Streit um Kindergrundsicherung
Lindner entfacht „Nebelkerzendiskussion“
In der Debatte um die Kindergrundsicherung stellt Finanzminister Christian Lindner (FDP) einen Zusammenhang von Migration und Kinderarmut her. Die GEW kritisiert, er versuche, die Schwächsten der Gesellschaft gegeneinander auszuspielen.
Eigentlich soll sich die Bundesregierung noch in diesem Monat auf eine Kindergrundsicherung einigen - doch zuvor zeichnen sich weitere heftige Debatten ab. Finanzminister Christian Lindner meldete am Sonntag Beratungsbedarf zur inhaltlichen Ausgestaltung der Maßnahmen an und sprach von erhöhter Kinderarmut in Zuwandererfamilien. Die GEW kritisiert die neue Diskussion scharf. „Die Kindergrundsicherung ist ein ganz wichtiges sozialpolitisches Projekt der Bundesregierung – sie muss – gut ausfinanziert – so schnell wie möglich kommen“, sagte Doreen Siebernik, Vorstandsmitglied Jugendhilfe und Sozialarbeit der GEW.
„Die Nebelkerzendiskussion, die Lindner entfacht, ist infam.“ (Doreen Siebernik)
„Dass Finanzminister Christian Lindner, der für die Finanzierung der notwendigen Reformen und Sanierungsvorhaben der Regierung weder die Schuldenbremse aussetzen noch die Reichen in diesem Land stärker in ihre gesellschaftspolitische Verantwortung nehmen will, ist schon skandalös genug. Dass er sich jetzt auch noch populistischer Argumente bedient, leitet noch mehr Wasser auf die Mühlen der Rechten und ist sowohl sozialpolitischer als auch ökonomischer Unsinn“, sagte Siebernik.
Die Nebelkerzendiskussion, die Lindner entfache, sei infam. Er versuche erneut, die Schwächsten der Gesellschaft gegeneinander auszuspielen, anstatt aus der Verantwortung seines Amtes heraus, konstruktiv das gemeinsame Vorhaben der Bundesregierung positiv voranzubringen, so die GEW-Expertin weiter.
„Den Zuzug Geflüchteter in die Bundesrepublik als Hauptgrund für Kinderarmut anzuführen, verdreht schlicht die Tatsachen.“ (Doreen Sierbernik)
„Den Zuzug Geflüchteter in die Bundesrepublik als Hauptgrund für Kinderarmut anzuführen, verdreht schlicht die Tatsachen. Es ist ein Skandal, dass der Finanzminister nun Sachleistungen vorschlägt, die er und sein Ministerium im aktuellen Haushaltsentwurf konsequent unterfinanziert haben. Sowohl die Kindertagesbetreuung, als auch die gesamte Kinder- und Jugendhilfe sehen sich mit einer Austeritätspolitik konfrontiert, während der Finanzminister und seine Partei schamlos Wahlgeschenke an die eigene Zielgruppe verteilen“, kritisierte Siebernik.
Lindner: Einwandererfamilien von Armut betroffen
Lindner hatte Zweifel am Konzept der Kindergrundsicherung von Familienministerin Lisa Paus angemeldet, mit der die Grünen-Politikerin Leistungen für Familien zusammenfassen und zugleich erhöhen will. Von Kinderarmut seien vor allem Familien betroffen, die seit 2015 nach Deutschland eingewandert seien, sagte der FDP-Politiker am Sonntag beim Tag der offenen Tür in seinem Ministerium in Berlin. Er wolle gerne diskutieren, wie man diesen Kindern und Jugendlichen am besten helfen könne. „Hilft man ihnen am besten dadurch, dass man den Eltern mehr Geld aufs Konto überweist?“, fragte Lindner. „Oder ist nicht vielleicht mindestens diskussionswürdig, in die Sprachförderung, Integration, Beschäftigungsfähigkeit der Eltern zu investieren und die Kitas und Schulen für die Kinder so auszustatten, dass sie vielleicht das aufholen können, was die Eltern nicht leisten können?“ Bei „ursprünglich deutschen Familien, die schon länger hier sind“, sei die Kinderarmut hingegen deutlich zurückgegangen.
Schon länger „verfestigte Kinderarmut“
Grünen-Chefin Ricarda Lang widersprach Lindner: „Verschiedene Zahlen zeigen uns, dass wir ein Problem mit verfestigter Kinderarmut schon seit längerer Zeit hier in Deutschland haben“, sagte Lang dem Nachrichtenportal „ZDFheute.de“. Deswegen sei die Einführung einer Kindergrundsicherung wichtig. „Dabei hängt die Frage, ob man etwas gegen Kinderarmut tun sollte, für mich nicht von der Herkunft ab“, machte die Grünen-Vorsitzende deutlich.
Streit über die Finanzierung
Strittig sind außerdem Kosten und Umfang der Kindergrundsicherung. Für das Startjahr 2025 sind derzeit nur zwei Milliarden Euro vorgemerkt - laut Finanzminister Lindner als „Platzhalter“. Paus hatte zu Beginn zwölf Milliarden, später bis zu sieben Milliarden Euro pro Jahr gefordert. Im Gesetzentwurf soll nach einem Bericht von „Zeit online“ nun von zunächst 3,5 Milliarden Euro im Jahr 2025 die Rede sein.