, die im Verlauf von über 100 Jahren erkämpft wurden, könnten durch lokale Vereinbarungen unterlaufen werden, so der Chef der Fource Ouvrière.
Die Bewegung gegen das Gesetz hatte erst im April mit Massendemonstrationen und der ersten Nuit Debout, der aufrechten Nacht am 31. März 2016, starken Aufwind bekommen. Ihren stärksten Moment hatte die Bewegung Ende Mai, als durch Streiks und Blockaden 30 Prozent der französischen Tankstellen ohne Benzin waren. Danach war die Welle zur Europameisterschaft und zur Sommerpause abgeflaut und das Gesetz wurde im August im Amtsblatt verkündet. Das umstrittene Gesetz sorgte in der Folge auch für Konsequenzen im Bildungsbereich Frankreichs. Das „Gesetz zur Neugründung der Schule“ wurde 2013 verabschiedet, zum Schuljahresbeginn 2016 startete die Reform des Collège unique, der gemeinsamen Mittelstufe, die in Deutschland den Jahrgängen 6 bis 9 entspricht. Die Behörden experimentieren zudem an einer neuen Form der Lehrerevaluation.
Kampf gegen Reformen im Bildungswesen
Die Bildungsgewerkschaft FNEC-FP kritisiert, dass das bisher national einheitliche, kostenlose und religiös neutrale Schulsystem, für das die Arbeiterbewegung Jahrzehnte gekämpft hat, ersetzt werden soll durch die Konkurrenz der Regionen im Bildungswesen. Der Fachunterricht werde reduziert, die Kolleginnen und Kollegen müssten zusätzlich an bis zu vier Programmen mitarbeiten, so die Kritiker. Die FNEC-FP ist nach der UNSA-Educacion und der SNES-FSU die drittstärkste Bildungsgewerkschaft in Frankreich. Sie umfasst 14 Einzelgewerkschaften, die den Fachgruppen der GEW entsprechen. Wichtigster Beschluss des Kongresses war die Forderung nach einer Kampagne gegen die geplanten Reformen im Bildungsbereich.
Die Auseinandersetzungen in Frankreich haben die FNEC-FP gestärkt und sie konnte sich personell verjüngen, auch in den Gremien. „On ne lâche rien! Wir geben nichts auf!“ das war die einhellige Stimmung unter den Delegierten des Kongresses.
Neben Delegierten aus den französischen Überseegebieten wie Réunion im indischen Ozean, waren Gäste aus Tunesien, Niger, Burkina-Faso und Deutschland anwesend. Mamadou Barro von der Gewerkschaft F-SYNTER aus Burkina-Faso, mit der auch die GEW seit vielen Jahren zusammenarbeitet, machte in seiner Rede deutlich, dass jede Verschlechterung des öffentlichen Schulsystems in Frankreich zu einer entsprechenden Verschlechterung in den Ländern Westafrikas führen werde. Der Kampf der Bevölkerung in Frankreich gegen die neoliberalen Reformen sei daher auch der Kampf für die Menschen in Afrika. Zur Unterstützung der Proteste gegen die Arbeitsrechtsreform in Frankreich hatte die GEW hatte Anfang Juni eine Solidaritätsaktion für eine neu gegründete französische Streikkasse gestartet. Daraus erhalten Kolleginnen und Kollegen zwischen 30 und 50 Euro pro Tag, wenn sie an einem länger dauernden Streik teilgenommen haben, unabhängig von ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit. In Deutschland wurden mehr als 6.000 € gesammelt, in Frankreich über 570.000 €.