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Personal- und Betriebsratsarbeit

Laut werden hilft

Wer das wissenschaftliche Personal an Hochschulen vertritt, hat es mit einer sehr speziellen Berufsgruppe zu tun. Das Beispiel der Universität Potsdam zeigt: Der Einsatz lohnt sich.

Das Thema Vertragsverlängerungen steht ganz oben auf der Aufgabenliste des Personalrats für das wissenschaftliche und künstlerische Personal an der Universität Potsdam. (Foto: Dirk Lässig)

Wissenschaftlich Arbeitende sollen notieren, wann sie arbeiten; an ihren Laptops, in den Laboren, in der Hochschule? „Wenn wir das gut begleiten, bietet das viele Chancen“, sagt Susanne Gnädig. Die Vorsitzende des Personalrats für das wissenschaftliche und künstlerische Personal der Universität Potsdam hält eine Arbeitszeiterfassung, wie sie das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil von 2022 fordert, für hilfreich, um vielen Unsitten ein Ende zu bereiten. So könnten Promovierende und Postdocs auf „Qualifikationsstellen“ darauf pochen, während eines Drittels ihrer Arbeitszeit in Ruhe gelassen zu werden – diese Zeit muss ihnen laut Vertrag für die Qualifizierung bleiben. „Auch das stete Aushebeln des Tarifvertrags wäre nicht mehr so leicht“, hofft sie. Ihr Beispiel, typisch brandenburgisch: „Wird eine Stelle zur Wolfsforschung ausgeschrieben, ist völlig klar: Ohne nächtliche Beobachtung geht das nicht. Und Nachtarbeit wird extra vergütet – außer in der Wissenschaft.“

Also machte sich der 17-köpfige Personalrat nach dem BAG-Urteil 2022 auf den Weg zu einer Arbeitszeiterfassungs-Dienstvereinbarung, die dem wissenschaftlichen und künstlerischen Personal gerecht wird: ohne Stechuhr und Zeichnungspflicht des Arbeitgebers; dafür mit großer Freiheit und Vertrauensarbeitszeit. Wenn sie gut verhandelten, so die Hoffnung, könnten sie den Präsidenten und den Kanzler der Universität überzeugen.

„Es gibt tatsächlich die Befürchtung, durch jemanden ersetzt zu werden, der das Seminar schneller vorbereitet.“ (Susanne Gnädig)

Doch zunächst galt es, die Beschäftigten ins Boot zu holen: „Manche waren begeistert, andere gar nicht“, erzählt Gnädig. Viele befristet Beschäftigte empfänden die Pflicht, ihre Arbeitszeiten offenzulegen, als Leistungskontrolle; schließlich sei der Vorgesetzte zugleich oft Gutachter – und entscheide über Vertragsverlängerungen. „Es gibt tatsächlich die Befürchtung, durch jemanden ersetzt zu werden, der das Seminar schneller vorbereitet“, erzählt sie. Auch ein Nicht-Wissen--Wollen hat die Personalratsvorsitzende beobachtet: „So mancher schämt sich richtig, wenn da eine wöchentliche Stundenzahl weit jenseits der 40 steht.“

Abhängigkeit, Konkurrenzdruck und Selbstausbeutung

All das spricht Bände über Abhängigkeit, Konkurrenzdruck und Selbstausbeutung in der Wissenschaft. Es spricht aber auch Bände darüber, dass Personalratsarbeit an Hochschulen eine besondere ist und zudem von Menschen geleistet wird, die in derselben Lage sind wie jene, die sie vertreten: „Schon Kandidierende zu finden, die für die vierjährige Wahlperiode als Personalrat einen Vertrag haben, ist schwierig“, sagt Gnädig, die selbst als eine der wenigen eine unbefristete Stelle in der Lehrkräftebildung hat. Vollumfänglich freistellen lassen – das ist eine weitere Besonderheit – will sie sich indes so wenig wie ihre 16 Mitstreitenden. „Das macht fast nie jemand“, sagt sie, „den Kontakt zur Wissenschaft wollen wir alle nicht verlieren.“ Damit aber kommt die Personalratsarbeit noch „on top“.

Und zu tun gibt es viel. Da sind zum einen die Beratungsgespräche. Ganz oben auf der Liste: das Thema Vertragsverlängerungen, gefolgt von der leidigen Höchstbefristungsdauer von zwölf Jahren. Einen noch größeren Teil nimmt das weite Feld der Hochschulpolitik ein, an der Uni wie auf Landesebene. Alle sechs bis acht Wochen kamen die akademischen Personalräte aller brandenburgischen Hochschulen in den zurückliegenden Jahren zusammen, um Positionen zu erarbeiten – sowohl das Hochschul- als auch das Personalvertretungsgesetz im Land werden derzeit reformiert.

Haben sie in dem Prozess etwas erreicht? Ja, sagt Gnädig, die zugleich Sprecherin der Landesfachgruppe Hochschule und Forschung der GEW ist. So verpflichtet das Hochschulgesetz die brandenburgischen Hochschulen künftig, mit den Personalvertretungen Dauerstellenkonzepte für den Mittelbau zu erarbeiten. Auch ein Pilotprojekt zu unbefristeter Beschäftigung im Drittmittelbereich wurde vereinbart. Und in den Verhandlungen über das Personalvertretungsgesetz gelang es, einen eigenen Personalrat für studentische Hilfskräfte einzuführen.

Laut werden hilft also; das hat Gnädig in ihren zehn Jahren im Personalrat vor allem gelernt. Noch besser wäre es, wenn die Arbeit auch in der Hochschule bekannter würde. Damit sich in dieser Hinsicht etwas tut, zieht sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen regelmäßig in die Mensa. „Deine Anliegen, unsere Mission – komm und sprich mit uns!“ – so steht es auf Zetteln, die sie verteilen und zum Mittagessen mit dem Personalrat aufrufen: „Wir sitzen bei dem blauen Kegel.“