USA
Lehrerstreik in Chicago
In Chicago wird seit dem 17. Oktober 2019 an allen öffentlichen Schulen gestreikt. Der Streik findet große Beachtung in den USA und erfährt viel Solidarität – auch von der GEW.
25.000 Lehrerinnen und Lehrer und andere Angestellte der Schulen in Chicago kämpfen für höhere Löhne, kleinere Klassen und bessere Ausstattungen der Schulen, aber nicht nur: sie kämpfen auch für bezahlbaren Wohnraum. Es ist deshalb kein gewöhnlicher Streik. Die GEW unterstützt den Streik in Chicago. „Kinder sind unsere Zukunft, sie und ihre Lehrerinnen und Lehrer brauchen gute Arbeitsbedingungen. Solidarität“, schrieb die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe an die Chicagoer Lehrergewerkschaft CTU, die gemeinsam mit einer weiteren Gewerkschaft, der Service Employees International Union, SEIU, den Streik organisiert. Über 300.000 Schülerinnen und Schüler sind betroffen. Umfragen zeigen, dass die Chicagoer mehrheitlich mit den Aktionen sympathisieren.
Für kleinere Klassen, mehr Personal und mehr Geld
Unmut über stagnierende Lehrergehälter, schlechte Infrastruktur und tiefe Budgetkürzungen im Bildungsbereich hatten bereits 2018 zu einer Welle von Lehrerprotesten auch in konservativen Staaten der USA geführt. Die Proteste waren erfolgreich. Bundesstaaten wie Arizona, West Virginia, Kentucky und Oklahoma beschlossen, die Gehälter zu erhöhen und mehr für Schulen auszugeben. Im Januar 2019 gelang es in Los Angeles ein Abkommen durchzusetzen, das neben Gehaltserhöhungen kleinere Klassengrößen und mehr Personal für Betreuung an Schulen und Bibliotheken beinhaltet. Auch in der aktuellen Auseinandersetzung in Chicago geht es um kleinere Klassen, mehr Personal, höhere Gehälter und bessere Finanzausstattung der Schulen. CTU und SEIU verlangen aber noch mehr. Sie fordern bezahlbaren Wohnraum in der Stadt und finanzielle Unterstützung für Schülerinnen und Schüler und deren Familien, die vom Verlust ihrer Wohnungen bedroht sind. Die Chicagoer Bürgermeisterin Lori Lightfoot beschuldigte die Gewerkschaften mit dieser Forderung die Verhandlungen zu verzögern und die Chicagoer Zeitung „Sun-Times“ schimpfte, die Lehrerinnen und Lehrer sollten sich einem „Realitätscheck“ unterziehen.
Schule und Wohnen sind eng miteinander verbunden
Wohnen ist ein sehr wichtiges Thema in Chicago. 17.000 Schülerinnen und Schüler sind obdachlos, besonders afro-amerikanische Familien sind von Segregation betroffen und leben in finanziell schwachen Gemeinden. Steigende Mieten triffen sie besonders. “Wir meinen ernst“, unterstrich der Vize Präsident der CTU Stacy Davis Gates, „wir müssen die soziale Ungleichheit überwinden“. Die Gewerkschaften haben bisher alle Angebote abgelehnt, die nur Gehaltserhöhungen beinhalten. Die Bürgermeisterin sieht in der Wohnungspolitik durchaus Handlungsbedarf, sie will dieses Thema aber nicht mit den aktuellen Verhandlungen verknüpfen. Für die Betroffenen ist diese Haltung nicht nachvollziehbar. „Schule und Wohnen sind eng miteinander verbunden. Die Schule ist das zweite Zuhause, aber Kinder brauchen mit einem Wohnraum ein erstes Zuhause, das ihnen Sicherheit gibt“, sagt Eva Jaramillo, eine Mutter von drei Kindern.
Streik findet viel Beachtung in US-Öffentlichkeit
CTU und SEIU geht es darum, Tarifverhandlungen über Löhne und Sozialleistungen hinaus auszudehnen, um eine breite, arbeitnehmerfreundliche Agenda durchzusetzen. Sie sind Teil des Netzwerks "Verhandeln um des Gemeinwohls willen" (Bargaining for the common goods), dem sich US weit fünfzig Gewerkschaften und kommunale Initiativen angeschlossen haben. Es werden Themen aufgegriffen, die die Schulen insgesamt und Anliegen der Kommunen betreffen. Dieser Ansatz war ein Schlüssel zum Erfolg von Streiks in der Vergangenheit. CTU und SEIU bauen darauf, dass diese Strategie auch in Chicago zum Erfolg führt und es ihnen gelingt, substantielle Verbesserungen durchzusetzen. Der Streik findet große Beachtung in der US-Öffentlichkeit. Bernie Sanders, Kamala Harris und Julián Castro haben ihre Solidarität mit streikenden Lehrerinnen und Lehrern in Chicago bekundet. Elizabeth Warren wird gemeinsam mit Randi Weingarten, der Präsidentin der American Federation of Teachers Union, AFT, die Streikenden besuchen.